Auf 760mm durch die Rhodopen II: Durch die Chepino-Schlucht bis Konstandovo

Insgesamt 15 Kilometer folgt die Rhodopenbahn hinter dem Bahnhof von Varvara der engen Chepino-Schlucht, mit zahlreichen Brücken, Stützmauern und Tunnels. Bis ins 26 Kilometer entfernte Kostandovo überwindet die Strecke dabei rund 520 Höhenmeter.


Zur groben Übersicht zunächst noch einmal die Gesamtstrecke der Rhodopenbahn im Überblick.

In diesem Teil der Reise befinden wir uns auf dem Abschnitt zwischen Varvara und Dolene in der Chepino-Schlucht.

Bis Varvara verlief die Strecke der Rhodopenbahn auf den ersten sechs Kilometern recht unspektatulär. Mit dem Einbiegen in die Chepino-Schlucht, unmittelbar hinter dem Bahnhof von Varvara, ändert sich dies allerdings abrupt. Schon nach wenigen Metern überquert die Strecke auf einer Brücke erstmals die ebenfalls der Schlucht folgenden Straße und den namensgebenden Fluss Chepinska. Die ursprüngliche Brücke wurde an dieser Stelle vor wenigen Jahren ersetzt. Sie bestand aus einem gemauerten Vorbogen mit einem nur einspurigen Durchlass für den Straßenverkehr und einer darauf abgestützen Stahlträgerbrücke. Die heutige Brücke überspannt sowohl die nun zweispurige Straße, als auch den Fluss in nur einem Brückenelement, welches zusätzlich von einer neuen Stütze im Fluss getragen wird.
Anschließend folgt die Strecke in engsten Kurven dem Verlauf des Chepinksa und durchfährt immer wieder kurze Tunnels. Nach rund vier Kilometern wird der Haltepunkt Marko Nikolov erreicht. Schon die Zuwegung zum Haltepunkt gestaltet sich äußert ungewöhnlich, über eine schmale Hängebrücke, die den Chepinska überspannt. Der Haltepunkt selbst besteht dann aus kaum mehr als einer rund zehn Meter langen, angedeuteten Bahnsteigkante. Nichts deutet für Unwissende darauf hin, das sich hier ein Bahnhaltepunkt befindet, allerdings werden sich Unwissende wohl auch garnicht erst hierher verirren.

Unmittelbar hinter Varvara überspannt die erste Brücke den Chepinska und die Straße. Am Vormittag des 18. Mai 2019 rollt 77 009-9 nach Varvara hinab. Leider lief der Vormittagskurs von Velingrad hinab nach Septemvri, immer mit den gleichen vier orange-weißen Wagen, von denen ausgerechnet jener direkt hinter der Lok auf der Sonnenseite eine “Verzierung” trug. Ansonsten waren aber alle Wagen frei von Schmierereien und machten einen recht gepflegten Eindruck.


Der Zugang zum Haltepunkt Marko Nikolov gestaltet sich recht ungewöhnlich. Nichts deutet darauf hin, dass auf der anderen Seite des Ufers der Zustieg in die Züge der Rhodopenbahn möglich ist.


Und so stellt sich die Szenerie auf der anderen Seite der Brücke dar. Zwischen dichtem Grün bahnt sich die Henschel-Lok 75 008 ihren Weg zum Haltepunkt, auf den wenige Meter weiter lediglich eine kurze angedeutete Bahnsteigkante hindeutet. Neben dem Betonmasten links vom Zug hat einer der nicht unüblichen Streckenwanderer dem Großdiesel Platz gemacht. Neben der viel befahrenen Straße, läuft es sich, bei nur vier Zugpaaren am Tag, auf der Bahntrasse doch deutlich ruhiger, zudem sich nahende Züge rechtzeitig durch ihr infernales Brüllen ankündigen…

Das Fotografieren gestaltet sich in der Chepino-Schlucht nicht ganz einfach: Durch die wenigen Zugbewegungen am Tag gibt es, wie an der ganzen Strecke, Motive welche den ganzen Tag über nicht im rechten Licht stehen, da in diesem Zeitraum schlicht kein Zug in die benötige Richtung verkehrt. Auch das Ablichten der zahlreichen Tunnelportale unmittelbar neben der Straße, gestaltet sich bei dem dichten Verkehr aus Autos, Bussen und LKW alles andere als einfach. Zum einen gesellen sich eben jene Fahrzeuge allzu oft in den Vordergrund, zum anderen stellt der dichte Verkehr auch eine nicht unerhebliche Gefahr für den Fotografen selbst dar, abgesehen davon, dass man auch das eigene Gefährt an besagten Stellen nur schwer loswird. So gelang es mir während meines Aufenthaltes nicht, eines der Tunnelpotale ansprechend abzulichten. Ein Punkt auf der Liste für einen weiteren Besuch…

