Das Fotojahr 2022 – Januar bis Juni

Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie konnte im Jahr 2022 praktisch wieder das ganze Jahr ohne Hindernisse gereist werden. So konnte ich zu jeder Jahreszeit kleinere Ausflüge und größere Reisen starten, die ich hier wie immer noch einmal zusammengefasst Revue passieren lassen möchte. Der erste Teil zeigt die Monate Januar bis Juni. Auf die entsprechenden Berichte wird natürlich wie gewohnt verlinkt.


Januar

Viel war im Januar nicht los, wie ich beim Schreiben dieser Zeilen noch einmal feststellen musste. Einzig am sonnigen Samstag den 8. Januar, war bei einer Radtour in Richtung Heide die Kamera dabei. So konnte ich eher zufällig auch eine recht unspektakuläre Aufnahme an der Braunschweiger Linie 1 Richtung Wenden anfertigen – immerhin ein Bild für diesen Monat im Jahresrückblick 😉


Tramino 1461 ist gerade von der Endschleife Wenden Heideblick im Norden Braunschweigs gestartet und erreicht die zweite Haltestelle der Fahrt, Geibelstraße, auf dem Weg in die Innenstadt.


Februar

Im Februar war dafür umso mehr los: Endlich konnte nach zwei Jahren auch mal wieder ein coronafreier Winterurlaub geplant werden. Gerade noch rechtzeitig für die alten Fahrzeuge auf den Rigi-Bahnen, im Centovalli und den Autotransport sowie die Einheitswagen-Lokzüge auf der MGB. Alles Dinge, die inzwischen bereits verschwunden sind, oder dies in absehbarer Zukunft tun werden. Insgesamt eine Woche verbrachte ich in der Schweiz und Norditalien und konnte meine Pläne dabei der jeweiligen Wetterlage ganz gut anpassen, sodass es am Ende fast nur schönsten Sonnenschein in der verschneiten Bergwelt gab. Der Reisebericht trägt dementsprechend den passenden Namen und ist hier zu finden: Sonne, Schnee und Berge – Winterurlaub von der Rigi bis ins Piemont


Am Freitagabend gestartet, erreichte ich am Samstagmorgen den 12. Februar zum Sonnenaufgang die Rigi. Der Early-Bird aus Vitznau verkehrt dabei nur bis Staffelhöhe, brachte mich und einige Güter aber sogar noch bis Staffel weiter, sodass der anschließende Weg zum Sonnenaufgang am Gipfel noch einmal kürzer wurde. An diesem Morgen war der 1937 gebaute Bhe 2/4 3 mit inzwischen geleertem Güterwagen mit der Fahrt in die blaue Stunde nach Staffel betraut.


Es folgte ein grandioser Wintertag an der Rigi. Der erste Vitznauer Planzug bis Rigi Kulm klettert hier in Gestalt von BDhe 4/4 22 vor der imposanten Kulisse des Pilatusmassiv die letzten Meter nach auf die Rigi hinauf.


Mit frischer, geschlossener Schneedecke, war dieser Samstag noch einmal Großkampftag für das alte Rollmaterial an der Rigi – vielleicht schon einer der letzten Tage überhaupt. So kam auch der älteste betriebsfähige Zahnradtriebwagen, BCeh 2/3 6 mit Baujahr 1911, im regulären Verkehr zum Einsatz. Ein echtes Urviech auf Schienen, das sich hier auf der nachmittäglichen Talfahrt nach Art-Goldau unterhalb Rigi Staffel befindet.


Auch auf der Vitznauer Rampe war reichlich altes Eisen unterwegs. Drei der vier 1937 und 1953 gebauten Bhe 2/4 1 bis 4 standen im Einsatz. Am späten Nachmittag erreicht Bhe 2/4 2 den Bahnhof Rigi Staffel.


