Herbstliche Bergwelten V: Bernina-Scheiteltour und Ausklang zwischen Morteratsch und Pontresina

Es geht heute gleich weiter mit dem Bernina. Von Cavaglia aus soll die Südrampe hinauf bis zum Lago Bianco erklommen werden und dann soweit, wie das Licht es zulässt. Dann steht auch schon wieder das Ende dieser Tour an, aber zuvor genießen wir noch 1 1/2 weitere Tage am Bernina.


Mittwoch, 19. Oktober 2022

Gut erholt pellte ich mich heute Morgen aus dem gemütlichen Bett. Dank Oropax wurden auch die dünnen Wände nicht zum Problem – gestern Abend hatte irgendjemand mit aufdringliche Quietsche-Stimme und ununterbrochenem Redeschwall noch stundenlang telefoniert im Nachbarzimmer. Frühstück war ja nicht, also gleich los, pünktlich auf 8 Uhr die Türen vom Coop in Poschiavo öffnen um Frühstück und Proviant für den weiteren Tag aufzufüllen. Denn so ganz war ich mir auch beim Losfahren noch nicht sicher, wie ich es heute angehen sollte. Ich wollte mir auf jeden Fall endlich einmal die Südrampe des Berninas genauer anschauen, also den doch vergleichsweise unzugänglichen Teil von Poschiavo hinauf nach Alp Grüm. So ganz hatte ich aber noch nicht entschieden, ob ich auch den unteren Teil bis Cavaglia hinauf an diesem Tag noch irgendwie verhaften könnte oder sollte. Denn Fixpunkt sollte gleich am Morgen das Bahnhofsmotiv von Cavaglia mit dem Bernina-Massiv und Alp Grüm darüber sein, sodass der untere Teil dann nur noch schwer in den Tag zu integrieren wäre. Denn für Cavaglia bliebe im Herbst wohl nur ein ganz kurzes Zeitfenster, bevor die Sonne über die Strecke gewandert ist. Vorher dürfte nämlich der Wald auf der Ostseite der Strecke noch recht lang seinen Schatten werfen. Mit dem eingekauften Frühstück müsste ich also umgehend da hinauf heute Morgen. Ich hatte noch in Erfahrung gebracht, dass man bis Cavaglia sogar eine einspurige Piste hochfahren darf. 11 Kilometer auf einspuriger, enger Kurvenpiste mit Rad auf dem Dach – na dann mal nichts wie los. Aber in einer knappen halben Stunde war die Strecke gemeistert – radeln hätte definitiv länger gedauert 😀 Es kam auch nur an einer Stelle mal ein LKW aus dem Forst entgegen, dem ich durch kurzes Rückwärts-Rangieren Platz machte. Alles kein Problem und im Gegensatz zu der Piste am Monte Generoso vergangenes Jahr, war das Teil hier auch in einem top Zustand.

Man mag sich nun fragen, warum ich nicht ab Poschiavo einfach den Zug genommen hatte. Dasselbe fragte ich mich spätestens dann auch, als mitten im Nichts am Bahnhof Cavaglia die Parkuhr satte 10 Franken für die Tagesmiete haben wollte. Ja, hier dreht man eben nicht spontan um und sucht sich einen anderen Parkplatz – klassische Schweizer Wegelagerei 😉 Dieser Tarif liegt jedenfalls weit oberhalb dessen, was man an den meisten anderen RhB-Bahnhöfen so an Gebühr zahlt. Aber wie gesagt, man dreht dann auch nicht mehr um und das tat ich natürlich auch nicht, ich hatte schließlich zu arbeiten. Achso: Warum war ich denn nun nicht mit dem Zug hier hochgefahren? Weiß ich im Nachhinein auch nicht mehr so genau, es hätte mehr als Sinn gemacht, hätte ich schließlich auf dem Rückweg dann auch gleich die ganze Abfahrt hinab nach Poschiavo mitnehmen können. Aber so ist das mit der recht spontanen (Nicht)Planung – man hat einfach hier und da auch mal einen Patzer drin. Eine sinnvolle Erklärung habe ich aber: Ich dachte wohl die Züge kreuzen in Cavaglia. Wäre ich dann um 08:28 ab Poschiavo gefahren, hätte ich den Gegenzug natürlich nicht mehr in Cavaglia aufnehmen können, was ursprünglich das Ziel für kurz vor neun gewesen war. Dass die zu dieser Stunde da gar nicht kreuzen, ist natürlich eine ganz andere Sache. Außerdem fand das Ganze in Cavaglia auch noch im Schatten statt, sodass ich so oder so noch eine Stunde warten musste. Naja, der Parkuhr wegen war es jetzt nicht schlimm, mich ärgerte eher, mich selbst um die Abfahrt bis hinunter nach Poschiavo gebracht zu haben und stattdessen diese Strecke mit dem Auto gurken zu müssen. Aber was heißt hier schon ärgern. Eigentlich konnte mich hier gar nichts ärgern. Es war doch einfach nur herrlich hier am Morgen: Die Temperatur in den langen Schatten noch nahe dem Gefrierpunkt, die Sonne wanderte langsam an Hängen und Wiesen herab durch das Tal bei Cavaglia und alles leuchtete im märchenhaften Gelb der herbstlichen Lärchen vor stahlblauem Himmel.


Angekommen in Cavaglia. Alle Gedanken über eventuell verdaddelte Planung an diesem Morgen konnten da nicht die Überhand gewinnen – es war einfach nur herrlich hier.


Das gelbe Leuchten der Lärchen kommt besonders bei flach stehendem Gegenlicht noch eine Spur beeindruckende zur Geltung.

Als absehbar war, dass ich hier für die Sonne eh noch auf die 10-Uhr-Regio-Kreuzung würde warten müssen, war jedenfalls keine Eile mehr angesagt. Erstmal gemütlich frühstücken und das Rad aufrüsten und schon mal langsam schauen, wie man denn die Kreuzung würde umsetzen können. Hauptsache, der Bergfahrer fährt nicht zuerst auf dem äußersten Gleis ein und stellt alles zu. Tat er zum Glück nicht. Der Talfahrer kam sogar fast fünf Minuten früher in Cavaglia an, sodass ich sogar die Bahnhofsansicht und anschließend die Ausfahrt aus leicht geänderter, steiler Perspektive umsetzen konnte.


