Cymru 2017 – Zwei Tage, Zwei Museen – Tag 2: Birkenhead Tramway

Heute möchte ich zum zweiten Teil meines Berichts über zwei britische Straßenbahnmuseen kommen. Diesmal geht es an den River Mersey, ans gegenüber Liverpool gelegene Ufer nach Birkenhead.


Dieser Bericht ist auch Teil des Reiseberichts Cymru 2017

Mit dem Bau der neuen Birkenhead Tramway wurde im Jahr 1994 begonnen und bereits 1995 wurde das erste 400 Meter lange Teilstück vom Fähranleger von Birkenhead, bis zum Pacific Road Depot eröffnet. Die Straßenbahn war als Teil einer Restrukturierung der alten Docks geplant, ähnlich wie in London oder Manchester und eine Verlängerung der Linie war vorgesehen. Schlussendlich wurde die Linie nur bis zum Wirral Transport Museum verlängert und weist damit heute eine Länge von 1,1 km auf. Zunächst wurde die Straßenbahn vom Council betrieben und eigens hierfür zwei neue Replica-Doppeldeckerbahnen aus Hongkong gekauft.
Die Restrukturierung des Viertels scheiterte jedoch über die Jahre mehr oder weniger und so verlor auch das Council das Interesse am teuren Weiterbetrieb der Straßenbahn, nachdem zwischenzeitlich sogar Pläne aufgekommen waren, die Strecke erneut zu Verlängern und mit drei bereits aus Blackpool gekauften Fahrzeugen zu betreiben.
Das städtische Pacific Road Depot wurde nach dem Scheitern geschlossen und in eine Art Kunstaustellung umgebaut, die erst kurz zuvor gekauften Blackpooler Wagen abgegeben und der Betrieb der Straßenbahn in die Hände des Wirral Transport Museums übergeben. Dieses betreibt die Strecke und das Museum nun vollständig ehrenamtlich. Einen Übersichtsplan der Strecke gibt es hier auf der Seite der Museumstram. So viel zur Historie, soweit ich selbst durch die etwas seltsamen Umstände durchgestiegen bin.

Nicht so richtig zu England passend, kommen heute nach wie vor die zwei Hongkonger Doppeldecker zum Einsatz, sowie ein auf Regelspur umgebauter Zweiachser aus Lissabon. Neben diesen etwas unpassenden Fahrzeugen werden jedoch auch einige vorbildlich restaurierte Doppeldecker eingesetzt. Der ganze Stolz des Museums sind Wallasey 78 und Birkenhead 20, die hier quasi auch historisch gesehen zuhause sind. Daneben sind noch zwei ehemalige Liverpooler Doppeldecker einsatzbereit, sowie ein weiterer Wagen aus Wallasey in Aufarbeitung.


Vor dem Museumsdepot in der Taylor Street wartet Lissabon 730 auf Fahrgäste


Die gleiche Szene vom Depot aus gesehen

Etwas enttäuscht waren wir bei Ankunft am Museumsdepot, als genau wie 2008 Lissabon 730 für den Fahrbetrieb eingeteilt war. Man fährt doch nicht nach England, um dann einen umgespurten Lissaboner Zweiachser zu sehen…
Also wurde erstmal ein Blick in die Halle geworfen und da standen die Schätze des Museums einschließlich des open balcony Doppeldecker Wallasey 78. Das wäre doch was, so ein vorbildlich restauriertes Fahrzeug quasi auf seiner Heimatstrecke – da muss doch was gehen…
Und tatsächlich ging da was bei den aufgeschlossenen und kommunikativen Vereinsmitglieder. Nicht zuletzt sind die Mitglieder in diesen britischen Museen ja selbst mindestens genauso begeistert von ihren Fahrzeugen wie die Besucher und nie um einen Anlass verlegen, diese stolz zu präsentieren. Nur die Räder müssten noch kurz fertig gemacht werden und dann könne man den Wagen vor die Tür ins Sonnenlicht fahren.
Und so stand der ganze Stolz des Museums 15 Minuten später auf dem Stichgleis neben dem Depot in der Sonne:


Wallasey 78 gibt sich die Ehre und präsentiert sich zwischen Fliederbüschen im Sonnenschein.


