Ein bunter Sonntag mit vielen Youngtimern in Wehmingen

Recht spontan ging es nach fast vier Jahren am Sonntag den 12. Juni 2022 mal wieder hinüber ins HSM nach Wehmingen. Dort wurde über den Tag eine beachtliche Fahrzeugvielfalt im Einsatz präsentiert und weitere Fahrzeuge standen präsentabel im weitläufigen Gleisfeld verteilt.


Ein Sonntag ohne wirkliches Programm aber bei nicht allzu schlechter Sonnenprognose und vielleicht letztmals aushaltbaren Temperaturen für die nächsten Monate. Da musste schleunigst eine Idee her. Schnell kam mir der Gedanke, doch mal wieder in Wehmingen vorbei zu schauen. Mit September 2018 war der letzte Besuch schon wieder ewig her in Anbetracht der nur knapp 50 Kilometer Entfernung. Ab 2020 waren die Gründe dafür natürlich auch bei Corona zu suchen, fielen die Saisons 2020 und 2021 doch deutlich verkürzt aus und in den wenigen Monaten der Öffnung, nutzte man die zeitweilig wiedererlangte Freiheit dann selbst auch anderweitig…

Umso mehr Neuigkeiten gab es für mich dort zu entdecken: Die fertiggestellte neue Fahrzeughalle kannte ich bislang genauso wenig, wie die beiden Hannoveraner TW 6000, den Amsterdamer 11G, den Wiener E1, den Posener GT8, den “neuen” Münchner M-Wagen und selbst den Hannoveraner 227 hatte ich bislang nicht abgelichtet. Ein kurzer Blick auf die Website verriet, das an diesem Wochenende zudem ein Modellbahntreffen stattfinden und zahlreiche Stände in der Fahrzeughalle sein sollten. Nicht, dass mich eines der beiden Dinge jetzt übermäßig interessiert hätte, aber das sollte doch für ordentlich Besucher und eine größere Fahrzeugvielfalt auch bei der “großen” Straßenbahn sorgen.

Kurz die knapp 50 Kilometer auf der Landstraße hinüber gecruist und um kurz nach elf konnte ein entspannter Fototag im Museum beginnen. Gegen Mittag traf ich nicht ganz zufällig noch auf zwei weitere Mitstreiter, sodass für zusätzliche Unterhaltung beim Warten und Mittag gesorgt war.


Kurz nach der Eröffnung ist es noch recht leer auf dem Außengelände und die unter dem Tramport untergestellten Fahrzeuge können abgelichtet werden. Neben dem T4DZR 1008 aus Magdeburg, wird gerade der Tw 227 vorbereitet. Daneben ruht der recht frisch lackierte Düsseldorfer Großraum-Tw 5103, vormals Nummer 35 aus Neuss.


Zum Aufbau der Stände in der Fahrzeughalle wurden die dort seit der Fertigstellung nun endlich trocken untergestellten Fahrzeuge großzügig entlang der ehemaligen Werkshallen im Außengelände aufgestellt. Auch für die Fotografen präsentierten sich die Fahrzeuge vorbildlich mit ausreichend Abstand zueinander. Hier der leider arg mitgenommene Kasseler “Zwei-Zimmer-und-Küche” GT4 269, gebaut von Credé im Jahr 1956. Auf der anderen Straßenseite steht der Berliner Reko TZ69 3011. Mit Baujahr 1969 war dieser schon neu technisch noch weiter überholt, als der Credé dreizehn Jahre zuvor.


Vor dem Berliner ruht der Düsseldorfer Verbandstyp I 389, seit einigen Jahren wieder in den Betriebsfarben der Rheinbahn lackiert, nachdem er lange Zeit eine orange ATw-Lackierung trug. Die gesamte Zweiachser-Zweirichtungsflotte hatte heute Pause. Einzige Ausnahme stellte der Wiener L1 dar, der mit passendem Beiwagen allerdings nur eine unfotografierte Runde drehte.


Zeit für fahrende Straßenbahnen: Gefühlt im 10-Minuten-Takt wurde der Rundkurs durch den Wald an diesem Tag bedient. Von dort kommt der Amsterdamer Dreiachser 902, 1948 von Werkspoor gebaut.