Die Alp Grüm ist von Cavaglia aus bestens zu sehen, genauso wie die enge Panoramakehre, durch die sich die Züge nach Verlassen des Bahnhofes hinabstürzen. Der Allegra 3504 hat mit seinem Regio Alp Grüm verlassen und wird in gut zehn Minuten hier unten bei mir in Cavaglia eintreffen.


Unzählige Kurven später ist Cavaglia erreicht und der Zug darf in dieser prächtigen Landschaft noch fast fünf Minuten auf den Gegenzug warten.


Für mich die Möglichkeit, an die Bahnhofsausfahrt zu wechseln und das Ganze noch einmal etwas steiler mit der Alp Grüm darüber umzusetzen.

Tatsächlich ist damit dieser eine Regio um zehn der einzige Zug, der hier Mitte Oktober schon Sonne hat, bei dem das Licht aber noch nicht drüben steht, auch wenn es selbst jetzt schon recht knapp war mit dem Seitenlicht.

Jetzt aber hoch Richtung Alp Grüm. Zwischen Poschiavo und Cavaglia gewinnt die Strecke bereits fast 700 Meter an Höhe, sodass es von hieraus auf knapp 1700 Metern im Grunde gar nicht mehr so wild ist mit der Höhendifferenz bis zum Scheitelpunkt auf 2253 Metern. Aber mächtig steil wird es hinter Cavaglia noch einmal hinauf nach Alp Grüm. In mehreren Kehren und engsten Radien quält sich die Strecke über die Betriebsausweiche Stablini hinauf auf die Panorama-Alp. Und auch mein Pfad dort hoch gleicht nicht gerade einem ausgebauten Radweg. Es ist steil, wurzelig und steinig. Etwa die Hälfte ist bergauf schlichtweg nicht fahrbar auf Dauer und muss geschoben werden. Aber so arg weit ist es ja nicht und ab Alp Grüm lässt es sich wieder durchgehend fahren.

Die Idee mit der Südrampe hier schwirrt schon einige Jahre im Kopf herum und so hatte ich irgendwann mal eine Streckenerkundung via Google unternommen und mir einige wenige Stellen an der weitgehend unzugänglichen Strecke in der Karte markiert. Ansonsten ist meine Streckenkenntnis hier – völlig RhB-untypisch – quasi bei null. Nur eine Mitfahrt von Poschiavo nach Ospizio aus dem April 2011 gibt es bisher zu verzeichnen – Fotos oberhalb der Wiesen von Poschiavo bis Alp Grüm genau null. Da so ein Herbsttag dann auch nicht übermäßig lang ist, galt es erstmal die sicheren Dinge abzuarbeiten und das sind in erster Linie eine Kehre und Lichtung eine Ebene unterhalb der Ausweiche Stablini und die Ausweiche selbst. Auch brennend interessiert hätte mich, ob in der ersten Kehre samt Viadukt oberhalb Cavaglia irgendwas zu machen wäre. Dort führt sogar ein Weg hin, der aber anschließend nicht nach Alp Grüm führt. Aber da mir auch die ganze Strecke Cavaglia-Cadera nach diesem Tag noch fehlen würde, müsste ich eh irgendwann mal wiederkommen…

Es ging also auf direktem Weg Richtung Alp Grüm mit dem ersten Halt an der Kehre eine Ebene unterhalb der Betriebsausweiche. Für das ABe 4/4 III-Doppel mit Bernina-Express reichte es nur um Haaresbreite und Zeit um die richtige Perspektive auszukundschaften blieb nicht mehr. Einfach nur Rad hingeschmissen und draufgehalten. Aber es ließ sich doch bisschen was mit anfangen im Nachhinein. Für das eigentliche Hauptmotiv hier, eine kleine Lichtung mitten im gelben Lärchenwald, wartete ich dann aber doch noch auf den folgenden Regio, welcher in etwa 40 Minuten dran wäre. Zwischendurch kam auch noch der Regio von unten, der sich mit Streiflicht und den im Gegenlicht leuchtenden Lärchen gar nicht schlecht anging. Einfach genial diese Herbstfarben.


Keine Sekunde später hätte ich die Stelle erreichen dürfen und konnte gerade noch die Kamera herausreißen und draufhalten. Erst dachte ich, dass wäre jetzt der absolute Notschuss, aber im Nachhinein gefällt mir die Aufnahme von ABe 4/4 III 51 und 56 gar nicht schlecht. Der Bernina-Express befindet sich hier eine Ebene unterhalb der Betriebsausweiche Stablini und ist unterwegs Richtung Tirano.


Beim Warten auf den nächsten Regio war zunächst noch der in Cavaglia den Bernina-Express von eben kreuzende Regio an der Reihe. Man hörte den Allegra 3508 quasi schon, als er hinter Cavaglia durch die erste Kurve quietschte. Fünf Minuten später war er dann auch hier unterhalb Stablini angekommen. Eine Stelle, wo man bei Sonne sonst schon überlegen würde, überhaupt abzudrücken. Aber mit den im Herbstlicht gelb leuchtenden Lärchen geht einfach immer was. Im Hintergrund ist schon die nächste Kehre zu erkennen, durch die sich der Zug eben in beachtlicher Steigung hinaufgequält hat.


Mit dem in Stablini kreuzenden Regio konnte ich dann auch mein eigentlich hier avisiertes Hauptmotiv umsetzen. Allegra 3503 passiert die kleine herbstliche Lichtung. Einen kompletten Zug bekommt man an diesem Streckenabschnitt wohl kaum irgendwo auf’s Bild.

