Circum Carpati VIII: Wenig los bei den Kurzgelenkwagen in Timișoara

Von Craiova geht es am frühen Nachmittag auf die lange Fahrt nach Timișoara , das wir erst am Abend erreichen sollten. Dort erwartet uns eigentlich nur weniger als beim letzten Besuch, aber für die verunstalteten Wegmänner wollen wir natürlich trotzdem vorbeischauen.


Freitag, 13. Mai 2022 II:

340 Kilometer. Das ist auf rumänischen Landstraßen schon eine Ansage, erst recht auf einen Freitag Nachmittag. Wir rechneten daher nach unserem Aufbruch von der Pasaj Elevtroputere am frühennachmittag in Craiova nicht mehr damit, heute in Timișoara noch viel zu reißen. Der restliche Tag würde eher unter Ortswechsel zu verbuchen sein. Irgendwie mussten wir schließlich mal die Kurve Richtung Norden schaffen, sollte sich die Runde doch schon am Montag in Cluj schließen. Für die lange Fahrt musste nun auch erstmal ein wenig Verpflegung her, hatten wir doch seit dem Frühstück nur Kaffee und Stückchen im McCafé gehabt. Also nach gut 30 Kilometern im nächsten ernsthaften Ort Filiași angelegt und durch die Mittagshitze in den nächsten Supermarkt. War doch schon ordentlich warm jetzt Mitte Mai. Insgesamt aber noch auszuhalten und immer wieder mussten wir an die Sommertouren 2014 und 2007 hier in Westrumänien zurückdenken – da war es wirklich kaum auszuhalten zwischen zwölf und fünf. Der Supermarktbesuch brachte reichlich Brot mit Aufschnitt, Obst, Joghurt und Trinkbares ins Auto. Am Regal mit dem Öl konnte ich aber nicht so einfach vorbeigehen. Man erinnere sich: Das war die Zeit, als die verrückten Deutschen das ganze Öl aus dem Supermarkt zum Umkippen im eigenen Keller eingelagert haben. Wer bei diesem asozialen Hamsterscheiß nicht mitmachte, hatte wochenlang kaum eine Möglichkeit an Speiseöl jeglicher Art zu gelangen. Die Supermärkte kamen dummerweise erst auf die Idee zu rationieren, als ohnehin nichts mehr da war – nach Corona müssten die ihre deutsche Kundschaft doch besser kennen… So musste ich von März bis Ende Mai die Netzwerke in Gang setzen, weil der heimische REWE wochenlang praktisch gar kein Öl mehr hatte und ich nicht die ganze Stadt danach absuchen wollte. Öl wurde regelrecht zur Hehlerware, die Preise verdreifachten sich bestimmt, was sich im Gegensatz zur Mangellage bis heute nicht geändert hat. Nun, worauf ich eigentlich hinauswill: Hier in direkter Nachbarschaft zur Ukraine, wo den Leuten vielleicht wirklich mulmig wird, bei dem was hinter der Grenze tobt, waren die Regale voll mit Sonnenblumenöl und die Preise schienen auch nicht sonderlich erhöht. Irgendwie schon ein wenig bekloppt einige Mitbürger im schönen Deutschland. Ob sich ein extra aufgegebener Koffer lohnen würde, voll mit Sonnenblumenöl, dass wir dann zuhause locker zum fünffachen Preis verticken konnten? Hier gab es den Liter schon ab umgerechnet 2€. Da bliebe bestimmt eine Rendite von 6 bis 8€ pro Flasche. Das á 20 Flaschen um die Gewichtsgrenze nicht zu reißen, wären wir schon bei 120 bis 160€. Ziehen wir das Zusatzgepäckstück für geschätzt 50€ ab, bliebe da doch ein ganz ordentlicher Gewinn übrig unterm Strich 😀
Nur die Frage, was denn die Lufthansa davon halten würde, wenn wir versuchten, mit einem Koffer voller gut brennbarer Flüssigkeit durch die Sicherheit zu kommen, hielt mich dann doch von dieser genialen Geschäftsidee ab.


Ein solches Ölregal, wie hier im Supermarkt von Filiași, wäre zu dieser Zeit in Deutschland undenkbar gewesen…

Wir suchten dann auf den nächsten Kilometern mal ein gemütliches Örtchen entlang der Straße, wo wir ein kleines Mittagessen einschieben konnten. Am Bahnhof von Butoieşti wurden wir fündig und ich manövrierte den Wagen in den Baumschatten neben dem verschlafenen Bahnhof. Wir setzten uns auf den Bahnsteig und hielten eine kleine Brotzeit. Sogleich machte uns der interessierte Bahnhofshund die Aufwartung, wohl in der Hoffnung etwas ab zu bekommen. Auch der obligatorische Bahnhofsvorsteher trat mal aus seiner Kammer um zu schauen, was denn hier abging. Wir wurden als harmlos identifiziert und nach einem freundlichen Nicken verschwand er wieder im Gebäude. Auf den Gleisen geschah ansonsten nichts. So legten wir nach zwanzig Minuten wieder ab und nahmen vorerst gestärkt die lange Fahrt unter die Räder.


