Auf 760mm durch Österreich III – Zwei Tage an der JHMD in Südböhmen

Geografisch war der Ausreißer nach Tschechien tatsächlich ein Abstecher Richtung Norden, thematisch waren die zwei von Jindřichův Hradec ausgehenden Strecken der JHMD aber ein klarer Schwerpunkt unserer Reise. So hatten wir im Vorhinein auch zwei Tage Zeit für die urigen CKD-Loks aus den 50er Jahren eingeplant.

Montag 13.08.2018: Dampf, Diesel und U-Boote zwischen Nová Bystrice und Obrataň

Nach einem ausgiebigen Frühstück in unserem Hotel am Martkplatz starteten wir von unserem Hotel im Zentrum von Jindřichův Hradec gegen halb Neun zum Bahnhof. Das Frühstück konnte selbstverständlich nicht mit gestern mithalten, hatte aber dennoch einen guten Standard. Besonders unterhaltsam war der Kellner, welcher die ganze Zeit nur darauf zu lauern schien, dass ein, Teller, eine Schale oder auch nur eine Tasse nicht mehr Gebrauch war, und sie sich sofort schnappte und zum Abwasch in die Küche brachte. So brauchte zwar jeder am Ende drei Teller und zwei Schalen, aber der ältere Herr war beschäftigt…
Zum Auftakt gelang auf dem regelspurigen Teil des Bahnhofs direkt ein Bild von der Ausfahrt einer wirklich schönen Garnitur der Tschechischen Staatsbahn, bevor wir uns der Schmalspur zuwandten.


CD 242 212-9 verlässt den Bahnhof von Jindřichův Hradec.

Fälschlicherweise fuhren wir daraufhin den nördlichen Ast nach Obrataň bis zum, in einem kleinen Wäldchen gelegenen, Bahnhof Lovetín und warteten dort auf den Dampfzug. Ich hatte mich jedoch im Fahrplan geirrt und zur vorgesehenen Kreuzung des Dampfzuges mit dem Planzug aus Obrataň erschien lediglich letzterer in Form eines Nautilus. Ein großes Problem stellte das allerdings nicht dar, wir wechselten im Anschluss einfach an den von hier noch nicht weit entferneten Ast nach Nová Bystrice und erwarteten nun dort in Jindriš den Dampfzug.


Der Privat bewohnte Bahnhof von Lovetín bietet am Morgen eine wunderschöne Kulisse – selbst ohne Zug…

Der Dampfzug wurde heute von U46.001 gezogen. Dabei handelt es sich um einen MÁVAG-Typ 70 Nachbau von Reșița. Ursprünglich wurden die MÁVAG-Typ 70 ab 1905 in Ungarn für die zahlreichen Feld- und Waldbahnen gebaut. Bis zum Ende der Produktion im Jahr 1950 entstanden 152 Lokomotiven diesen Typs. Das Stahlwerk Reșița fertigte in den 50er Jahren in Rumänien für den großen Bedarf der dortigen Waldbahnen noch einmal 120 Nachbauten des Typs 70. In den 80er Jahren fertigte das Traktorenwerk in Reghin noch einmal 12 Lokomotiven nach Plänen von Reșița, sodass der Typ 70 mit insgesamt 284 Exemplaren zu den meistgebauten Schmalspurloks Europas gehört.
Die heute eingesetzten Maschinen diesen Typs auf diversen touristischen Bahnen entstammen meist der rumänischen Nachbauserien. So auch die U46.001 der JHMD oder die ehemalige C.F.F. 764.411R, welche heute vor dem Flascherlzug in Stainz zum Einsatz kommt.
Mit Baujahr 1958 ist die U46.001 ironischerweise jünger als die älteste der tagtäglich vor Planzügen eingesetzten T47 von CKD.

Wir erwarteten den Dampfzug also am westlichen Haltepunkt von Jindriš und erwischten ihn ein zweites Mal im Bahnhof von Blažejov, bevor wir ihn ziehen ließen.


U46.001 erreicht mit ihrem Zug Jindriš .


Im Bahnhof von Blažejov gelang ein weiteres Bild des Dampfbummelzuges.

Wir beschlossen in Blažejov nun auf den in einer knappen Stunde folgenden Planzug zu warten. Der Dampfzug würde ohnehin in Kunžak-Lomy eine längere Pause einlegen und sich von eben jenem Planzug überholen lassen.
Ich stellte mich an der Straßenkreuzung kurz vor Blažejov auf, wo wir bereits gestern Abend das letzte Bild gemacht hatten. Durch den Ort konnte ich den Zug locker überholen und ihn kurz vor dem Haltepunkt Malý Ratmírov erneut aufnehmen. Zum Einsatz kam wie schon gestern Abend die blaue T47.015.
Die T47-Dieselloks wurden in den Jahren 1954 bis 1958 von CKD in Prag gefertigt und kommen bis heute täglich vor den beiden Planzügen zwischen Jindřichův Hradec und Nová Bystrice zum Einsatz. Beim Ausfall von mindestens zwei der vier neuen Nautilus-Triebwagen werden sie zudem, meist mit nur einem Wagen, auf der Strecke nach Obrataň eingesetzt.
Wir begleiteten den Zug bis Hůrky und warteten dann dort auf den wenige Minuten später folgenden Dampfzug.