Die heute etwas versemmelten ABe 4/4 III-Doppeln zogen sich irgendwie ein wenig durch den ganzen Tag. Eben war es knapp noch halbwegs gut gegangen. In Stablini war es nach den nächsten steilen Höhenmetern durch den Wald aber wieder ein ähnliches Spiel: Ich war etwa ein/zwei Minuten zu spät dort, um noch etwas nach dem richtigen Motiv zu suchen – so ist es eben manchmal, wenn man auch die Strecke noch nicht richtig kennt. So gingen 53 und 54 dann diesmal doch arg kompromissbehaftet, irgendwie halb in die Ausweiche eingefahren, mit Mast unmittelbar vor der Kamera durch – wirklich nicht zeigenswert. Die passende Stelle entdeckte ich dann, nachdem ich den Bahnübergang am Bahnhof nach Durchfahrt des Zuges überqueren konnte und etwas die Umgebung erkundete. Würde sich auf jeden Fall lohnen, hier noch einen abzuwarten. Zumal sich auch für die Gegenrichtung quasi ein Premiummotiv fand, wenn auch die Sonne in der engen Kehre vor dem knapp 300 Meter langen Stablini-Tunnel wohl nie ganz passend stehen dürfte. Der mit Berninabahn aber einmalige Blick auf den Palügletscher rechtfertigten die Arbeit mit Lightroom für dieses Motiv aber allemal. Mir ist jedenfalls keine zweite Stelle bekannt, an der man die Überreste des Palügletschers samt dem 3900 Meter hohen Piz Palü halbwegs ansehnlich mit Allegra ins Bild manövrieren kann. Die Pause kam auch ganz gelegen, um die erste Kaffeepause und Brotzeit nach dem Frühstück einzulegen und ja(!) – eine Schicht Sonnencreme aufzutragen – im Oktober!


Direkt oberhalb der Betriebsausweiche geht es in eine weitere Kehre, in der der Blick vor einer kurzen Galerie und dem Tablini-Tunnel für einen Augenblick ungehindert auf Palügletscher und Piz Palü im Bernina-Massiv fällt, eingerahmt von herbstlichen Lärchen. Schwer zu sagen, ob dieses Motiv im Sommer am Morgen perfekt ausgeleuchtet wird, oder ob die Bäume zu meiner Linken das zu verhindern wüssten.


So hätte es eigentlich eben auch schon mit dem ABe 4/4 III-Doppel klappen dürfen. Hatte ich mich wieder zu langsam den Berg hochgeschleppt 😀 Dann eben eine Dreiviertelstunde später mit dem nächsten Regio. Der ABB-Allegra 3512 hätte es jetzt nicht unbedingt sein müssen, aber vielleicht freut man sich irgendwann mal, auch bei diesem abgedrückt zu haben. Mein Transportmittel hat sich derweil auch ins Bild gemogelt und wartet am Wegweiser auf seinen Fahrer.

Die ABe 4/4III hatte ich nun erstmal etwas versemmelt, so richtig fokussiert hatte ich mich nach den erfolgreichen Aufnahmen gestern dann aber auch nicht mehr auf diese Leistungen. Der nächste Regio mit ABe 4/4 III – und das sind ja nun im Nachhinein die interessantesten Leistungen gewesen – würde erst kurz vor Mittag Alp Grüm Richtung Tirano erreichen. Blieb jetzt also genug Zeit für eine größere Verschiebung in der Landschaft.
Der Weg kreuzt hier bei Stablini die Bahn und führt dann hinter der engen Kehre der Strecke noch einmal unmittelbar über dem Galeriebeginn über die Strecke. Anschließend treffen sich Weg und Bahnstrecke erst knapp unterhalb Alp Grüm, am Ende der Palü Sopra Galerie wieder, der letzten Galerie hinauf nach Alp Grüm. Mein Weg erreichte auf diesem Abschnitt derweil seine brutalsten Abschnitte was Steigung und Grobschlächtigkeit betrifft. Selbst mit Fully im niedrigsten Gang und nicht wenig Power in den Beinen u.a. vom Training in den letzten Tagen, ließen sich nur wenige Abschnitte bergauf fahrend bezwingen. Selbst bergab zogen es einige Unerfahrene vor, vom Rad abzusteigen. Gut – wenn man sich nur mal im Urlaub irgendwo ein (E)-MTB leiht, ist das auch definitiv die sichere Entscheidung für sich selbst und andere Wegnutzer. Besser zweimal freiwillig absteigen und schieben (auch bergab ist das keine Schande), als einmal ungewollt über den Lenker… Ich war jedenfalls schonmal gespannt, ob ich den Downhill nachher komplett fahrend würde bestreiten können. Ein wenig den Ehrgeiz dazu hatte ich jetzt irgendwie schon, wenn ich mich schon hier hochkämpfe – so schnell vergisst sich der Satz mit dem über den Lenker absteigen von eben auch wieder 😀

Immer wieder von Gegenverkehr aufgehalten, erreichte ich dann auch irgendwann den Bahnübergang knapp unterhalb Alp Grüm. Mehrmals ergaben sich dabei durch die gelben Lärchen fantastische Blicke auf Palü-Gletscher, Piz Palü selbst und den Gletschersee Lago Palü darunter.


Für solche Ansichten lohnt sich am Ende jede Mühe des Aufstieges: Die Überreste des Palügletscher mit dem Lago Palü darunter. Wo die Lärchen im Sommer das Bild verstellen, sind sie im Herbst mehr als willkommenes Beiwerk in der Aufnahme. Von der Alp Grüm führt auch ein beliebter Wanderweg hinab zum Gletschersee, der hier oberhalb des Sees, kurz unterhalb des Bahnüberganges auf meinen Weg aus Cavaglia trifft.

Das Motiv der Galerieausfahrt Richtung Alp Grüm wäre hier am Bahnübergang jetzt auch optimal im Licht gewesen und durchaus nicht verkehrt gewesen. Allerdings war der nächste Zug von unten noch sehr weit weg, ganz im Gegensatz zum ABe 4/4III-Regio in Gegenrichtung. Für den wollte ich mich dann lieber irgendwo schön in die Lärchen verschieben zwischen Alp Grüm und Lago Bianco. Eigentlich müsste da was gehen. Also über den Bahnhof und oberhalb weiterhin parallel zur Bahn, endlich mal wieder durchgehend fahrend. Wo ich gestern schon im Wolkenschaden zwischen Alp Grüm und Lago Bianco am Gegenhang gesessen hatte, ging es jetzt kurz vor Mittag natürlich nur von der anderen Streckenseite. In einer kurzen Außenkurve unweit des Bahnübergangs vom Wanderweg, ließ sich doch ganz schön was mit einigen Lärchen arrangieren.