Die folgenden zwei Tage wurden am Oberalppass verbracht. Am Sonntag den 13. Februar ging es von Andermatt bis Oberalppass. Während der Wanderung von Nätschen nach Oberalppass kämpft sich hier HGe 4/4II 105 die Steigung zum Oberalpsee hinauf. Der reflektierende Schnee erlaubt zu den Mittagsstunden im Winter sogar immer mal wieder auch krasse Gegenlichtaufnahmen, wie hier der Blick zurück zum Wehr und hinab Richtung Andermatt und Furka.


Ziel waren hier natürlich der bald aufgegebene Autozug, aber auch die klassischen lok- und triebwagenbespannten Einheitswagenzüge. Für die teils sieben Wagen langen Züge im Winter, werden in der Regel die HGe 4/4 II vorgespannt. In der Mittagszeit wird eine der Loks ab Disentis allerdings für den Glacier Express benötigt, sodass ein Deh 4/4 II eine Runde mit einer kürzeren Garnitur über den Pass fährt. Während meines Besuches fiel diese Aufgabe dem Deh 4/4 II 94 zu.


Am Abend werden dann auch die lokbespannten Züge teils wieder kürzer. So ist die frisch modernisierte HGe 4/4 II 105 ebenfalls nur noch mit vier Wagen aus Andermatt gestartet und konnte am Kalendermotiv unterhalb Nätschen aufgenommen werden.


Für den folgenden Sonntag war zumindest der Vormittag noch einmal sonnig angesagt. So ging es für den bereits erwähnten Autozug noch einmal auf den Oberalppass, knapp hinter die Passhöhe Richtung Sedrun. Abgesehen von einer Leistung pro Tag und Richtung, drehte Deh 4/4 22 meist leer seine Runden mit dem Autozug zwischen Andermatt und Sedrun. Die Einstellung dieser wohl unrentablen Leistung überrascht daher nicht übermäßig…


Um unter dem Tiefdruckgebiet hindurch zu kommen und das eher mäßige Wetter Richtung Schweiz die nächsten Tage zu meiden, fuhr ich durch den Gotthard ins Centovalli und weiter ins Vigezzotal nach Italien. Zu meiner Überraschung hatte das Tief auch hier weiße Spuren hinterlassen, sodass hier reichlich, inzwischen selten gewordene Schneebilder aufgenommen werden konnten. Mindestens genauso schön war natürlich die bald wieder strahlende Sonne und noch mehr der recht zuverlässige Einsatz der Altbaufahrzeuge ABe 8/8 im Regionalverkehr und sogar auf einer internationalen Leistungen nach Locarno an zwei von drei Tagen. Hier überquert der ABe 8/8 22 “Ticino” als Regionalzug Richtung Domodossola den Viadukt bei Malesco über einen der zahlreichen seitlichen Zuflüsse des Malezzo Orientale.


Rund 600 Meter tiefer im Tal bei Domodossola herrschten zu diesem Zeitpunkt bereits wieder fast 20 Grad. Nur noch wenige Minuten Fahrzeit sind es bis zum Endpunkt Domodossola beim Halt in Masera.


Am folgenden Mittwoch und auch am Donnerstag den 17. Februar, durfte dann sogar jeweils ein ABe 8/8 einen Internationalen nach Locarno fahren. Am Donnerstag fiel diese Aufgabe dem ABe 8/8 21 “Roma” zu. Hier hat der italienische Triebwagen soeben auf der Ponte Ribelassca vor Camedo die EU-Außengrenze passiert und rollt wenig später oberhalb des Lago di Palagnedra auf der großen Stahlträgerbrücke weiter Richtung Locarno.


Am Abend des 17. Februar ging es dann endgültig zurück Richtung Schweiz. Die vierteilige Combo aus 81+88+811+84 überquert als PanoramaExpress nach Domodossola das Viadukt hinter Intragna im schönsten Abendlicht.


Freitag der 18. Februar wurde dann zum Abschluss noch einmal an der MGB verbracht. Diesmal im Tavetsch mit einer Schneewanderung zwischen Sedrun und Dieni. Zwischen diesen beiden Orten pendelt zur Wintersaison im Halbstundentakt ein Deh 4/4 I für die zahlreichen Wintersportler. Am Mittag erreicht der Deh 4/4 I 21 in Kürze Dieni.