Ich manövriere den Wagen nach der Mittagspause wieder vom lauschigen Bahnhof Butoieşti auf die Fernstraße 6 und werde dabei geblitzt.

Die Fahrt wurde dann wirklich lang. Insgesamt waren wir bestimmt fünf Stunden unterwegs bis Timișoara. Immerhin landschaftlich war es nicht ganz so öde wie auf den Etappen der letzten Tage. Besonders nahe der serbischen Grenze, wo es direkt an der Donau entlang geht, war die Landschaft teilweise regelrecht spektakulär. Auch mussten hier mal wieder die Ausläufer der Karpaten überquert werden, wodurch es etwas unterhaltsam wurde für den Dreizylinder. Das ist aber auch wirklich eine Unmaschine das Ding. Nicht einmal in erster Linie die Geräuschentwicklung und Laufruhe, das geht bei den modernen Aggregaten inzwischen. Aber die Leistung steht einfach in keinem Verhältnis zum Verbrauch: Wirklich unter 6 Liter war der Verbrauch nicht zu bringen und das bei hauptsächlich Landstraßengeschwimme mit gelegentlichen Überholmanövern und paar Hügeln zwischendrin. Da wäre mein 1.4er Vierzylinder aus 2014 nicht über 5,5 Liter gelegen und hätte im Ernstfall aber auch mal bisschen Leistung gehabt, ohne dabei auf 5000 Touren zu drehen. Das war nämlich als Fahrer das eigentlich nervige an diesem Antriebsstrang: Die DSG wusste mit dem 1.0er Dreizylinder irgendwie nicht richtig etwas anzufangen und wühlte dann immer wild in der Schaltkulisse, wenn man mal versuchte etwas Leistung abzufordern. Die Gänge wurden dann auch fast bis zum Anschlag ausgedreht, obwohl ab 3000 Touren eh kaum noch nennenswert mehr Vortrieb generiert wurde. Wohl auch ein Grund für den hohen Verbrauch. Sicher könnte man sich mit der DSG auch noch etwas besser eingrooven als wir alten Handschalter das taten. Aber insgesamt merkte man dem gesamten Antriebsstrang irgendwie an, dass er ausschließlich prüfstandsoptimiert war um auf dem Papier gut daherzukommen und den Flottenverbrauch zu senken. In der Praxis ist der einfach nur schwächer als die alten 1.4er Aggregate bei höherem Verbrauch und weniger Laufkomfort – genial! Ansonsten war es halt wirklich ein schönes Auto. Optisch für Skoda erstaunlich ansprechend und Innen einfach super praktisch gestaltet, ohne die derzeit VW-typischen Touch-Bedienelemente an Lenkrad und Mittelkonsole und auf den großen Touch-Bildschirm ließ sich super einfach das Smartphone spiegeln – da braucht es auch kein teures Navi. Mit den leicht ausufernden Hartplastiklandschaften muss man inzwischen ja selbst beim Premiummodell Golf leben. Auch der Kofferraum toppte meinen Leon und auch den Golf in Sachen Größe und Praktikabilität. Erstaunlich, wo das Fahrzeug doch auf der MQB A0 Plattform des Polo basiert und nicht auf der “ausgewachseneren” MQB evo, vom aktuellen Golf, Leon und A3. Das merkte man aber eigentlich nur auf den Serpentinenpassagen, von denen es auch auf dieser Etappe wieder einige gab: Zu sportlich sollte man da nicht reingehen beim Versuch auf einem dreispurigen Berganstieg zu überholen. Irgendwann wird Fahrwerk und Lenkung doch deutlich früher schwammig als gewohnt. Insgesamt hatten wir mit dem Scala aber wirklich einen schönen Wagen erwischt und so ziemlich das Beste, was mir in der Klasse als Mietwagen bislang untergekommen war. Muss man halt den 1.5er Mild-Hybrid reinkonfigurieren, dann ist das wirklich ein toller Alltagsbegleiter und durchaus kleinfamilientauglich, will man keine Passstraßen entlangräubern 😉