Man merkt, dass mir während des Besuches gar nicht bewusst war, dass die ABe 4/4III vor den Regios unmittelbar vor der Ablösung stehen. Sonst hätte ich natürlich eine Stelle suchen müssen, wo man auch den Zug sieht… Aber es ist ja zumindest erkennbar, was hinter ABe 4/4 III 52 und 55 Richtung Tirano hängt. So ging es mir eher generell um die ABe 4/4III und gar nicht mal besonders um die Regios. Und vor allem natürlich darum, die herbstlichen Lärchen ins Bild zu integrieren.

Heute sollte dann die andere Seite des Lago Bianco dran sein, mit den “Zug etwas näher”-Motiven. Nach zwei letzten Steilanstiegen, die dank ihrer Kürze aber im Wiegeschritt bezwungen werden konnten – anders geht es auch kaum, ohne dass das Vorderrad bei dieser abartigen Steigung hoch geht – war auch schon die Staumauer erreicht. Es war einfach wieder nur herrlich hier oben am See und wirklich viel los war auf den Wegen auch nicht, gefühlt noch einmal weniger als gestern, obwohl das Wetter sogar besser war – keine lästigen Quellwolken. So arbeitete ich mich weiter am See entlang, mehr in dieser tollen Landschaft wartend, als vorankommend. Ein Allegra mit fast perfekter Spiegelung im Lago Bianco und ein ABe 4/4III-Bernina-Express an der Brücke unmittelbar hinter Ospizio waren das Ergebnis.


Schon ist wieder der Lago Bianco erreicht. War doch gar nicht sooo schlimm die Rampe. Müsste man wirklich irgendwann mal von Poschiavo aus in Angriff nehmen. Die Scheitelhöhe der heutigen Tour ist mit der Staumauer des Lago Bianco fast erreicht.


Die Ansicht des Lago Bianco ist einfach zu jeder Jahreszeit völlig anders und jedes Mal auf ihre Weise wunderschön. Heute präsentiert sich alles herbstlich braun und auf dem ruhigen See lassen sich teils perfekte Spiegelungen mit stahlblauem Himmel und Wasser umsetzen.


Beim Warten auf den nächsten Regio gibt es neben, einem kleinen Imbiss aus dem Rucksack, auch den Blick zurück Richtung Staumauer.


Während der leichte Wind auf dem offenen See kleine Wellen schlägt, liegen die vielen kleinen Buchten fast ruhig da in der herbstlichen Landschaft und sorgen für eine fast perfekte Spiegelung des Allegra 3508 mit Regio Richtung Tirano.


Auch wenn das letzte Motiv natürlich absolut genial war, wollte ich hier nicht zwei Züge genau identisch umsetzen. Zumal, hätte der Wind doch irgendwie Wellen in die kleine Bucht getrieben, wäre die Aufnahme mit dem ABe 4/4 III dann nur zweiter Sieger gewesen. Also ging es noch etwas näher an Ospizio heran, mit dem Klassiker auf der Brücke unmittelbar hinter der Bahnhofsausfahrt. Die ABe 4/4 III 53 und 54 bringen den nächsten BEX aus St. Moritz nach Tirano. Man merkt, dass ich hier oben eigentlich erst einmal, im Juni 2019 mit den letzten Schneeresten, solch perfektes Wetter hatte. Da fehlen selbst “Standart-Motive” wie dieses noch mit den “alten” Triebwagen – irgendwie hört sich “alt” aber immer noch falsch an bei dieser Baureihe, mit Baujahren 1988 und 1990…

Eigentlich wollte ich ja auf der anderen Seite noch so weit herunter, dass ich wieder auf Höhe der gelben Lärchen käme. Oberhalb Diavolezza waren die wenigen Exemplare, die hier überhaupt stehen, dann auch schon nicht mehr so prächtig auf der Höhe. Also schön die flowige Piste vom Lago Bianco weiter hinunter. Wobei es zuvor auf der Ostseite des Lago Bianco erstmal noch ordentlich zu tun gibt, denn der Weg ist hier schmal, teils steinig und geht, obwohl dem Lago Bianco folgend, ständig auf und ab. Da ist die Westroute doch deutlich einfacher und technisch fast anspruchslos. Im Sommer kann man die Ostseite übrigens ab Ospizio praktisch nicht fahren, dafür sind hier auf dem schmalen Weg einfach zu viele Wandernde unterwegs. Aber zur Nebensaison – also eigentlich immer außerhalb der Monate Juli bis September – kann man sich problemlos arrangieren mit etwas Rücksichtnahme. Hinter dem Lago Bianco konnten unterwegs jeweils knapp noch zwei Allegras mit Regio abgefangen werden, die gerade durchkamen. Obwohl ich heute dann wenigstens etwas früher dran war, drohten die Schatten unterhalb Bernina Suot schon wieder nachhaltig. Es war sozusagen fast Ende mit Licht. Also doch wieder hier weiter oben was versuchen. In Bernina Suot hatte ich noch nie ernsthaft was probiert, also warum nicht einfach gleich hierbleiben, ein wenig Pause machen und die Vorräte weiter dezimieren? Selbst hier wurden die Schatten dann aber für die Kreuzung um 1520 schon sehr bedrohlich. Mit etwas Verschieben ging es sich gerade eben noch aus.


Auf der anderen Seite des Lago Bianco geht es wieder hinab. Hier mal wieder der kleine Lej Pitschen mit einem Regio Richtung St. Moritz.


Ein weiterer Klassiker mit dem ABB-Allegra 2512 zwischen Lagalb und der oberen Berninabachbrücke.


Ab Bernina Suot drohten dann gegen halb vier doch schon wieder die Schatten. Um auch diesen von mir noch nie fotografierten Bahnhof einmal aufzunehmen, gab es für Allegra 3504 zumindest noch einen letzten Rest Sonne.