Auch die verstärkten Einheiten zwischen Disentis und Andermatt mit klassischen Lokzügen konnten im verschneiten Tavetsch festgehalten werden. Am späten Nachmittag verlässt HGe 4/4 II 4 Sedrun in Richtung Oberalppass und Andermatt.


Am frühen Abend beendet der Skipendel seine Arbeit im Tavetsch und rollt wieder hinab nach Disentis. Dabei passiert Deh 4/4 I 21 das Bugnei Viadukt hinter Sedrun.


März

Im März war dann fotografisch erstmal wieder weitgehend Pause. Hin und wieder wurde mal ein Blick zur Braunschweiger Straßenbahn geworfen. Im Stadionverkehr kam dabei zuverlässig einer der verbliebenen Hochflurzüge wohl als Bewegungsfahrt zum Einsatz.


LHB GT6 8157 wurde überraschend im März von seiner Werbung befreit und zeigte sich im Stadionverkehr wieder in den alten Hausfarben mit roter Bauchbinde, auch wenn diese von der Werbung schon arg ramponiert daherkommt. Gemeinsam mit seinem Beiwagen 8175 passiert die “Schuchschachtel” am 12. März das Wendentor als 1E zum Hauptbahnhof.


April

Einen Monat früher als bei vielen anderen, stand bei mir der Abschied von der letzten betriebsfähigen Mallet im Harz an. Lange Jahre kannte man die 99 5906 bestens vom inzwischen nicht mehr verkehrenden, zweiten Dampfzugumlauf im Selketal. In den vergangenen Jahren kam die Maschine dann meist nur noch zu Sonderfahrten oder in der Nebensaison mit dem kurzen Traditionszug zum Brocken zum Einsatz. Auf letzteres spekulierte ich am 16. April, da ich mich während des umfangreichen Abschiedsprogramms für die Maschine im Mai in Rumänien befinden würde. Eine Woche später spekulierte ich noch einmal auf einen Einsatz, allerdings zog an diesem Tag dann die 99 222 bereits den langen Traditionszug. Stattdessen wurde dann ein wenig der aktuelle “Waldzustand” entlang der Brocken- und Harzquerbahn festgehalten. Ein ausführlicher Bericht zu diesen zwei Tagen im Harz findet sich hier: (Mein) Abschied von der 99 5906 und was sonst im Harz noch dampft und dieselt


Mein persönlicher Abschied von der 99 5906 am 16. April 2022. Mit dem kurzen Traditionszug ist die Maschine unter den Augen zahlreicher Fotografen an der Steinernen Renne unterwegs Richtung Brocken.


Als Tagesabschluss wurde am Abend der inzwischen teilweise freie Blick auf die Kehre im Drängetal aufgenommen, wo 7243-1 hinab nach Wernigerode rollte.


Eine Woche später gab es den Tagesabschluss mit dem Harzkamel-Umlauf auf seiner abendlichen Rückfahrt vom Brocken Richtung Wernigerode knapp unterhalb Drei Annen.


Mai

Im Mai stand nach sieben Jahren wiedermal eine große Rumänien-Tour auf dem Programm. Erstmals wollten wir diesmal mit Ausnahme von Bukarest die komplette Straßenbahnrunde drehen. Bei allen Betrieben gab es nach sieben bzw. acht Jahren viel Neues, oder aber noch fehlendes Altes zu entdecken. Mit Craiova und Ploieşti konnte ich auch die beiden mir noch gänzlich fehlenden Betriebe in Rumänien endlich abhaken. In zehn Tagen ging es im Uhrzeigersinn einmal durch Rumänien zu den neun, neben der Hauptstadt verbliebenen Straßenbahnbetrieben des Landes. Der ausführliche Reisebericht ist hier nachzulesen: Circum Caparti – Rundreise zu Rumäniens Straßenbahnbetrieben