Das Außengelände versprüht in Wehmingen seit jeher einen morbiden Charme, der das Museum auf seine Weise einzigartig macht. Besonders seit hier auch endlich effektiv aufgeräumt wurde und nur noch an einer letzten Stelle zerbröselnde Fahrzeugfracks zu sehen sind, macht das Fotografieren so richtig Spaß. Der Wiener E1 4738 hat es jedenfalls deutlich besser getroffen, als viele seiner über Osteuropa verstreuten Kollegen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme drehten allerdings selbst in Wien noch immer die letzten Exemplare ihre Runden durch Floridsdorf, während die E1 bei mehreren Zweitbetrieben bereits wieder ausgemustert sind.


Mit dem Hannoveraner 227 samt KSW-Beiwagen konnte gleich der nächste Punkt von der Fehlliste gestrichen werden. Der 227 ist eines der Fahrzeuge, welches in Wehmingen praktisch aus dem Nichts komplett restauriert wurde.


Wenig später kommt das Aushängeschild von der Runde durch den Wald zurück.


An der Zufahrt zur neuen Fahrzeughalle bietet sich am Vormittag nun auch eine schöne neue Fotoperspektive mit den Bahnen Richtung Waldschleife. Der Fahrer des Amsterdamer 902 wartete freundlicherweise, bis eine kleine Fotowolke durchgezogen war.


Ein Blick hinüber zur modernen Abteilung vor der Fahrzeughalle. Durch TW 6129 fällt der Blick auf den Den Haager PCC 1308, den ich leider noch nie auf der Strecke ablichten konnte.


Der Hannoveraner Zug sägt durch die enge Schleife vor dem Tramport und erreicht wenig später die Abfahrtshaltestelle auf der Museumsstraße.


Ebenfalls zum heute nicht eingesetzten Zweiachseraufgebot gehört der Berliner T24 5964. Mit 501 Triebwagen war dieser von 1924-1927 ausgelieferte Fahrzeugtyp die bis dahin größte Fahrzeugserie an einen deutschen Straßenbahnbetrieb.


Wenig später kommt der E1 im übelsten Gegelicht aus dem Grün der Waldschleife zurück. Etwas kurios ist dabei immer die Linksfahrt an der nachfolgenden Haltestelle Hohenfels Mitte, um von der gegen den Uhrzeigersinn befahrenen Waldschleife auf die im Uhrzeigersinn befahrene Schleife neben der Museumsstraße zu gelangen.


Zu einer ebensolchen Linksfahrt biegt gerade der Münchner M-Zug aus M4.65 2420 und m4.65 3408 zur Haltestelle Hohenfels Mitte ein. 2420 gelangte erst 2020 von Privat nach Wehmingen und bildet nun einen passenden Zug mit dem Beiwagen, nachdem zuvor der moderne M5.65 2667 im Museum einige Zeit im Einsatz stand, den wir auf einer vorherigen Aufnahme bereits am Rand abgestellt gesehen haben.


Nach dem Mittagessen, während dem der Einsatz des Wiener Zuges verpasst wurde, drehte dann der Schmierwagen 801 eine Runde durch den Wald und parkte anschließend wieder vor der neuen Fahrzeughalle. Von der Üstra wurde einst eine große Flotte dieser Ende der 20er-Jahre von HAWA gebauten Gütertriebwagen betrieben. Zahlreiche der Fahrzeuge fanden später als Arbeitswagen eine zweite Verwendung, von denen einige anschließend nach Wehmingen gelangten. 801 kam 2008 nach Wehmingen und ist offensichtlich noch recht lebendig, auch wenn der äußerliche Zustand ein wenig zum morbiden Umfeld passt.


Im Nachmittagsverkehr wurde es dann regelrecht modern. Den Anfang soll hier der Magdeburger T4DZR 1008 machen. Das Fahrzeug hat lediglich auf einer Seite Türen und wurde entsprechend hauptsächlich für Baustellen-Pendelverkehr mit einem zweiten Fahrerstand ausgerüstet. Somit war das 1968 gebaute, 1982 zum “Halbzweirichter” umgebaute und 2001 nach Wehmingen gelangte Fahrzeug über viele Jahre eine gute Möglichkeit, den für Ostdeutschland so prägenden T4D auch auf der lange Zeit nur mit Zweirichtern befahrbaren Museumsstrecke zu präsentieren. Das laute Klacken des noch mit der originaler Beschleunigertechnik ausgerüsteten T4D übertönte zeitweise auch das laute Brüllen des aus dem Wald aufgetauchten Delmenhorster Busses.