Der Hauptschuss an dieser Kreuzung ging freilich in Gegenrichtung mit ABe 4/4 III 56 und 51 vor einem BEX nach St. Moritz. Auch hier war es auf den letzten Drücker mit den Schatten. Das mächtige “Nebengebäude” des Berninahauses, mit den riesigen Holztoren zu den ehemaligen Heuböden(?), ging so leider nicht mehr ganz mit ins Bild, ohne im Vordergrund arg dunkle Schatten zu haben. Umso eindrücklicher schiebt sich dafür der 2975 Meter hohe Piz Alv ins Bild.

Inzwischen war auch schon wieder die Zeit der großen Nachmittagsspitze zwischen 15 und 17 Uhr. Zum Abschluss wollte ich daher noch die beiden ABe 4/4III-Doppel ablichten, von denen nun jeweils eins pro Richtung noch dran wäre und die gestern schon im perfekten Abendlicht geklappt hatten. Den Regio Richtung St. Moritz könnte man am Lej Pitschen von “etwas näher” machen. Für den ABe 4/4III-Bernina Express hatte ich dann den verwegenen Plan, bis kurz vor Alp Grüm zu kommen. Neben der kleinen Brücke knapp oberhalb Lagalb, wo ich ihn gestern einkassiert hatte, könnte das die vielleicht einzige weitere, erreichbare Stelle sein, an der überhaupt noch mit Sonne zu rechnen wäre. Vor dieser ganzen ABe 4/4III-Geschichte gäbe es dann aber auch noch je einen Allegra unterwegs irgendwie mitzunehmen. Fällt hier ja nicht wirklich schwer – um diese Uhrzeit kann man in beide Richtungen von fast überall schießen, ohne viel falsch zu machen 😀


Den Allegra 3509 hatte ich mit Fokus auf die beiden ABe 4/4III-Doppel mal so gar nicht auf dem Schirm gehabt, als in Diavolezza plötzlich die Schranken runter gingen. Aber selbst spontan lässt sich fast von überall schießen, als wäre es von langer Hand geplant gewesen. Der Regio musste ohnehin noch kurz halten, sodass genügend Zeit blieb, schnell das Rad hinzuschmeiße und etwas von der Schotterpiste abzurücken.


Vorbei an Diavolezza und Lagalb stehe ich schon wieder oberhalb der oberen Berninabachbrücke und erwarte nach kurzem Zwischensprint den nächsten BEX Richtung Tirano kurz vor der Galerie zum Lej Pitschen.


Dann stehe ich auch schon gemütlich wenige Meter weiter am Lej Pitschen und warte auf den nachmittäglichen ABe 4/4III-Regio nach St. Moritz. Das Warten in dieser Landschaft ist wie immer kurzweilig.


Der Blick wendet sich zur Strecke und ABe 4/4III 55 und 52 rollen mit einem Regio, dem ein leerer Rungenwagen beigestellt ist, am Ufer des Lej Pitschen entlang.

Die Zeit war jetzt nicht übermäßig üppig bis zu meiner Stelle hinter dem Lago Bianco kurz vor Alp Grüm für den ABe 4/4III-BEX. Daher ging es auf kürzestem Wege auf der Westseite des Sees durch die kühlen Schatten der Bernina-Gruppe. Das war jetzt wirklich flotte Fahrt, in die ich alles hineinwarf, schließlich würde es anschließend ohnehin nur noch bergab gehen. Hinter der Sassal Mason Galerie kurz auf die Schienen gehorcht und auf den Wanderweg auf der anderen Seite. Mit flüchtigem Kontrollblick auf den Fahrplan ergab sich noch genügend Zeit, meine Aussichtsposition von gestern aufzusuchen, wo es sich mit den Wolken nicht ausgegangen war. Denn tatsächlich schien hier noch genau passend die Sonne rein um halb fünf. Der Weg führt durch die Senke erstmal ein kleines Stück unterhalb der Bahn, bevor es auf den Gegenhang hinauf geht, sodass man einige Zeit in der “toten Zone” ist, wo keine Bilder möglich sind. Doch was ist das? Ohne große Vorwarnung – wie auch durch Galerie und Tunnel? – rauscht plötzlich das ABe 4/4III-Doppel mit dem Bernina-Express über mich hinweg. Gibt es ja gar nicht, ich hatte doch noch Zeit?! Oder doch nicht? Natürlich hatte ich mich auf die Schnelle verguckt und die Abfahrtszeit von Alp Grüm gesehen. Dumm nur, das der BEX da zwölf Minuten herumsteht und Ankunft entsprechend schon um 1628 ist…
Ärgerlich besonders deshalb, weil ich dann direkt an der Galerieausfahrt den Hang ein Stück hätte reinstehen können und auf das Doppel schießen. Hatte ich zwar exakt so schon im Juni 2019 auch mit ABe 4/4III und BEX umgesetzt, aber bei noch nicht so krassem Theaterlicht und natürlich ganz anderer Jahreszeit. Na gut, dann war’s das jetzt eben. Spricht irgendwie für den Tag, wenn einen sowas dann nicht einmal fünf Minuten beschäftigt im Kopf, sondern man es fast ohne Ärger einfach abhaken kann. Es gab einfach keinen Anlass, angesichts der vergangenen Tage irgendwie in schlechte Laune zu verfallen.
Zurück am Rad und auf der anderen Seite der Bahn konnte ich jetzt mal den Panoramaweg “außen herum” zur Alp Grüm wählen. Dort war ich noch nie gewesen, hält man sich doch meist nächstmöglich an der Bahnstrecke für potenzielle Motive. Der fast ebene Panoramaweg führt hinüber zur Pension oberhalb des Bahnhofes. Erst von dort aus geht es dann einige Meter steil bergab zur Station.


Blick vom Panoramaweg zur Alp Grüm in die Bergwelt und hinab ins Val Poschiavo. Hier kommt besonders der gelbe “Lärchenstreifen” zur Geltung, die immer nur auf einem recht schmalen Höhenband gleichzeitig ihr magisches Leuchten entfalten, bevor sie die Nadeln fallen lassen und der gelbe Sreifen langsam weiter gen Tal wandert.