T47.015 befindet sich unmittelbar vor der Straßenkreuzung vor Blažejov.


T47.015 kurz vor dem Haltepunkt Malý Ratmírov.


Bei Senotín hatten wir den Zug schon längst wieder überholt und erwarteten ihn in der Kurve vor dem Bahnhof.


Im Bahnhof von Hůrky warteten wir auf den wenig später folgenden Dampfzug.

In Endbahnhof Nová Bystrice trafen die beiden Züge wenig später wieder aufeinander. Während der Dieselzug schon in Kürze wieder abfahren würde, legte der Dampfzug hier eine zweistündige Mittagspause ein, welche den Fahrgästen erlaubt den Ort zu erkunden und die örtliche Restauration für ein Mittagessen aufzusuchen. Wir beschlossen es ihnen gleich zu tun, um dann auch mal den zweiten Dieselzug vor die Linse zu bekommen. Nach einem leckeren Mittagessen im Ortszentrum samt Koffeinsüppchen als Nachspeise, widmeten wir uns wieder der Schmalspurbahn.
Mittlerweile war die lila-farbene T47.019 in Nová Bystrice eingefahren und setzte bereits für die Rückfahrt um. Anstatt des üblichen Zuges aus zwei Balm/ú und einem Güterwagen für Fahrräder, führte der Zug anstelle des zweiten Balm/ú den Ca/ú 550 mit. Das bot zwar Abwechslung, war aber irgendwie nicht so richtig fotogen…
Wir fuhren den beiden Zügen mal bis Kunžak-Lomy voraus. Dort nahmen wir den Dieselzug kurz hinter dem Ort auf einer Wiese auf und fuhren anschließend für die Kreuzung des Dampfzuges mit dem zweiten Dieselzug zum Bahnhof.


T47.019 mit ihrem Restezug kurz hinter Kunžak-Lomy.


T47.015 hat in Kunžak-Lomy den Dampfzug gekreuzt.

Was nun anstellen? Irgendwie hatten wir die blaue T47.015 langsam satt und den Dampfbummelzug mit der Resita sowieso. Der zweite Dieselzug war mit dem Gemischtwagenexpress auch nicht wirklich der Oberknaller. Also beschlossen wir an die Strecke nach Obrataň zu wechseln, schließlich kannten wir den zweiten Kurs noch nicht und hofften auf einen Lokzug.
Wir wollte den laut Fahrplan der JHMD-Website um 16:11 aus Obrataň Richtung Jindřichův Hradec abfahrenden Zug in Kamenice abfangen. Dort sollte er nach über 30min Aufenthalt um 17:27 abfahren. Die langen Aufenthalte in Kamenice kamen mir ohnehin immer etwas seltsam vor und so hatte man wohl beschlossen, diesen etwas zu verkürzen und bereits um 17:05 abzufahren. Blöd nur, das dies nur in den Aushangfahrplänen ersichtlich war, nicht aber auf meinem aus dem Internet aufs Smartphone gezogenen, sodass wir den Zug natürlich unbemerkt irgendwo zwischen Kamenice und Jindřichův Hradec umfuhren.
Jetzt blieb uns nichts weiter übrig als noch weiter in Richtung Obrataň zu fahren und dort den nächsten Kurs Richtung Jindřichův Hradec abzuwarten, welcher jedoch bereits in Kamenice enden würde. Nach nun zwei Stunden Kurverei im schönsten Nachmittagslicht war die Stimmung etwas angeknackst und die Uhr zeigte bereits viertel nach sechs, als endlich das nächste Bild gelang. Zu allem Überfluss war es auch noch eine Nautilus, aber so hässlich die Karren auch sind, im Betrieb hatte ich sie auch noch nicht fotografiert…


Bei Křeč gelang nach fast zwei Stunden vertaner Zeit endlich wieder ein Bild. M27.003 fährt kurz vor Křeč in Richtung Kamenice.


Kurz vor Kamenice nad Lipou gelang noch eine weitere Aufnahme des Nautilus.