Nun aber genug, wir sind hier ja nicht bei AMS 😀 Aber bei der langen Fahrt blieb eben lange Zeit, sich über dies und das Gedanken zu machen. Das letzte Stück im Osten von Timișoara hätte es dann sogar Autobahn gehabt, aber der leichte Umweg von der Landstraße aus lohnte dann für die paar Kilometer auch nicht wirklich.
Mit meinen wieder vorhanden Mobildaten hatte ich zwischenzeitlich ein Hotel unweit des Gara Timișoara Est gebucht. Ganz so einfach wie die letzten Tage war das gar nicht mal, denn die Preise waren hier in der durchaus touristisch und kulturell bedeutenden Stadt deutlich höher als die letzten Tage. Daher waren wir auch mal nicht direkt am ersten Platz untergekommen, sondern hatten uns etwas außerhalb eingebucht. Von der Straßenbahn aus ist es am Gara Timișoara Est einmal über den Bahnhof und dann ein Stück die Strada Divizia 9 Cavalerie hinauf. So richtig zu empfehlen ist es aber auch nicht. Es war zwar alles modern und ordentlich, aber das Personal war doch mehr als knapp angebunden und das Frühstück am nächsten Morgen klar der Verlierer auf dieser Reise. Auf dieser Fahrt musste übrigens auch mein Messer dran glauben, dass ich stets im Rucksack dabeihabe, falls man mal ein Brot schmieren, Obst schneiden oder ähnliches muss. Nach dem Brot schmieren war das dreckige Messer dann in der Tüte vom Supermarkt gelandet, um nicht den Rucksack einzusauen. Das hatte ich nach fünf Stunden Geschaukel natürlich vergessen, als der Mitreisende vor dem Hotel fragte, ob die Tüte in den Müll könne? “Jaja, nur noch Müll drin”. Zu spät fiel mir dieser Fehler auf, denn natürlich kam dann früh am nächsten Morgen die Müllabfuhr und leerte eben jene Tonne – was denn auch sonst 😀

Nach gut fünf Stunden Fahrt sind wir endlich in Timișoara und der Scala darf sich neben dem Hotel unter den Bäumen ausruhen. Eine typisch grüne Hinterhofszene. Hoffen wir mal, dass morgen nicht unser Scala auf dem Anhänger steht uns sich irgendwo auf den rumänischen Landstraßen befindet 😀 Aber egal, wir haben uns ja Vollkasko ohne Selbstbeteiligung gegönnt 😉

Heute Abend ging es dann gleich nochmal in die Stadt. Es war schließlich schon 19 Uhr und langsam durfte schon ans Abendessen gedacht werden. Am Bahnhof ging es über die etwas klapprige Fußgängerbrücke, welche auf der anderen Seite direkt an der Straßenbahnhaltestelle herauskam. Schon nach kurzer Zeit kam der Bremerhavener Hansa-Wagen 3479 angeheult. Diese Wagen scheinen hier wirklich ewig zu leben, immerhin kamen die schon zwischen 1995 und 1998 nach Timișoara. Die Reihen der von 2001 bis 2003 übernommenen P-Wagen haben sich derweil deutlich gelichtet, die Beiwagen sind sogar vollständig abgestellt. Und die von 2002 bis 2010 übernommenen Wegmänner wurden ja bekanntlich zu diesen Armonia-Plastikbomben umgebaut. Nur die Hansa-Wagen heulen wie eh und je durch die Stadt und scheinen noch unverzichtbar. Schon wenige Wochen nach unserem Besuch gingen allerdings die ersten türkischen Multigelenker in Betrieb, sodass die Tage der Hansawagen nun doch gezählt sein dürften. Der 3479 brachte uns fast ohne weitere Fahrgäste direkt in die Innenstadt zum Piața Libertății. Dort wurde noch etwas im Dämmerlicht fotografiert, bevor wir uns Richtung Piața Unirii auf Essenssuche begaben.

Die seltsame Bremer(havener) Methodik der Türöffnung mittels auftreten der Sperre hat auch in Timișoara bis heute Bestand in den Hansawagen.


Auch wenn das Äußere der Wagen heute teils schon sehr mittgenommen wirkt, sind die Wagen besonders von Innen noch hervorragend gepflegt und auch im Hansawagen 3479 wurde reichlich neue Farbe an Böden, Wänden und Sitzen aufgebracht. Auch hier darf der VISA-Fahrscheinautomat für Einzelfahrten nicht fehlen, an dem auch wir uns kurz zuvor bedienten. Das charakteristische Heulen der Fahrmotoren, das bei uns nur noch bei Museumsfahrten erlebt werden kann, kann diese Aufnahme natürlich nicht transportieren.