In Alp Grüm hatte ich den eben versemmelten BEX dann wieder ein. Zu machen war aber natürlich nichts mehr und das Bahnhofsbuffet hatte auch gerade geschlossen, also war es auch nichts mit einem entspannten Kaffee vor der Abfahrt. Dann also gleich runter. Ob es zu schaffen wäre ohne gewollt oder ungewollt abzusteigen? War es! Aber höchste Konzentration war fast durchgängig angesagt. Flowige Passagen gibt es auf diesem Trail praktisch gar nicht: Es geht durchgängig über Gestein und Wurzeln, teilweise gefühlt in Stufen bergab. Die Bremsen bekommen bei dieser niedrigen Geschwindigkeit natürlich kaum Kühlung, sodass ein besonders feines Gespür für die anliegende Bremsleistung gefragt ist. Aber mit dem Fully war es dann doch besser zu meistern als gedacht. Respekt an jeden, der diese Passage mit einem Hardtail runterkommt. Erst kurz vor Cavaglia kann man es dann ausrollen lassen. Gleiches tat auch der Bernina-Express, mit dem ich oben fast zeitgleich gestartet war. Kaum am Auto angekommen, rollte auch dieser auf der kleinen Zwischenebene durch den Bahnhof Cavaglia.

Mit dem Auto ging es wieder das kleine Sträßchen die zehn Kilometer nach Poschiavo hinunter und direkt in den Coop am Bahnhof. Heute gab es dann auch keinen Stau hinunter nach Tirano, sodass ich sogar etwas früher als gestern die Unterkunft erreichte. Dummerweise stand nun die Tür, die eigentlich nicht geschlossen werden sollte, nicht mehr offen und einen Code für diese Tür gab es ja nicht. Also mal die Nummer der Unterkunft angerufen und schon kam der Mann von gestern Abend heraus. Scheinbar bedurfte es einfach nur roher Gewalt, um die Tür aufzuschieben. Gut, dass hätte ich dann auch gekonnt, aber man will die Tür ja auch nicht gleich zerstören 😀

Während des Abendessens war dann doch ordentlich Gegrübel angesagt. Die Wetterkarten wurden gewälzt, Pläne geschmiedet und wieder verworfen. Morgen wäre wohl noch bis Mittag ganz ordentlich, südlicher vielleicht sogar etwas länger, vielleicht aber auch nicht. Freitag soll’s dann überall miserabel sein. Hier südlich der Alpen vielleicht wenigstens wieder trocken ab Mittag und gegen Abend eventuell sonnig – wenn die Sonne dann im Oktober eh fast weg ist. Auch für das Wochenende sah es jetzt nicht überragend aus, jedenfalls nicht verglichen mit den letzten Tagen. Was gehen könnte: Hier südlich der Alpen bleiben, morgen hier die Berninabahn und Freitag, Samstag bisschen was an Trient-Mezzana versuchen. Einen weiteren Besuch dort hatte ich nach 2019 schon direkt wieder auf den Plan geschrieben. Aber so richtig war die Motivation dann doch nicht da bei den Wetteraussichten. Man soll ja auch aufhören, wenn es am Schönsten ist. Und schöner als die vergangenen vier Tage geht es eigentlich nicht. Also doch ein, zwei Tage früher als geplant Aufbruch morgen. An der Nordrampe könnte man dann noch bisschen was versuchen am Vormittag und den Tag dann einfach entspannt ausklingen lassen. Regen war zumindest für morgen noch nicht angesagt, nur sich stetig verdichtender Siff gegen Nachmittag. Einer letzten Radtour Richtung Engadin würde also nichts im Wege stehen.


Donnerstag, 20. Oktober 2022

Aufstehen wie immer zur Ladenöffnungszeit, also auf 8 Uhr in Poschiavo. Ich räumte mein Zimmer und gondelte zum wiederholten Mal das Tal Richtung Berninapass hinauf. In Poschiavo gab’s paar Schokobrötchen direkt aus dem Ofen und den ersten Kaffee des Tages. Beides konnte bei noch schönem Sonnenschein während der Fahrt über den Bernina gemütlich verspiesen werden. Der angedrohte Siff zeichnete sich aber schon jetzt über der Beninagruppe ab.


Kurzer Fotohalt noch südlich unterhalb der Passhöhe mit Blick auf die Berninagruppe.

Weiter entlang des Lago Bianco und hinab bis zur Montebello-Kurve. Da war ja schon Sonne! Nicht schlecht, könnte man ja mal ein Bild versuchen, bevor die Sonne eh in den Wolken verschwindet. Klar, im Herbst ist das hier nie optimal im Licht, aber durch den Siff streute die Helligkeit deutlich besser, als sonst bei den harten Schatten in dieser Jahreszeit. Erstmal musste aber noch ein Allegra mit Gleisstopfmaschine durch, den ich eben auf dem Pass überholt hatte. Nachdem der Dienstzug durch war, stellte die Schranke an der Montebello-Kurve erstmal den Betrieb ein. Da hatte wohl durch den Bauhobel der Achszähler nicht wieder sauber auf null heruntergezählt hinter dem Bahnübergang. Nach zehn Minuten war das dann scheinbar doch jemandem in der Leitstelle aufgefallen, der sich erbarmte den Gleiszählerabschnitt wieder auf null zu setzen und der inzwischen angewachsenen Karawane beiderseits des BÜ die Weiterfahrt zu ermöglichen. Ich hatte derweil genug Zeit gehabt weiter zu frühstücken und erwartete jetzt einen Regio Richtung Tirano, während sich die Sonne immer wieder durch den Siff kämpfte. Zu meiner großen Überraschung wurde der Regio heute vom ABe 4/4III-Doppel 52+55 gezogen. Das war ja mal nett, dass sich da in den Lokdiensten was verschoben hatte, denn zumindest der führende Triebwagen passte auch gut in den kurzen Sonnenspot an der Montebello-Kurve.


Mit einem morgendlichen Regio sind ABe 4/4III 52 und 55 oberhalb Morteratsch Richtung Tirano unterwegs und durchfahren die berühmte Montebello-Kurve mit Blick auf den Morteratschgletscher.