Lissabon 730 kommt indes von seiner Runde zum Woodside Ferry Terminal zurück.

Ob man nicht eine Runde mitfahren wolle, jetzt wo der Wagen schon mal draußen sei? Aber klar doch! Und so wurde Lissabon 730 kurzerhand von Wallasey 78 abgelöst. Sogleich schloss sich eine Besuchergruppe der Fahrt an. So ein Doppeldecker mit teiloffenem Oberdeck ist eben auch für “normale” Besucher doch eine Spur cooler als der kleine Lissaboner 😀
Fortan wechselten sich die beiden Wagen dann nach jedem Umlauf ab. Die Mitfahrt mit diesem urtümlichen Gefährt war allein schon ein Erlebnis für sich – toll, dass die Mitglieder so freundlich reagierten und den Wagen prompt in Gang setzten!


Wallasey 78 hat soeben den Endpunkt Woodside Ferry Terminal verlassen. Im Hintergrund ist Liverpool zu erkennen


Wenige Meter weiter ist Wallasey 78 um eine Ecke gebogen, sodass der Blick jetzt auf die Bushaltestellenanlage neben dem Ferry Terminal fällt.


Ein letzter Blick auf 78. Die Umgebung erinnert an Filmkulissen von Filmen die zu Zeiten der industriellen Revolution spielen…


Im Jahr 2008 wartet 730 am Woodside Ferry Terminal auf seine Abfahrtszeit. Die große Tafel zeugt von den noch größeren Plänen, die damals noch für das Areal verfolgt wurden. Ganz umgesetzt wurden sie allerdings nie…


Ebenfalls 2008 befindet sich 730 unmittelbar neben dem Pacific Road Depot, vor dem sich auch die einzige Ausweiche der Strecke befindet

Werfen wir noch mal einen Blick in das Museumsdepot. Neben den Wagen können dort auch unzählige alte Utensilien und Bilder längst vergangener Betriebe betrachtet werden. Zu jedem Wagen ist außerdem ein ausführliche Informationstafel aufgestellt.
Hinter dem ausgerückten Wallasey 78 kam Liverpool 762 zum Vorschein. Dieser Wagen konnte im Jahr 2010 in Blackpool anlässlich des 125th Anniversary of Blackpool Tramway festgehalten werden – dem letzten großen Event der “alten” Blackpooler Zeit.


Blick in das Museumsdepot mit Hong Kong 70 und Liverpool 762


Liverpool 762 anlässlich des 125th Anniversary of Blackpool Tramway im Jahr 2010 unweit des Central Pier


Und noch einmal am North Pier

Im Jahr 2008 waren neben Lissabon 730, der den Planbetrieb bestritt, auch Hong Kong 69 und vor allem ein originaler Wagen der Birkenhead Corporation Tramways mit der Nummer 20, außerhalb des Depots beim Rangieren zu beobachten.
Der kleine Zweiachser mit offenem Oberdeck soll natürlich nicht vorenthalten werden. Während des Besuches 2017 weite er Leihweise Blackpool.


Hong Kong 69 rückt ins Depot ein


Birkenhead 20 beim Rangieren. Der Fahrer wendet sich übrigens nicht von den Fotografen ab, sondern kontrolliert, ob sein Trolley dem Wagen folgt

Soviel zum Straßenbahnmuseum von Birkenhead. Trotz seiner vergleichsweise kurzen Vergangenheit mit Fahrbetrieb, hat die Strecke schon einige Höhen und Tiefen erlebt, scheint inzwischen aber einer halbwegs gesicherten Zukunft entgegenzublicken. Ein Besuch dieses Museums kann ich nur jedem empfehlen, der sich in Liverpool oder der Region aufhält. Zu einem der jährlichen Events ist auch ein vielfältiger Wageneinsatz garantiert. Ansonsten hat das Museum im Normalfall an Wochenenden, in den Sommerferien oder Bank Hollidays und auch an weiteren ausgewählten Tagen geöffnet.

Soweit meine “Werbung” für diese beiden eher unbekannteren britischen Straßenbahnmuseem. Vielleicht schaut der eine oder andere ja bei Gelegenheit mal vorbei…

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