Ein absolutes Highlight folgt nach rund 14 Streckenkilometern unmittelbar vor dem Haltepunkt Tsepina. Auf einer Stützmauer fährt die Bahn dicht an den Felsen gedrängt direkt über dem Chepinska. Zwischen dichtem Grün ragen zu allen Seiten steinerne Felswände in die Höhe und die Straße befindet sich abseits der Szenerie auf der anderen Seite der Schlucht. Wenige Meter weiter wird der ehemalige Bahnhof Tsepina erreicht, welcher mit seinem schmucken Empfangsgebäude heute nur noch unbesetzter Haltepunkt ist.


Mein persönliches Highlight aus der Chepino-Schlucht ist die Aufnahme von 75 008 am Nachmittag des 18. Mai 2019 auf der Stützmauer über dem Chepinsko, kurz vor dem Haltepunkt Tsepina. Das Auto konnte hier am Bahnhofsgebäude von Tsepina abgestellt und die wenigen Meter an die Leitplanke gequetscht zurück gelaufen werden. Am Motiv selbst erlaubt dann ein Vorsprung über dem Fluss das sichere Stehen hinter der Leitplanke, abseits des dichten Verkehrs. Die Aufnahme selbst war derweil eine Zitterpartie: Im Sekundentakt ging das Licht an und aus, war der Felsen im Hintergrund beleuchtet und der Vordergrund dunkel. Bei Zugdurchfahrt war es dann zum Glück umgekehrt und die Freude riesig!


Für den zum Haltepunkt degradierten Bahnhof Tsepina kommen in beide Fahrtrichtungen passende Züge: Am Vormittag des 18. Mai 2019 rollt 77 009-9 hinab Richtung Septemvri…


…und rund drei Stunden später kommt die Lok mit ausgetauschtem Zug zurück in Richtung Velingrad.


Einige Kurven weiter Richtung Velingrad wechselt die Strecke wieder die Talseite und ermöglicht am Vormittag Aufnahmen der Talfahrer. Am 18. Mai 2019 rollt 77 009-9 mit dem ersten Zug bei Tageslicht zwischen Dolene und Tsepina hinab Richtung Septemvri.

Etwa bei Streckenkilometer 18 knickt der Chepinska in westliche Richtung ab. Im Gegensatz zur Straße, folgt die Rhodopenbahn zunächst dem Fluss und nutzt das weiter werdende Tal mit einem großen Schwenk über den Bahnhof Dolene zum Höhengewinn. Erst bei Streckenkilometer 32 wird die von nun an immer deutlich höher verlaufende Strecke im Bahnhof Kostandovo wieder auf die Straße treffen. Zum Bahnhof Dolene führt derweil nur eine unbefestigte Straße im Tal des Chepinsko, für die mein Mietwagen leider denkbar ungeeignet war. Ein Vorhaben für einen nächsten Besuch ist daher schon jetzt, beim nächsten Mal eine Art Toyota RAV 4 oder ähnliches zu mieten, um auch die zahlreichen unbefestigten Nebenstraßen befahren zu können. Abseits der Fernstraßen und den Hauptstraßen in den Orten, sind hier in der Provinz die Straßen durchgehend unbefestigt und bestehen aus einem wahlweise staubigen oder matschigen Schotter-Sand Gemisch. Auch in den Orten ist in der Regel nur die Hauptstraße bedenkenlos befahrbar, ansonsten kann man in den Schlaglöchern schonmal problemlos einen ganzen Kleinwagen versenken. Besonders heikel wird die Sache nach ergiebigen Regenfällen, die während meines Besuches nicht die Ausnahme waren. Ob es sich dann um eine flache Pfütze handelt, oder einen Meteoritenkrater der ganze Fahrzeuge verschluckt und nicht wieder Preis gibt, lässt sich hinter dem Steuer schlichtweg nicht erahnen…
Lange Rede kuzer Sinn: Zum Bahnhof von Dolene schaffte ich es leider während meines Besuches nicht, da es sich auch zeitlich nie Anbot, eine Wanderung zu unternehmen oder einen Zug dorthin zu besteigen.
Kurz bevor die Strecke allerdings nach Dolene abknickt, bietet sich allerdings noch eine Stelle, an der die Strecke einige Meter abseits der Straße verläuft.


77 009-9 ist am Vormittag des 16. Mai 2019 zwischen Dolenen und Tsepino in Richtung Septemvri unterwegs. Unmittelbar hinter dem Zug knickt die Strecke ins Seitental nach Dolene ab.