Ich manövrierte anschließend das Auto auf die andere Straßenseite an den Waldrand der dortigen Parkbucht, wo es für ein paar Stunden niemanden stören sollte. Dann sattelte ich für eine letzte Tour auf das MTB um. Die steile Passage bis Morteratsch hinab und noch schnell hinter den Bahnhof, denn schon bald wäre dann der morgendliche BEX mit ABe 4/4III an der Reihe. So ohne richtigen Sonnenschein, war es auf dieser Höhe dann doch ordentlich kalt im Fahrtwind. Nachdem der Bernina-Express durch war, wechselte ich daher erstmals(!) in diesem Urlaub auf die lange Hose und dünne Jacke. Hätte vor diesem Urlaub eigentlich gedacht, ich würde die kurzen Sachen gar nicht brauchen…


Aus St. Moritz kommt der erste Bernina-Express des Tages Richtung Tirano und erreicht gleich die Doppelspur vor Morteratsch. Wie schon die vergangenen beiden Tage, wird der BEX von zwei ABe 4/4III geführt, heute die Triebwagen 54 und 53. Leider knapp ohne ordentlich Sonne, aber die Kontraste waren dank der herbstlichen Lärchen da.

Der Herbst bietet an diesem Abschnitt bis Surovas den großen Vorteil, dass man auch auf der richtigen Seite der Strecke, also der Talseite, praktisch überall hinkommt. Im Sommer ist hier das meiste abgezäunte Wiese, im Winter braucht man zumindest Schneeschuhe. Mit dem Rad ging es daher für die nächsten beiden Züge etwas hin und her. Richtung Pontresina rollt es dabei in mäßiger Steigung ganz gemütlich die breite E-Bike-Autobahn hinab. Netterweise setzte sich auch die Sonne für die nächsten Stunden noch einmal ein wenig gegen den Siff durch.


Der “Klassiker” von der Langslaufloipe unweit des Bahnüberweges zwischen Surovas und Morteratsch. Bei leicht glimmender Sonne zieht Allegra 3509 einen Regio nach Tirano.


Noch einmal ein Stück zurück Richtung Morteratsch wurde der BEX mit Allegra 3506 Richtung Tirano mitgenommen.

Für den nächsten Regio fand ich eine wirklich nette kurze Lichtung, mit Blick auf das “Märchenschloss” von Pontresina, die ich so noch gar nicht kannte. Selbst im Herbst reicht es hier für die Sonne. Bei einem zweiten Frühstück wartete es sich hier wirklich gemütlich auf den Regio. Dass es dann ausgerechnet wieder der weiße ABB-Allegra sein musste – naja…


Kurz hinter Surovas bietet sich eine kleine Lichtung für einen Blick auf Pontresina an. Es “beehrt” mich mal wieder der Weiße: Allegra 3512 mit einem Regio Richtung Tirano.

Jetzt wurde es am Himmel doch langsam kritisch. Das Wetter war wirklich genau wie angekündigt: Fast unmerklich, ohne irgendeine klare Wolkenkante, wurde der hochschwebende Siff Richtung Nachmittag immer dichter, bis irgendwann überhaupt keine Sonne mehr durchkommen würde. Ganz so weit war es aber noch nicht und zwei Punkte hatte ich noch auf dem Zettel für heute, für die erste dürfte es auch gern noch mal etwas Licht haben: Der heute mittägliche ABe 4/4III-Regio Richtung Tirano. Der zweite Punkt war dann nur eine Alibi-Aufnahme eines Capricorn, um ihn wenigstens schonmal in der Sammlung zu haben. Ich hatte eben in den Lokdiensten mal geschaut, ob die denn überhaupt irgendwo schon ihren Auftritt haben im Engadin und dabei festgestellt, dass der Engadin-Star Lanquart – St. Moritz derzeit von Capricorn-Doppeln bedient wird. Könnte ich mir dann zwischen Samedan und Celerina mal anschauen.

Erstmal war aber der ABe 4/4III-Regio dran. Mein verwegener Plan: Den Zug gleich zweimal erlegen. Einmal an der bekannten Fotostelle an der Doppeleinfahrt Pontresina, einmal an meiner neuen Stelle von eben. Der Zug macht in Pontresina acht Minuten Pause, wodurch sich das knapp ausgehen könnte. Wäre natürlich ein ziemlicher Sprint bis oberhalb Surava, aber vielleicht würde es sich gerade eben ausgehen.

Zunächst kam an der Wiese vor Pontresina aber der Engadin-Regio aus Scuol-Tarasp. Auch interessant, in Gestalt eines Stammnetz-Pendel mit einem Einheitswagen und einem Steuerwagen. Auch eine wilde Combo 😀 Wusste gar nicht, dass man mit den ABe 4/16 ernsthaft noch Wagen schieben kann. Inzwischen sind diese Züge wohl auch wieder von der Engadin-Linie verschwunden und durch die seit Jahren hier bekannten “konventionelle” Ge 4/4II-Lokzüge mit Steuerwagen ersetzt. So war es im Nachhinein gar nicht schlecht, auch bei diesem Zug auf den Auslöser gedrückt zu haben, bevor das eigentliche Ziel, der ABe 4/4III-Regio durchkam.


Im Sommerfahrplan 2022 verschlug es diese seltsamen Combos aus ABe 4/16 + Einheitswagen + Niederflursteuerwagen auf die Engadin-Linie. Wenige Wochen nach dieser Aufnahme verschwanden diese Züge mit dem Winterfahrplan auch schon wieder aus dem Engadin und die ABe 4/16 kommen wieder ihrer angestammten Aufgabe im S-Bahn-Verkehr nach.


Kurz darauf rollt das ABe 4/4III-Doppel 51+56 mit dem mittäglichen Regio nach Tirano in den Bahnhof von Pontresina, wo es nach kurzer Fahrt bereits eine erste Pause gibt.


Unter Mobilisierung aller Kräfte ging es sich mit dem kurzen Steilanstieg Richtung Surovas so eben aus zu meiner Stelle vom Vormittag. Und sogar die Sonne meldete sich ein letztes Mal für diesen Tag und lässt ABe 4/4III 51 und 56 noch einmal ein wenig erstrahlen.