Von Frankfurt ging es am 7. Mai nach Cluj-Napoca. Der dortige Betrieb setzt als erster in Rumänien zu 100% Niederflurwagen ein. 24 dreiteilige Astra-Imperio, von der Avenio-Plattform von Siemens abgeleitet, stehen seit 2021 in Cluj-Napoca im Einsatz und bewältigen damit den Löwenanteil des Verkehrs auf der von drei Linien bedienten Durchmesserstrecke. Imperio 60 ist auf der Linie 101 zur westlichen Endschleife Strada Bucium im Einsatz und wendet hier in der Blockumfahrung am Bahnhofsplatz (Piata Garii). Ergänzt werden die Imperios durch vier bereits 2014 gelieferte Pesa Swing.


Am nächsten Tag ging es die lange Fahrt nach Iași hinüber. Hin und wieder wurde auch mal ein Blick auf die Bahnhöfe entlang unserer Fahrtrouten geworfen. Kurz vor zehn wartet der 628 663 in Topliţa auf den nächsten Einsatz. Der Bahnhof der Kleinstadt bietet das typische Ambiente der rumänischen Provinz.


Iași ist sozusagen Kulturhauptstadt Ostrumäniens und auch für Straßenbahnfans bietet sich eine vielleicht nur von Arad zu übertreffende Vielfalt meterspuriger Gebrauchtwagen aus dem deutschsprachigen Raum. Als letzter Vertreter der Darmstädter ST10, kam der Waggon Union GT6 278 an allen drei Tagen auf der Linie 6 zum Einsatz. Nach der Schleifenfahrt auf der rechten Seite, startet ST10 278 seine Fahrt nach Dacia neben der Kloster- und Festungsanlage Târgu Cucu.


Aus Augsburg rollen inzwischen die DUEWAG GT8 vom Typ Mannheim zuverlässig auf der Linie 9. Dabei passiert GT8 803 neben dem Kulturpalast die Biserica Sfântul Nicolae Domnesc.


Fast alle Linien der Straßenbahn in Iași passieren den zentralen Piața Unirii und bieten dabei schöne Paraden der verschiedensten Westeuropäischen Gebrauchtwagen. Mit dem nachmittäglichen Sonnenstand rückt dabei die sozialistisch geprägte Seite des Platzes samt Haltestelle ins Bild, während am Vormittag das Postkartenmotiv mit dem Grand Hotel Traian zum Fotografieren einlädt. Nach einem kräftigen Regenschauer ließ sich aber dank großer Pfützen auch mit der vermeintlich hässlicheren Seite des Platzes etwas anfangen. Ein kleiner Rückstau ließ den Darmstädter ST10 auf seiner Fahrt nach Dacia sogar an fast idealer Stelle anhalten, sodass eine passende Lücke im Autoverkehr für eine Aufnahme genutzt werden konnte.


Am 10. Mai ging es weiter zu einem Kurzbesuch nach Galați. Seit Kurzem verkehren auch im Ostrumänischen Galați die ersten Niederflurwagen. Acht “Autentic” genannte Fahrzeuge von Astra läuten auf den derzeit von zwei Linien bedienten drei Ästen die Moderne ein. Die Fahrzeuge basieren ebenfalls auf dem altbewährten GTx-Prinzip, genauer auf der von Siemens zum Avenio weiterentwickelten Plattform, aus der in Rumänien der Imperio und nun der Autentic entstand. Die Produktion findet inzwischen allerdings vollständig unter der Regie von Astra statt. Unterstützt werden die Niederflurwagen weiterhin von den Rotterdamer DüWag GT6, die Berliner KT4D sind hingegen abgestellt. Hier wendet Autentic 1852 als Linie 39 hinter der derzeitigen Endstation Liceul 3 um den Kreisverkehr am Bulevardul Milcov. Einst führte die Linie über das Depou 2 weiter bis zum jüdischen Friedhof. Zumindest bis zur ehemaligen Zwischenschleife Comat sind die Sanierungsarbeiten bereits weit fortgeschritten, sodass es von Liceul 3 wohl bald wieder weitergehen dürfte.