Angekommen am Piața Libertății, wo das Leben schon mächtig pulsierte an diesem Freitagabend. Schade, dass man bei der Sanierung des Platzes die großzügigen Grünanlagen radikal umrasiert hat. Das ist dem Gedanken einer lebenswerten Stadt im 21. Jahrhundert irgendwie nicht so ganz würdig. Dafür wurde der MIV genauso konsequent aus diesem Innenstadtbereich verbannt, was wiederum positiv hervorzuheben ist.


Mit Tram wollte dieses Bild nicht so richtig klappen – jedenfalls nicht, als das Licht noch so schön war wie bei dieser Aufnahme. Daher eine weitere bahnfreie Ansicht des Piața Libertății.


Dann rollte auch schon der erste ehemalige Wegmann, nun zum Armonia 40 umgebaute Kurzgelenkwagen vor die Kamera. Im Grunde der einzige Grund, auf dieser Runde auch in Timișoara vorbeizuschauen. Aber irgendwie freut man sich auch immer, noch einen Hansa- oder P-Wagen zu sehen 🙂


Die Armonias sind im Betrieb schon sehr dominant. Immerhin wurden 30 der Bremer Wegmann-Triebwagen auf diese Weise rekonstruiert. Ein einziges Fahrzeug blieb mit 3525 in seiner ursprünglichen Form für den Fahrgasteinsatz erhalten. Beiwagen wurden derweil nicht umgebaut und die Armonias auch nicht für den Betrieb mit älteren Beiwagen ausgelegt, sodass es in Timișoara nun seit Jahren an ausreichend fassungsstarken Zügen mangelt. 


Eine Häuserecke weiter konnte wenig später zwischen Piața Libertății und Piața Timișoara der Hansawagen 3455 aufgenommen werden. Die schon vor über 15 Jahren eingeführte lila Wellenlackierung hat sich inzwischen auf dem gesamten Wagenpark durchgesetzt. Nur einige Vollwerbungen auf den Hansawagen durchmischen das Bild.


Wortwörtlich ein buntes Treiben zurück auf dem Piața Libertății.

Am Piața Libertății gab es irgendwie nicht so richtig etwas zu essen, außer einem überteuert aussehenden Restaurant auf der Ostseite des Platzes. Unser Instinkt trieb uns daher mal die Gassen Richtung Piața Unirii hinauf. Soweit kamen wir allerdings gar nicht, denn schon unterwegs fanden wir einen einladenden Italiener in der wuseligen Gasse, bei dem sich noch ein freier Tisch im Außenbereich fand. Mit einem ersten erfrischenden Biergebräu gab es eine Platte Büffelmozzarella mit Tomaten und Balsamico. Als Hauptspeise zum heute mal erlaubten zweiten Bier dann noch eine ebenso vorzügliche Pizza – ja heute war mal wieder Pizzatag 😀 So klang der Tag hier wirklich sehr entspannt aus nach der dann doch etwas längeren Fahrt heute am Nachmittag.

Die Dunkelheit hatte uns inzwischen eingeholt, aber wir schlenderten noch für einen Blick zum Piața Unirii hoch. Dann hätten wir das “Kulturprogramm” auch gleich abgearbeitet 😀 Ja, für ausgiebige Stadtrundgänge bleibt bei so einer Rundreise in zehn Tagen dann doch nicht ausgeprägt viel Zeit und einigen Städten taten wir damit sicher Unrecht. Das wäre dann aber eine andere Tour geworden. Sicher auch schön, aber in diesem Jahr nicht unser Anliegen.


Ein Blick auf den zentralen Piața Unirii, wo an diesem Freitagabend auch noch ordentlich Leben herrscht.


Auch hier hätten wir noch die ein oder andere einladende Lokalität für’s Abendessen gefunden. Ein freier Tisch wäre derweil schwierig geworden…


Nochmal Piața Unirii. Insgesamt fiel hier doch auf, dass wir uns wieder in einem kulturell deutlich anderen Teil Rumäniens befanden als in den letzten Tagen. Die k.u.k-Prägung war doch an vielen Stellen unübersehbar. Die Sanierung der historischen Altstadt und zentraler Plätze macht von Besuch zu Besuch weitere Fortschritte.


Dann geht es doch langsam für die Rückfahrt zurück zum Piața Libertății. Vorher bleibt aber noch Zeit für einige Nachtaufnahmen – kommt man im Mai ja nicht so oft zu bei der Sonnenscheindauer… Armonia 31 erreicht hier auf der Linie 3 die Haltestelle.


Aus etwas anderer Perspektive folgt wenig später an selber Stelle der Hansawagen 3479.