Den Gegenzug wollten wir an der Stelle kurz vor Kamenice in der großen Kurve ablichten, welche im letzten Bild im Hintergrund erkennbar ist. Die massive Wolkenfront aus Norden war allerdings schneller als der Triebwagen und sollte im Verlauf der Nacht auch noch für ordentliche Gewitter sorgen.
Wir beendeten damit den ersten Fototag an der JHMD und fuhren zurück nach Jindřichův Hradec, wo es in einem gemütlichen Lokal noch ein köstlich gegrilltes Abendessen in Form von Lachs auf Zucchini gab.

Dienstag 14.08.2018: Mit der Nautilus nach Obrataň

Für heute hatten wir uns den Streckenast nach Obrataň vorgenommen. Gestern Abend waren uns ja noch zwei Bilder eines Nautilus auf dem Weg von Obrataň nach Kamenice gelungen, bis nach Obrataň hatten wir es aber nicht mehr geschafft und insgeheim hofften wir auch auf einen Diesellokeinsatz auf der Strecke.
Der Dampfzug würde heute auf jeden Fall den Ast nach Obrataň bis Kamenice befahren und dabei in Nová Vcelnice den Dieselzug kreuzen. Den zweiten Dieselzug könnten wir dann von Kamenice aus bis Obrataň begleiten.
Zum Tagesbeginn wurde erstmal der Bahnhof von Jindřichův Hradec angesteuert. Dort machte sich, neben der U46.001, heute die rote T47.018 für die Fahrt nach Nová Bystrice bereit, sodass das Programm für den Nachmittag auch gleich feststand…


U46.001 und T47.018 machen sich in Jindřichův Hradec für die Fahrt nach Kamenice und Nová Bystrice bereit.

Anschließend ging es wie gestern nach Lovetín, um das gestern dort gescheiterte Bild erneut zu versuchen. Vor dem Dampfzug kam noch M27.003 nach Kamenice durch. Diesen Kurs konnte man also schonmal vergessen…


M27.003 in Lovetín auf dem Weg nach Kamenice.


U46.001 erreicht mit ihrem Dampfbummelzug den Bahnhof von Lovetín.

Wir begleiteten den Dampfzug bis Kamenice. In Nová Vcelnice sollte der Zug den Planzug aus Obrataň kreuzen. Wir warteten den Gegenzug vor dem Bahnhof von Nová Vcelnice ab. Zu unserem Ärger wurde auch dieser von einer Nautilus bedient. Bei den “Nautilus” Triebwagen handelt es sich um Neuaufbauten auf den 2005 aus Polen übernommenen PKP MBxd2 aus den Jahren 1984-86. Die ursprünglich bei FAUR produzierten Fahrzeuge sind nach ihrem Neuaufbau allerdings nicht wiederzuerkennen. Hatte das ursprünglich schlichte und funktionale 80er Jahre “Design” der Dieseltriebwagen zuvor durchaus noch seinen Reiz, konnte ich bislang niemanden finden, der das, was aus ihnen gemacht wurde auch nur ansatzweise als “ansehnlich” bezeichnet hätte. Lange haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wo wir viellecht schon mal ähnlich hässliche Triebwagen gesehen hätten. Auch Gefährten a la Baureihe 618 konnten den U-Booten aus unserer Sicht nicht das Wasser reichen, weitere Vorschläge werden aber gern angenommen 😀
Zu allem Überfluss sind die Triebwagen auch noch enorm unzuverlässig, was aus Sicht der Fotografen vielleicht garnicht so schlecht ist, verirrt sich so doch häufig noch eine T47 nach Obratan, war von Seiten der JHMD allerdings sicher anders geplant.


“Nautilus” M27.002 fährt in wenigen Sekunden in den Bahnhof von Nová Vcelnice ein.


Dort wartet bereits der Dampfzug auf die Kreuzung.


Mit Volldampf hat der Dampfzug den Haltepunkt von Ždár u Kamenice durchfahren.

Trotz der grausigen U-Boote beschlossen wir, M27.003 von Kamenice aus noch nach Obrataň zu begleiten. Wenigstens in der Wolkenlotterie hatten wir heute den Jackpott gezogen: Trotz über 80% bedecktem Himmel, ging das Licht an diesem Vormittag immer zuverlässig an, sobald sich der Dampfzug oder ein Nautilus näherte, so könnte das immer sein…


Bei so viel Sonnenglück darf es auch mal ein Nachschuss auf M27.003 in Strítež u Cernovice sein. Hässlicher wird der Triebwagen dadurch auch nicht mehr…


Der Vollständigkeit halber wurde auch der Endpunkt in Obrataň noch besucht.