Noch am Nachmittag ging es die wenigen Kilometer weiter nach Brăila. Am folgenden 11. Mai nahmen wir uns dann ausgiebig Zeit für den sich in einem kläglichen Zustand befindenden Betrieb. Der Wiener E1 4672 durchfährt hier die große Blockschleife im Norden der Stadt unweit der Endhaltestelle Scoala Nr.20.


Mit der Linie 22 ist derzeit nur eine von bis vor kurzem noch drei Stadtlinien in Brăila in Betrieb. Hinzu kommen noch die beiden Überlandlinien 24 und 25, welche von Süden kommend in einem Park noch vor der Innenstadt wenden und die Strecke zum Lacul Sarat und weiter zum Combinat bedienen. Ein einzelner Wagen bedient die Überlandstrecke im Stundentakt, wobei etwa jede zweite Runde bis zum ehemaligen Combinat gefahren wird. Weitere fünf Fahrzeuge werden für den ungefähren 15-Minuten Takt der Linie 22 benötigt, sodass in der Regel nurmehr sechs Fahrzeuge im Einsatz stehen. Während unseres Besuches konnten noch Rotterdamer GT8 von Werkspoor, Wiener E1 von SGP, Grazer GT8 von SGP und ein letzter Berliner KT4D im Einsatz erlebt werden. Von noch einsatzfähigen Grazer GT6 fehlte derweil jede Spur. Eventuell stand ein letztes betriebsfähiges Fahrzeug im südlichen Depou Negru.
Nicht nur der Wagenpark und Betrieb ließ Endzeitstimmung aufkommen, auch die Infrastruktur befindet sich selbst für rumänische Verhältnisse in einem Zustand jenseits von Gut und Böse. Insgesamt stellte sich uns doch die Frage, ob dies unser letzter Besuch bei der Straßenbahn Brăila war, nachdem es vom schon schlechten Zustand 2015 nurmehr weiter bergab zu gehen schien… Hier sehen wir den ehemaligen Grazer GT8 583 in der großen Blockumfahrung der Linie 22 im Norden der Stadt Richtung Süden.


Gegen Mittag ging es noch hinüber zur schon erwähnten Überlandstrecke zum Lacul Sarat und weiter zum Combinat. KT4D 9069 ist hier auf seiner stündlichen Befahrung der Überlandstrecke kurz vor der Zwischenschleife am Lacul Sărat, wo jede zweite Runde Endstation ist. So auch bei dieser Fahrt, wie an der Liniennummer 25 zu erkennen ist.


Noch am Abend desselben Tages erreichten wir Ploieşti. Dieser Betrieb ist dann das komplette Kontrastprogramm zu Brăila: Die Infrastruktur ist nahezu vollständig saniert und die Fahrzeuge in gutem Zustand, auch wenn das Warten auf Niederflurwagen wohl noch etwas andauern dürfte. Ein ehemaliger Potsdamer KT4D verlässt hier mit KT4D 075 im letzten Licht die Endschleife am Gara de Vest für eine weitere Runde auf der 102 zum Spitalul Judetean.