Mit einem Armonia ging es wenig später zurück zum Gara Timișoara Est. Irgendwie schon recht komische Karren. Eine komplett neue Hülle und Elektronik um einen alten Wegmann gebaut. Der Antrieb selbst hörte sich dann doch irgendwie noch verdächtig nach Alttechnik, sobald die Motoren lauter als das Singen der Elektronik wurden. In Anbetracht dessen, dass auch dies Wagen komplett hochflurig sind und nun keine Beiwagen mehr die Kapazität erhöhen können, fragt man sich schon, ob das jetzt der ganz große Wurf war…

Zurück über unsere klapprige Bahnhofsbrücke – da war wirklich jede Stufe irgendwie anders, manche bewegten sich beim Betreten auch besorgniserregend – erreichten wir bald das Hotel. In Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde ging dann auch nicht mehr viel.

Morgen geht’s dann noch auf einen Spaziergang durch Timișoara, bevor wir am Mittag den kurzen Sprung Richtung Arad unter die Räder nehmen.


Samstag, 14. Mai 2022 I:

Das Frühstück heute Morgen war wirklich etwas sehr mau. Wir waren aber auch die einzigen Gäste hier unten im Keller. Draußen schien aber schon wieder die Sonne und so verabschiedeten wir uns von diesem einmal nicht wirklich zu empfehlenden Hotel. Obwohl das Zimmer an sich sehr in Ordnung war, aber Personal und Frühstück waren schon bisschen enttäuschend. Wir schmissen nur kurz die Sachen ins Auto und liefen dann direkt wieder rüber zum Gara Timișoara Est.

Etwas mau sollte nicht nur das Frühstück gewesen sein, sondern auch der Verkehr der Straßenbahn hier am Samstag werden. Damit hatten wir aber gerechnet, denn in den letzten zehn Jahren hörte man eigentlich immer nur vom kontinuierlichen Zurückfahren der Kapazität, Flotte und Taktung. Gerade angesichts der ebenso kontinuierlichen Sanierung des Gleisnetztes wirkte das immer etwas seltsam. Aber der einzige Fortschritt im Fahrzeugpark waren diese komischen Armonias und ob das nun ein Fortschritt ist… Zumindest gibt es ja nun demnächst mit den türkischen Niederflurern dann wirklich mal den ersten richtigen Modernisierungsschub im Fahrzeugpark seit etwa 15 Jahren.

Überaus bizarr mutet derweil auch das Angebot auf den Linien an. Nicht nur äußert dünn ist der Fahrplan besonders am Samstag, alle Linien fahren auch unterschiedliche krumme Taktungen. So liefen hier am Gara de Est die Line 2 im Uhrzeigersinn von 5:23 Uhr bis 23:18 durchgängig in einem – wirklich so nachzulesen – 18-20 Minuten-Intervall, die Linie 1 gegen den Uhrzeigersinn von 5:55Uhr bis 23:09 im 22-23 Minuten Takt und die Linie 6, welche baustellenbedingt am Bahnhof aus der Stadt kommend alle 19-20 Minuten von 5:25 Uhr bis 23:18 Uhr wendete. Ich spare mir an dieser Stelle mal die Aufzählung der weiteren Absurditäten der übrigen Linien abseits des Gara de Est. Nur so viel: Das nicht vorhandene System scheint konsequent durchgezogen worden zu sein. Wer denkt sich denn so einen Blödsinn aus? 😀
Auch dass das Angebot den ganzen Tag über völlig nachfrageunabhängig einfach gleich bleibt. Aber ich glaube hier näher drüber nachzudenken um irgendeinen Sinn zu finden wäre verschwendete Zeit. Überhaupt ist das Liniennetz von Timișoara mit den zwei Ringlinien 6 und 7, von denen letztere die Innenstadt überhaupt nicht erreicht, recht unübersichtlich. Zusätzlich wenden dann noch die Linie 1 und 2 gegenläufig in dem großen Ring über den Gara de Est. Mit der Linie 9 gibt es auch noch eine zweite Linie, welche vom Gara de Nord nach Ciarda Roșie die Innenstadt nicht erreicht, sondern einen großen Bogen von Nordwest nach Südost schlägt. Alles etwas unübersichtlich, dass schaut sich besser jeder selbst auf der Karte an. Einen schematischen Plan gibt es auch auf der Betreiberwebsite ratt.ro. Dort sind auch die absurden Intervalle zu finden.