Der restliche Tag war dann im Grunde nurmehr gemütliches Umherradeln, zum Aufbrechen war es ohnehin noch zu früh, da würde ich nur überall im Stau herumkröppeln. Für besagten Engadin-Star ging es noch bis Samedan hinunter an die Bahnhofsausfahrt. Um 13 Uhr herum kommt dann hier gleich je Richtung einer durch.


Die beiden Capricorn 3121+3144 eilen hinter Samedan mit leichter Verspätung aus Landquart kommend nach St. Moritz.

Jetzt war’s hier im Engadin wirklich dunkel und die Pflicht eines ersten Capricorn-Bildes war auch erfüllt. Zurück also Richtung Auto. In Pontresina wechselte ich dann noch in den Ort um bisschen was beim Coop zu Mittag einzukaufen. Dumm nur, dass ich während des Einkaufens feststellen musste, mein Geld im Auto vergessen zu haben. Zum Glück war das heute passiert, wo das Programm eh nicht mehr so lang gehen würde. Also stattdessen die letzten Gruyère-Röllchen und Joghurt aus dem Rucksack verspeist, um wenigstens etwas Energie für die folgende Fahrt hinauf nach Morteratsch zu tanken. Abgesehen von der Passage hinauf zur Montebello-Kurve ist es zwar nirgends richtig steil, aber es zieht sich doch etwas und vor allem pfiff der Wind ordentlich das Tal hinab und machte es so nicht weniger anstrengend. Einen kurzen spontanen Zwischenhalt gab es noch an einer Wiese zwischen Surovas und Morteratsch.


Hinter Surovas konnte Allegra 3503 mit einem Regio Richtung Tirano mitgenommen werden. Am Zugschluss ist dem nicht gerade kurzen Regio sogar noch eine Ladung Holz beigestellt.

Nachdem auch der Steilanstieg hinauf zur Montebello-Kurve gemeistert war, durften erstmal einige Kisten Lärchennadeln vom Auto gefegt werden, bevor das Rad sicher für die lange Rückfahrt vertäut wurde. Zum Aufbrechen war es eigentlich immer noch etwas früh, Chur wollte ich möglichst erst nach der Rush-Hour passieren und dann gemütlich über Bregenz weiter durch Deutschland gondeln. Ich vetrieb mir daher noch etwas die Zeit mit einem Einkauf in Samedan, schließlich wollten die heimischen Schweiz-Spezialitäten wie immer ergänzt werden und auch für die Rückfahrt durfte es noch etwas Proviant sein, wo ich jetzt wieder Geld hatte. Ein Zugtreffen je Richtung wartete ich auch gleich noch am Bahnhof ab und schaute, was so lief. Zumindest der Albula-Interregio nach St. Moritz war mit der Weltrekord-Ge 4/4III nicht uninteressant. So richtig gut für ein Fahrzeugbild passte es aber nicht, stand doch wie so oft der Hofhund Ge 3/3 215 mit einigem Gütergelumpe auf Gleis 1 im Weg herum.


Die Weltrekorde-4/4III 644 hält mit einem Albula-IR Richtung St. Moritz in Samedan. Auf Gleis 1 wartet Ge 3/3 215, bis sich der Trubel im Bahnhof legt und das Rangieren weitergehen kann.

Das war es dann aber wirklich gewesen fotografisch heute. Ich verstaute die Einkäufe noch transportsicher, wechselte in gemütliche Fahrer-Klamotte und machte mich auf Richtung Albula. Der Albula hatte dann sogar mal keine unzähligen Baustellen – es lief ganz entspannt. Weder ein Schleicher voraus, noch ein Drängler im Heck – so könnte es immer sein.

In Bergün füllte ich gleich noch die Wasservorräte für die Rückfahrt auf, bevor ich in Filisur kurzentschlossen noch einmal zum Bahnhof abdrehte. Bei einem Kaffee aus dem Bahnhofsbuffet ließ ich die nächste Schnellzugkreuzung mit Anschluss nach Davos an mir vorbeiziehen. Es kam eine aus einem Allegra, einem Alvra mit fehlendem Steuerwagen und einem der optisch sehr ähnlichen, modernen “Allegra”-Steuerwagen zusammengebastelte Albula-Ersatzkomposition durch. Nach Davos durfte bereits ein Capricorn ran, was wohl schon länger die Regel ist.

Kurz nach fünf ging es dann weiter und ohne weitere Umtriebe Richtung Heimat. Es lief mal wieder völlig problemlos in den Abend und die Nacht hinein. Chur-Landquart passierte ich schon nach der gröbsten Rush-Hour und danach war Richtung Bregenz und auf den deutschen Autobahnen auch nichts mehr los. ACC rein und laufen lassen…

Mitten in der Nacht, früh am Freitag erreichte ich die Löwenstadt und beendete damit doch recht erfolgreich die 2022er Reisesaison.


Epilog

Das Fazit zu dieser Tour kann eigentlich recht knapp ausfallen, denn viel pro und contra gibt es da nicht abzuwiegen: Etwas kürzer als geplant war es gewesen. Dafür waren diese Tage aber mit einem Wetterchen aufgetrumpft, wie ich es mir schöner nicht hätte wünschen können. Da war am Donnerstagnachmittag wirklich überhaupt kein Grummeln aufgekommen, dass es jetzt schon leicht verfrüht zurück gehen würde. Die vier, plus zwei halben Tage waren wirklich genau das gewesen, weshalb ich mir diese Woche im Herbst in diesem Jahr noch einmal für eine Schweiz-Tour freigehalten hatte – und es hatte sich gelohnt. Ich glaube, bei so einem Herbstwetter könnte ich mir noch viele Ziele in den Schweizer Alpen vorstellen, sodass doch die Verlockung groß ist, das Ganze nächstes Jahr direkt zu wiederholen. Während mir in den Sommermonaten in der Schweiz allmählich doch die Ziele ausgehen – zumindest jene, auf die man sich so richtig freuen würde und die man noch nicht mehrmals besucht hat im Sommer – ist es im Herbst doch eine ganz andere Stimmung und eine schönere Zeit zum Radfahren könnte es kaum geben. Ich denke also, dass schreit nach einer zweiten Auflage 😉

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