Ganze Straßenzüge und Stadtviertel wurden in den rumänischen Städten unter dem Regime von Nicolae Ceaușescu planiert und anschließend neu hochgezogen. Das Bild der dabei entstandenen Boulevards und Plätze bezeichne ich gern als “Ceaușescu-Brutalismus”, auch wenn es diesen Begriff offiziell wohl nicht geben dürfte. Besonders “beeindruckend” – wenn dieser Begriff für diese menschenfeindliche Architektur denn überhaupt zutreffend sein kann – ist diese Architektur natürlich in Bukarest. Aber auch in Ploiești hat sich der Diktator mit dem Bulevardul Republicii ein Denkmal gesetzt, das der Hauptstadt kaum nachsteht. Am Piața Mihai Viteazul im Verlauf des Bulevardul Republicii, erreicht der betonierte Wahnsinn seinen Höhepunkt, mit den jeweils ein Viertel des Platzes umrandenden Gebäudefronten, von denen wir ein Viertel hier im Hintergrund sehen. Ebenfalls ein Erbe der sozialistischen Zeit ist die 1987 hauptsächlich wegen Erdölmangel erbaute Straßenbahn. Anders als bei vielen anderen in den 80er-Jahren entstandenen Betrieben, wurde die Straßenbahn von Ploiești nicht bereits nach wenigen Jahren aufgrund der katastrophalen Substanz wieder eingestellt. Es kam zwar zu einzelnen Streckeneinstellungen, mit Hilfe gebrauchter KT4D aus Deutschland konnte man sich allerdings über Wasser halten und die verbliebenen drei Streckenäste schließlich ab 2015 grundlegend sanieren. KT4D 074 ist hier am 12. Mai auf dem Piața Mihai Viteazul soeben vom Bulevardul Republicii auf die Strada Gheorghe Doja abgebogen und eilt nun auf eigenem Bahnkörper und exzellenten Gleisen weiter gen Innenstadt.


Am Nachmittag des 12. Mai ging es weiter nach Craiova. Ein geschlossener Bahnübergang ließ uns in Robăneşti spontan an die Bahnstrecke wechseln. Robăneşti ist ein typischer kleiner Bahnhof im Nichts, natürlich aber besetzt und zur Zugdurchfahrt kam dann auch der Stationsvorsteher mit Mütze und Kelle auf den Bahnsteig. Ich hatte ja gedacht, vielleicht käme auch in diese Richtung ein Malaxa durch – einen hatten wir zuvor in Gegenrichtung gesehen – dieser stattliche Güterzug mit “SLM-Diesel” war aber auch nicht verkehrt.


Am Abend wurde Craiova erreicht, wo es auch am folgenden 13. Mai gleich weiterging mit dem Straßenbahnprogramm. Fester Bestandteil vieler rumänischer Straßenbahnbetriebe waren oder sind die Kombinatsstrecken. Nicht wenige der “neuen” und teils schon wieder eingestellten Betriebe aus den 80er-Jahren sind sogar vorrangig für die Bedienung der Großindustrie vor den Toren der Städte errichtet worden.  So wurde auch in Craiova im Jahr 1987 ein neuer Straßenbahnbetrieb eröffnet, welcher auf einer 18 Kilometer langen Linie den zentralen Bulevardul der Stadt mit den auswärts gelegenen Industriekomplexen verbindet. Während im städtischen Bereich nach Sanierung der Innenstadtachse heute im dichten Takt gefahren wird, genügt auf der heruntergekommenen Kombinatslinie 102 ein Stundentakt, auch wenn zumindest noch ein wenig Leben in der Termocentrala Ișalniţa am Ende der Linie herrscht, wie ein dampfender Schlot bezeugt. Die Mitte des letzten Jahrzehnts angestrengten Bemühungen zur Instandsetzung der Infrastruktur, können insgesamt nicht über den eher mäßigen Zustand des Betriebes hinwegtäuschen und besonders die Fahrzeuge sind in einem teils erbärmlichen Zustand. Mit etwas neuem Plastik an der Front und Schichten an Werbefolie wird der aus Berlin stammende KT4D 109 zusammengehalten und kaschiert so aus der Ferne effektiv seinen schlechten Zustand, wobei dieses Fahrzeug, frei von Graffiti, noch zu den schöneren gehört. Neue Niederflurwagen wurden inzwischen beim polnischen Hersteller Pesa bestellt.


Auch wenige Dresdner T4D kommen in Craiova noch zum Einsatz. T4DMT 212 startet an der Zwischenschleife CLF als Linie 101 in Richtung Innenstadt.