Von einer Tageskarte oder überhaupt mehreren Mitfahrten sahen wir also ab bei dem Takt. So viel Zeit wollten wir hier auch nicht lassen heute und den Nachmittag lieber noch an der Überlandstrecke in Arad verbringen. Wir marschierten also einfach zu Fuß los. Einziger “richtiger” Punkt auf der Liste waren ohnehin nur paar Bilder von den “neuen” Armonias. So schleppten wir uns im Laufe des Vormittages einmal quer durch die Stadt vom Gara Timișoara Est, über Piața Traian, Piața Libertății, Piaţa Timişoara 700, Catedrala Mitropolitană über die Bega zum Piața Sfanta Maria und weiter bis zum Nordbahnhofsabzweig bei Regele Carol, sodass wir schließlich fast alle Linien gesehen hatten und einen ganzen Teil des Auslaufs kannten.


Wir starten unseren Spaziergang am Gara Timișoara Est, wo im Uhrzeigersinn die Linie 1 im 22-23 Minuten-Takt verkehrt und den Armonia 47 vorbeischickt. Links wendet derzeit wohl baustellenbedingt die Linie 6 alle 19-20 Minuten, welche normalerweise einen großen Ring durch und südlich der Innenstadt dreht.


Am Piața Badea Cârțan mit der großen Markthalle befindet ein ehemaliges Depot der RATT. Wann genau es zum Museumsdepot umgebaut wurde. müsste man recherchieren. 2007 waren an dieser genialen Gleisharfe mit Einzungenweichen jedenfalls noch ganz normal Fahrzeuge für den Regelbetrieb anzutreffen.


Auch an Hansawagen 3426 geht die Zeit nicht spurlos vorbei. Irgendwann ist dem Rost am Dach kaum noch Einhalt zu gebieten. Hier hält der Kurzgelenkwagen an der Haltestelle Piața Badea Cârțan Richtung Gara de Est. Damit hätten wir auch die alle 18-20 Minuten verkehrende Linie 2.


In Gegenrichtung hat Hansawagen 3466 die Haltestelle Piața Badea Cârțan Richtung passiert. Nach links geht es hier zu den beidseitig der Straße gelegenen Depotanlagen.


Rechts des Bildrandes befindet sich hier die große Markthalle am Piața Badea Cârțan. Anschließend wird von Hansawagen 3450 die Bega überquert. Die “Rammbohlen” an der Front einiger Hansawagen dienen der Montage von Schneepflügen.


Hinter der Begabrücke rollt Armonia 21 auf den Piața Traian zu.


Angekommen am Piața Traian. Noch nicht alle Fassaden des großen Platzes sind saniert. Da stützt man sich besser an einer Laterne ab 😉


Der Piața Traian bietet aber auch durchaus schöne Anblicke. Hier schließt sich auch der Ring der Linien 1 und 2 über den Gara de Est wieder. Die Linie 2 fährt hier nach rechts, die Linie 1 auf uns zu.


Zusätzlich fährt und kommt die Linie 6 hier derzeit nach und von rechts und wendet am Gara de Est, hier besetzt mit Armonia 10, während auf der 1 Armonia 47 durchkommt.


Die ohnehin schon recht langsame Fahrt in Timișoara wird durch die vielen nicht funktionierenden Weichen nicht eben beschleunigt. So muss auch der Fahrer der nächsten 6 die Weiche für die direktere Fahrt zum Gara de Est schmeißen. Normalerweise würden die Linien 6a und 6b hier von links kommen bzw. dorthin fahren auf ihrer Ringstrecke durch und südliche der Innenstadt. Auch die Linie 4 würde aus der Innenstadt kommend diesen Weg nehmen. Allerdings wurde die Strecke nach links baustellenbedingt nicht befahren. Jedenfalls zwischen Banatim und dem Piața Gheorghe Domășneanu auf der Calea Stan Vidrighin befand sich die Strecke auch gut sichtbar in der Generalsanierung.


So müssen wir uns weiter mit den Linien 1, 2 und 6 begnügen. Wir folgen der Strecke weiter Richtung Piața Libertății. An der Haltestelle Parcul Poporului kommt Armonia 34 entgegen.


Zwischen den Haltestellen Parcul Poporului und Prefectura Judetului Timis wird erneut die Bega überquert, diesmal auf der deutlich hübscheren Pordul Decebal, auf der ein weiterer Armonia entgegenkommt.


Nach Ploieşti und Craiova hat so eine “richtige” Innenstadtstrecke wie in Timișoara auch mal wieder etwas für sich. Kurz nach dem Continental Hotel werden vor dem Piața Libertății noch diese repräsentativen Gebäude passiert. Mit Wagen 17 kommt schon wieder einer der auf diesen drei Linien doch sehr präsenten Armonias entgegen. Auf den die Innenstadt teils meidenden Linien schien der Altwageneinsatz etwas höher. was aber auch Zufall gewesen sein könnte. Auch ein P-Wagen konnte dort noch angetroffen werden.