Mit der Fertigstellung der Schleife neben der Museumsstraße können nun auch Einrichter seit einigen Jahren freizügig eingesetzt werden. So wird auch der falsche Führerstand des T4D 1008 nicht mehr unbedingt benötigt. Für den Einsatz auf der derzeit eingestellten Außenstrecke, könnte der Wagen allerdings wieder nützlich werden. Wann und ob die Stichstrecke nach dem Fahrleitungsdiebstahl allerdings wieder in Betrieb geht, scheint derzeit nicht absehbar.


Der T4D 1008 bot jedenfalls die willkommene Möglichkeit, die Endstation mit dem typischen Hannoveraner Karo-Muster einmal von der Sonnenseite abzulichten. Mit den Einrichtern ist die Endhaltestelle leider immer im Gegenlicht.


Der von mir schon angedeutete moderne Nachmittag wurde vom Berliner KT4D 6016 anschließend weitergeführt. Mit Baujahr 1982 und der umfangreichen Modernisierung aus dem Jahr 1995, ist der Wagen dann vielleicht doch (noch) nicht ganz das, was man in einem Straßenbahnmuseum erwartet. Immerhin fuhren bis vor Kurzem selbst in Berlin noch die letzten Exemplare im Plandienst. Im nicht weit entfernten Magdeburg können die modernisierten KT4D aus Berlin ebenfalls von Montag bis Freitag noch im täglichen Einsatz erlebt werden, von noch deutlich originaleren KT4D im Osten Deutschlands ganz zu schweigen…


Der wie frisch aus der Lackierhalle glänzende Posener GT8 711 kam leider nicht zum Einsatz. Am Nachmittag stand er aber wunderbar im Licht an der Museumsstraße, womit ein weiterer Punkt auf der Fehlliste gestrichen werden konnte.


So war der Münchner M/m-Zug am Nachmittag mit Baujahr 1957 plötzlich der älteste Vertreter im Besucherverkehr.


Als weiterer Vertreter aus dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts durfte anschließend auch der Bremer Wegmann 3533 mit Baujahr 1976 einige Runden drehen. Den passenden Beiwagen leiß der Wegmann leider unter dem Tramport stehen. Als GT4+GB4-Zug konnte ich die Bremer in Wehmingen bislang noch nicht ablichten.


Auf die Spitze getrieben wurde die “Moderne” dann vom Amsterdamer 11G, gebaut 1990 von BN bereits mit Niederflurmittelteil. Erst 2021 schieden die letzten Exemplare in Amsterdam aus dem Planverkehr, wodurch sich Wehmingen eines der Fahrzeuge sichern konnte, um auch mobilitätseingeschränkten Personen zukünftig eine Fahrt auf der Museumsstrecke ermöglichen zu können. Mich freute es jedenfalls sehr, dass der zuvor am äußeren Gleis neben der Haltestelle auf der Museumsstraße geparkte Wagen nun noch eine Runde drehte. Das Singen der Elektronik war in Wehmingen allerdings eine völlig unbekannte Geräuschkulisse.


Nach einer Runde sägt der Wagen durch die “Spitzkehre” neben dem Tramport wieder an seinen vorherigen Parkplatz.


Einen Haken konnte ich auch noch hinter die beiden TW6000 machen. 6129 stand neben der neuen Fahrzeughalle, 6166 auf der Zufahrt zur Außenstrecke. Da 6129 wohl künftig als Ersatzteilspender dienen wird, war es schön, beide noch in “vollständig” aufnehmen zu können, auch wenn die TW6000 natürlich wenige Kilometer entfernt noch täglich im Planeinsatz erlebt werden können.

Damit ging ein wirklich abwechslungsreicher und gemütlicher Sonntag in Wehmingen zu Ende. War auf jeden Fall schön, nach längerer Zeit mal wieder vorbeigeschaut zu haben. Bis zum nächsten Besuch wird es dann hoffentlich nicht ganz so lang dauern wie zuletzt…

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