Das Fahrzeug-Gruselkabinett komplett machen die völlig verunstalteten Wiener E1. Nicht, dass es dem Stadtbild auf dem zentralen Bulevardul irgendwie schaden würde, auf dem E1 651 hinter der Haltestelle Piata Centrala Richtung Pasaj Electroputere unterwegs ist.


Am nächsten Vormittag, Samstag den 14. Mai, wurde auch in Timisoara vorbeigeschaut. Der Betrieb fällt in den letzten Jahren vor allem durch ein stetig schlechter werdendes Fahrplanangebot auf. Besonders wenig war da natürlich an diesem Samstagmorgen los. Noch immer standen hier aber die Hansawagen aus Bremen und Bremerhaven im Einsatz. Hansawagen 3466 hat hier unweit des Bahnhofes Timișoara Est,die Haltestelle Piața Badea Cârțan Richtung Innenstadt passiert.


Neu waren für uns die zu “Armonia” kernsanierten, ehemaligen Wegmann-Kurzgelenker aus Bremen. Eines dieser Exemplare überquert hier zwischen den Haltestellen Parcul Poporului und Prefectura Judetului Timis die Bega auf der hübschen Pordul Decebal. Nur wenige Wochen später gingen hier die ersten Niederflurwagen aus der Türkei in den Fahrgastbetrieb.


Immer einen Besuch wert ist das Westrumänische Arad. Auch wenn uns hier eigentlich nur die neuen Niederflurwagen fehlten, standen natürlich wieder die zahlreichen Gebrauchtwagen aus Deutschland und Österreich auf den teils idyllischen bis morbiden Außenstrecken im Fokus. Der Hallenser T4D 1126 wendet hier am Nachmittag des 14. Mai am Ende der Linie 6 am Piața Gai um eine kleine Kirche.


Besonders bekannt ist in Arad natürlich die Überlandstrecke nach Ghioroc, auf der nicht selten die abgerocktesten Vertreter der DUEWAG-Gebrauchtwagenflotte zum Einsatz kommen. Den abendlichen Kurs aus Ghioroc nach Arad durfte am Abend des 14. Mai der GT8 51 bedienen, der aus Bielefeld über Innsbruck nach Arad gelangte.


Selbst am Sonntagmorgen bot sich eine ansehnliche Fahrzeugvielfalt auf dem zentralen Piata Primărie. Der ebenfalls aus Innsbruck stammende Lohner GT6 74 begegnet hier einem Hallenser T4D+B4D-Hängerzug.


Schon Mitte der 2010er Jahre wurde in Arad das Niederflurzeitalter mit den dreiteiligen, vom Siemens Combino+/Avenio abgeleiteten Kurzgelenkwagen Imperio, eingeläutet. Mit nur wenigen Fahrzeugen pro Jahr war die Serie von zehn Fahrzeugen allerdings erst im Jahr 2020 vollständig. Seit 2022 folgt die Nachfolgeserie mit lediglich zweiteiligen Imperios, die weitgehend den Fahrzeugen aus Galati entsprechen. Hier zu sehen Imperio 1907 zwischen den Haltestellen Teatru und Piata Romana. Der Autoverkehr lässt nur am Sonntagvormittag solche störungsfreien Aufnahmen zu.


Auf der Weiterfahrt zum Abschluss dieser Reise nach Oradea, wurde in Salonta ein kleiner Halt im Bahnhof für ein Treffen eines entgegenkommenden Desiros mit einem 624 aus Richtung Ungarn eingelegt. Kurz bevor der 628 eintrifft, wird das Bahnhofsgelände noch etwas umständlich mit dem Fahrrad überquert.


Neueste Errungenschaft in Oradea sind die 2020 bis 2021 gelieferten Astra Imperios, wie man sie in zweiteilig auch aus Arad und Galaţi und in dreiteilig aus Cluj kennt. Mit der hiesigen Lackierung kommen die Fahrzeuge doch ganz gefällig daher, auch wenn sie an die schicken Zweiteiler aus Arad nicht ganz herankommen. Imperio 304 hält an der Haltestelle Hațegului, kurz bevor die Endstation erreicht wird.