Gleich erreichten wir den Piața Libertății. Vorher kommt aber noch Armonia 21 entgegen. Die Fahrzeuge wiederholten sich jetzt auch sehr bald auf den drei Linien 1, 2 und 6.


Angekommen auf dem gerodeten und gleichzeitig vollständig vom Autoverkehr befreiten Piața Libertății. Noch nicht alle Fassaden am Platz konnten saniert werden.


So sind durchaus noch einige morbide Ansichten des Platzes möglich, wie auch gestern Abend schon in die andere Richtung. Hier passiert Armonia 10 den Piața Libertății.


Bei den drei heute auf diesem Linienbündel angetroffenen Hansawagen 3466, 3450 und 3426 war es dann aber auch nicht wirklich schade, wenn die nicht so häufig vorbeikamen. Das waren wirklich drei der schrecklichsten Exemplare mit den wenig inspirierten und auseinanderfallenden Vollwerbungen. Letzteren der drei haben wir hier nun auch einmal vor der Kamera. Zumindest hat dieser keine “Rammbohle” an der Front.


Hinter dem Piața Timișoara 700 sind wir nach Süden abgebogen und folgen weiter den Linien 1, 2 und 6 Richtung Piața Sfanta Maria. Die eigentlich schon am Piața Timișoara 700 aus Torontal dazustoßende Linie 7 verkehrte hier irgendwie auch nicht. Stattdessen stießen wir erst am Piața Sfanta Maria auf die Linie 7, welche wohl ausschließlich den großen Ring im Südwesten zu bedienen schien und die Strecke nach Torontal aus irgendeinem Grund ausließ. Vielleicht eine weitere Baustelle? Auf dem Weg zum Piața Sfanta Maria trafen wir am Piața Regina Maria erstmal auf den Trolleybus, der inzwischen vollständig von modernen Niederflurbussen bedient wird, wie diesem Skoda auf der Linie 14.


Auf der Linie 7 kommt derweil mal wieder Armonia 11 durch. Bei einigen der Armonias sollte man auch nicht zu genau hinschauen, gerade an den Frontpartien. Plastik lässt sich eben nach leichten Unfällen schlecht wieder zurechtbiegen. Entweder man tauscht dann das gesamte Kunstoffelement, oder spachtelt es irgendwie zurecht, was bei einigen Exemplaren schon in größerem Maße geschehen war. Armonia 11 sieht dagegen noch sehr passabel aus.


Bevor es an der Catedrala erneut über die Bega geht, noch ein Blick zurück Richtung Innenstadt auf den Piața Victoriei.


Wir haben die Bega zum dritten Mal überquert und blicken nun vom Bulevardul 16. Decembrie 1989 Richtung Piata Sfanta Maria. Dort entdecken wir dann auch die vermisste Linie 7, auf der Hansawagen 3451 gleich auf seiner Ringfahrt durch den Südwesten der Stadt in Fahrtrichtung rechts abbiegen wird.


Vor dem prächtigen Palatul Apelor warten wir aber noch den nächsten Armonia auf der Linie 2 ab.


Dann begeben wir uns zum Abzweig am Piața Sfanta Maria, wo wir auf die beiden neuen Linien 7 und 8 treffen. Unvermittelt kommt bei der Aufnahme von Hansawagen 3474 auf der Line 7, von hinten der P-Wagen 2013 auf der 8 daher.


Die P-Wagen machte sich zumindest am Wochenende sehr rar, sodass zu einem Sprint auf die andere Seite der Haltestelle angesetzt werden musste. Dort konnte der P-Wagen 2013 beim Abbiegen in die Strada Gheorghe Doja aufgenommen werden. Gestern am Freitagabend waren schon allein auf dem Linienbündel 1, 2 und 6 in der Innenstadt zwei P-Wagen unterwegs gewesen. Heute blieb 2013 zumindest der einzige, den wir auf unserem Streifzug ausfindig machen konnten.


Nochmal ein Armonia, diesmal neben der Seitenfassade des Palatul Apelor am Piața Sfanta Maria.


Wir liefen geradeaus weiter noch bis zum Abzweig zum Gara de Nord, wo wir dann auch noch auf die Linie 9 trafen, welche wie die Linie 7 und 8 die Innenstadt komplett meidet und einen großen Bogen vom Gara de Nord durch den Westen in den Südosten schlägt. Hier biegt Hansawagen 3472 auf der Linie 9 vom Gara de Nord kommend nach Westen ab.