Die selbe Stelle bietet sich auch am Nachmittag für bergwärts fahrende Züge an. Unter lautem Gebrüll zieht 75 008 ihren Zug Richtung Velingrad.


Einige Schritte um die Ecke herum nach Dolene, entstand am 18. Mai 2019 eigentlich nur ein “Notschuss” auf 75 006 Richtung Septemvri, der mir im Nachhinein aber doch ganz gut gefiel.


Von Dolene nach Kostandovo

Weiter geht die Reise von Dolene bis zum Ende der ersten Steilstrecke in Kostandovo.

Rund die Hälfte der ersten Steilstrecke von Varvara bis Kostandovo haben die Züge in Dolene überwunden. Bis Konstandovo geht es nun noch weitere 250 Höhenmeter hinauf. Gleich vier mal holt die Strecke durch kleine Seitentäler aus, um die nötige Höhe zu gewinnen. Von der Straße aus ist die Bahn in diesem Abschnitt nicht zu erahnen, lediglich das Pfeifen und das Dröhnen der Motoren verrät, das sich hier in unwegbarem Gelände eine Eisenbahn befindet. An mehreren Stellen verlaufen unbefestigte Straßen oder kleine Pfade von der Straße hinauf zur Bahntrasse. Die Satellitenbilder verrieten mir, dass unmittelbar vor dem ersten Schwenk in ein Seitental von Dolene aus, die Vegetation etwas dünner sein könnte und so lief ich an dieser Stelle am letzten vollen Tag meines Besuches die kurze Strecke von der Straße, einen Pfad hinauf zur Bahntrasse. Tatsächlich ergaben sich hier gleich mehrere Möglichkeiten und so lief ich auch am folgenden Vormittag der Abreise noch einmal zu diesem Abschnitt hinauf, um noch eine weitere Motivvariante umzusetzten.


Ein sandige Piste führt zwischen Dolene und Kostandovo von der Straße zur deutlich höher gelegene Bahntrasse hinauf und kreuzt eben jene auf dem Weg zu einem kleinen Hof in den Bergen.


75 008 ist am 19. Mai 2019 mit dem Vormittagszug nach Septemvri unterwegs. Kurz hinter dem Übergang hielt der Zug kurz an und ließ Mutter und Tochter des nahe gelegenen Hofes auf freier Strecke aussteigen. Für die Landbevölkerung ist die Rhodopenbahn eben noch ein unverzichtbares Verkehrsmittel.


Einige Kurven weiter ist 77 009-9 in Gegenrichtung unterwegs. Da am Vormittag in Dolene eine Zugkreuzung stattfindet, kommt hier in beide Richtungen mit etwa 15 Minuten Pause ein Zug. Die zahlreichen Kurven erlauben dabei zur gleichen Zeit Motive in beide Fahrtrichtungen.


Bei den Lokpersonalen war ich natürlich nicht unentdeckt geblieben, wie ich fünf Tage lang immer wieder an verschiedensten Stellen der gesamten Strecke auftauchte und so wurde ich, wie hier am nächsten Vormittag an selber Stelle, nicht selten mit einem freudigen Hupen und einem Gruß aus dem Fenster bedacht.


In Gegenrichtung war an diesem Vormittag 75 006-7 auf dem Weg Richtung Septemvri unterwegs.

Meine nächste Anlaufstelle an der Strecke war erst wieder der Bahnhof von Kostandovo, welcher sich ungefähr vier Kilometer vom eigentlichen Ort entfernt befindet. Kostandovo markiert das Ende dieser ersten Steilstrecke und die Strecke erreicht die Hochebene von Velingrad. Während die Züge im südlichen Abschnitt Richtung Dobrinishte dreimal täglich in Yakoruda kreuzen und einmal in Belitsa, verschiebt sich die Kreuzung im nördlichen Abschnitt den ganzen Tag über von Dolene über Kostandovo nach Velingrad, sodass in Kostandovo am frühen Nachmittag eine Zugkreuzung stattfindet. Der Bahnhof verfügt im Gegensatz zu den meisten anderen allerdings nicht über ein sonderlich fotogenes Bahnhofsgebäude, sodass hier nur im Vorbeifahren ein Bild des Vormittagszuges Richtung Septemvri entstand.

Damit erreichen wir das Ende unseres heutigen Reiseabschnittes. Im nächsten Teil geht es dann über die Hochebene von Velingrad bis in den Süden der Stadt, die den Beginn des nächsten Steilabschnittes nach Avramovo hinauf markiert.


Ein einzelner Fahrgast verlässt in Kostandovo am Morgen des 16. Mai 2019 den von 77 009-9 gezogenen Zug Richtung Septemvri.

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