Die modernisierten Berliner KT4D trifft man wirklich überall wieder. So gelangten auch 30 Stück nach Oradea, wo sie seit 2017 ihre Runden drehen. Das Licht scheint an langen Sommerabenden wirklich genial in die Strada Primăriei in der sehenswerten Innenstadt. KT4D 213 kommt genau in der Lichtachse die Strada Primăriei hinauf.


Schon 2008 konnten in Oradea mit den zehn 1:1 aus der Wiener Lieferung ausgezweigten ULF’s, die ersten vollwertigen Niederflurwagen des Landes in Betrieb genommen werden. Die sonst nur aus Wien bekannten Exoten machten sich doch etwas rar bei diesem Besuch, es war wohl kaum eine Handvoll Fahrzeuge unterwegs, während die Imperios und KT4D die Hauptlast trugen. Am Piata 1 Decembrie kommt am Morgen des 16. Mai mit Wagen 54 aber einer der zehn ULF’s auf der Linie 5 entgegen.


Juni

Nach der Tour im Mai war bis zum Spätsommer/Herbst erstmal kein größerer Urlaub geplant. Also sah ich mich hin und wieder in heimischeren Gefilden um. Lange auf dem Plan stand dabei schon, die Selketalbahn in diesem Jahr wieder mehr in den Fokus zu nehmen und dort ein kleines “Wald-Update” zu erradeln, sprich zu schauen, wo sich durch das Fichtensterben eventuell neue Motive ergeben haben. Ebenfalls auf dem Programm steht schon seit dem Fahrplanwechsel zum Sommer 2020 die seither erstmals(?) fahrplanmäßige Triebwagen-Doppeltraktion zwischen Stiege und Eisfelder Talmühle.


Wohl höchstens noch eine Saison dürfte der neue, freie Blick auf den Bergsee bei Güntersberge noch möglich sein. Ob die Stammlok 99 6001 in dieser Zeit noch einmal durch’s Selketal dampfen wird ist derzeit eher fraglich. Momentan wird die Dampftraktion im Harz zu 100% von 99 72ern und der 99 222 gestellt. Am 4. Juni zieht 99 6001 den täglichen Dampfzugumlauf am Nachmittag bis Eisfelder Talmühle. Seit dem Wegfall des zweiten Dampfzuges, vor auch schon wieder einigen Jahren, der einzige Dampfzug zwischen Alexisbad, Stiege, Hasselfelde und Eisfelder Talmühle.


Gleich beide Vorhaben konnten am Vormittag des 25. Juni in ein Bild gefasst werden: Die gemischte Triebwagen-Traktion aus 187 013-8 und einem Halberstädter zwischen Stiege und Eisfelder Talmühle am freigeholzten Hang des Beretals kurz vor Eisfelder Talmühle.


Zwischen den beiden Harzbesuchen ging es am Sonntag den 12. Juni ebenso spontan nach vier Jahren Pause mal wieder ins HSM nach Wehmingen. Das Modellbahntreffen versprach doch einen erhöhten Fahrzeugauslauf. Zusätzlich wurden, um Platz für die Aussteller in der neuen Fahrzeughalle zu schaffen, zahlreiche Fahrzeuge im besten Licht auf dem Außengelände präsentiert. Neben den TW6000, dem “neuen” Münchner M-Zug 2420+3408, dem Wiener E1 und dem Posener GT8, war für mich auch der mustergültig restaurierte Hannoveraner 227 noch neu, der hier die Haltestelle Hohenfels Mitte erreicht. Einen Artikel mit all den Neuigkeiten gibt es hier: Ein bunter Sonntag mit vielen Youngtimern in Wehmingen.


Damit war das erste Halbjahr 2022 auch schon vorüber. Weiter geht es im zweiten Teil mit den Monaten Juli bis Dezember und den Reisen nach Finnland und Estland und in die herbstliche Bergwelt der Schweiz.

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