Linienmäßig hatten wir jetzt alles gesehen was derzeit betrieben wurde. Die Umläufe der 7, 8 und 9 hatten wir natürlich noch längst nicht rum, aber so lange wollten wir uns hier jetzt auch nicht aufhalten. Vielleicht wäre noch ein weiterer P-Wagen aufgetaucht, oder gar der letzte originale Wegmann, welcher zu dieser Zeit noch immer im Fahrgasteinsatz stand. Insgesamt war es dann aber irgendwie doch wenig spannend, wenn man das alles noch mit Hansa-, Wegmann- und P/p-Hängerzügen kennt, aufgelockert von den letzten Karlsruher und Düsseldorfer GT6 und den Karlsruher und sogar noch Frankfurter GT8. Insgesamt ein wenig enttäuschend, was auch am sehr dünnen Takt gelegen haben mag, der hier an einem Samstag geboten wird. Aber auch unter der Woche ist das höchste der Gefühle ein 11-13 Minuten-Intervall auf der Linie 8. Im Durchschnitt des Takt-Wirwars wird dann wohl etwa alle 15 Minuten gefahren.

Wir nahmen dann den nächsten, bei dem Takt natürlich gut gefüllten Armonia umsteigefrei zurück Richtung Gara de Est. Zu Fuß wären wir geradeaus durch die Innenstadt wohl kaum viel langsamer gewesen 😀 Das ging hier wirklich in einer Tiefenentspanntheit ab… da ist man froh, wenn man das nicht täglich auf dem Arbeitsweg nutzen “darf”. Zurück am Auto wollte ich dann aber doch noch dem einzige heute gesichteten P-Wagen auf der Linie 8 auflauern, sodass es nochmal durch die Randbezirke der Stadt zur Schleife Ciarda Roșie im Südosten hinüber ging. Dabei passierten wir dann auch die schon erwähnte Großbaustelle auf der Calea Stan Vidrighin. Von der Schleife fuhren wir mal die Linie 8 hoch, wo leider etwas früh der P-Wagen entgegenkam, sodass uns nur die Flucht zurück zur Endschleife blieb. Dummerweise hing hier nun genau für die fünf Minuten des P-Wagen-Aufenthalts eine nervige Wolke vor der Sonne. Aber was soll’s, wir hatten hier eigentlich auch schon genug P-Wagen, auch noch als P-/p-Züge – dann eben nicht.


Erst als der P-Wagen 2013 aus der Schleife Ciarda Roșie zur Haltestelle vorrückte, kam dann wieder die Sonne raus. Optimal stand die dann natürlich nicht an der Haltestelle, aber das muss dann eben als voraussichtliche Abschiedsaufnahme der P-Wagen in Timisoara genügen. Dahinter guckt schon der Hansawagen 3457 auf der Linie 9 um die Ecke. Irgendwie waren auf diesen Linien die deutlich schöneren Wagen unterwegs heute. Hätten wir das mal vorher gewusst.


Mit Armonia 43 auf der Linie 6 ist dann das Linientrippel an der Endschleife Ciarda Roșie komplett, ebenso wie unser Besuch in Timișoara.

Damit endete gegen halb zwei unser Besuch in Timișoara. Über unseren etwas enttäuschenden Eindruck über den Betrieb auf dem erfreulich weit sanierten Netz habe ich ja nun schon genug Worte verloren. Vielleicht kommt mit den neuen Niederflurwagen auch in diese Geschichte wieder etwas mehr Schwung?! Allerdings dürfte damit bei einem nächsten Besuch vielleicht auch die westdeutsche Kurzgelenkwagen-Bonanza Geschichte sein, abgesehen von den als Armonia verkleideten Wegmännern. Natürlich waren wir auch bisschen selber schuld daran, hatten wir den Besuch hier doch auf das Wochenende gelegt. Aber irgendwas musste bei dieser Reise eben auf die zwei Tage Wochenende fallen, je nachdem, ob man die Fahrt im oder gegen den Uhrzeigersinn macht. Anders herum hätte es dann wohl Brăila und vor allem Iaşi erwischt, was für uns der deutlich höhere Preis und im Grunde ein Ausschlusskriterium für “gegen den Uhrzeigersinn” war. So mussten wir dann eben in Timișoara und Arad in den sauern Apfel des Wochenendes beißen. Das stellte sich im Nachhinein allerdings als nicht wirklich schlimm heraus, denn hier fehlten uns jeweils nur die neuesten Fahrzeuggenerationen, mit denen man ja auch am Wochenende rechnen kann und der wenige Straßenverkehr am Sonntagmorgen, sollte morgen früh in Arad sogar richtig Spaß machen.

Für uns ging es jetzt die kurze Etappe nach Arad hinüber, wo wir den Nachmittag noch für die Überlandlinie nach Ghioric und paar Lücken im Netz und Fahrzeugpark nutzen wollen.

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