Jetzt stand noch die rote T47.019 auf unserem Zettel. Da wir Böhmen ohnehin in Richtung Süden mit dem Ziel Mariazell verlassen wollten, konnten wir noch einmal einen Zug den kompletten Südast der Strecke hinunter begleiten. Allerdings fuhren wir nun durch teils heftige Regenschauer und der Versuch am See von Strížovice scheiterte an weißen Wolken über dunklem See und ebenso dunklem Wald. Ab Senotín fuhr der Zug aber schon wieder unter immer größeren Wolkenlücken her und so klappten noch eben dort und im Bahnhof von Albeř zwei Aufnahmen der roten CKD-Lok, bevor der Zug Nová Bystřice erreichte.
Da die Rückfahrt größtenteils im Gegenlicht abgehen würde und jetzt auch so garnicht mehr unsere Richtung war, nahmen wir den Zug auf seiner Rückfahrt noch ein letztes Mal bei Nová Bystřice quer ab, bevor wir der JHMD den Rücken kehrten. Irgendwie hatte ich diese abwechslungsreiche und idyllische Bahn, auch nach zwei Tagen noch nicht satt und hätte große Lust gehabt, einfach ein paar Tage zu Fuß oder per Rad an den Strecken zu verbringen und auch die vielen Abschnitte abseits der Straße zu erkunden. Unsere Planung ließ dies natürlich nicht zu, da wir durch die spärlichen Fahrtage in Österreich zeitlich gebunden waren, aber eine Woche entspannten Urlaub an dieser Bahn könnte ich mir gut vorstellen. Komisch, genau dasselbe habe ich auch schon 2014 nach einem nur eintägigen Besuch hier gedacht. Vielleicht wird es ja in Zukunft wirklich mal was, mit einem Urlaub hier in der Gegend…


T47.018 erreicht den Bahnhof Senotín, wo einige Radler vor dem gerade durchgezogenen Regenschauer Zuflucht gesucht haben.


In Albeř fährt der Zug schon wieder duch Sonnenschein, als er nach dem Überqueren der Brücke den Bahnhof erreicht.


Eilig setzt die über 50 Jahre alte Maschiene in Nová Bystřice um.


Wenig später ist der Zug kurz hinter Nová Bystřice schon wieder auf dem Weg nach Jindřichův Hradec und wird dabei wohl noch den ein oder anderen Schauer durchfahren…

Über kleine, teils einspurige Nebenstraßen ging es anschließend Richtung Österreich. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag die ersten Kilometer unter 30 km/h und so befürchteten wir schon Schlimmes für die Ankunftszeit, doch das Navi blieb gelassen bei seiner Prognose 17:30 St.Pölten. In einem winzigen Ort leuchteten plötzlich neue Höchstgeschwindigkeiten im Display auf und irgendwie kam uns der Ortsname “Kleintaxen” auch nicht mehr so richtig tschechisch vor… Völlig unbemerkt hatten wir die Grenze überquert und nach kurzer Zeit erreichten wir mit der B30 auch wieder eine ernst zu nehmende Straße, welche der Ankunfstszeit des Navis recht geben sollte.
Bei der Mariazellerbahn angekommen schauten wir noch ein wenig auf den Bahnhöfen herum. Dabei viel ich aus allen Wolken als wir am Alpenbahnhof von St.Pölten ankamen. Das dort ein ganz neuer Schuppen entsteht und alle alten “Rumpelgleise” samt Fahrzeugen inzwischen verschwunden sind, war mir völlig entgangen. Dafür können in dem rücksichtslos modernisierten Bahnhof demnächst Vierfachtraktionen der Himmelstreppen halten, wann immer diese auch fahren sollen…

In Ober-Grafendorf stand der auf drei Schwertransporter verteilte ET6 abfahrbereit zur Ausbesserung und wartete wahrscheinlich auf den Anbruch der Nacht. Der Triebwagen war bekanntlich früher im Jahr dramatisch verunfallt.
Nebendran stand der zum Hilfszug umgebaute 5090 VT16 und wartete darauf, das Personal für die Verladung wieder zurück zu bringen.

Damit war dann aber auch genug für den Tag. Wir suchten uns eine Unterkunft im Pielachtal, wo es noch einen großen österreichischen Salat mit gegrillten Putenstreifen gab. Der Anblick beim Betreten des Gasthofes erfüllte dabei sämtliche Klischees: Der Wirt stand rauchend hinter der Teke und spielte mit zwei davor sitzenden, ebenfalls rauchenden Herren, Skat. Alle drei hatten ein Bierchen vor sich stehen und genossen den ruhigen Abend vor dem Feiertag. Szenen wie man sich bei uns, insbesondere in Norddeutschland nur noch selten zu sehen bekommt, schon weil das Rauchen bei uns in Gaststätten dankenswerter Weise nicht mehr erlaubt ist, aber auch da die Gasthöfe und Kneipen in kleineren Dörfern sich kaum noch halten können.

Morgen geht es dann entlang der Mariazellerbahn bis Mariazell und anschließend weiter Richtung Süden zur Feistritztalbahn.

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