Streckenportrait: Die Rhodopenbahn II – Von Septemvri nach Varvara

Nach der Vorstellung des Rollmaterials der Rhodopenbahn im ersten Teil dieses Streckenportraits, geht es heute auf dem ersten Streckenabschnitt von Septemvri bis nach Varvara. Im für die Rhodopenbahn wichtigen Bahnhof Septemvri mit seinem Betriebswerk sehen wir uns dabei etwas genauer um.


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Bahnhof Septemvri
Septemvri – Varvara
Bahnhof Varvara

Zur groben Übersicht zunächst noch einmal die Gesamtstrecke der Rhodopenbahn im Überblick. Wir befinden uns nach dem vorherigen Teil am Bahnhof Varvara am Beginn der Cepino-Schlucht.


Bahnhof Septemvri

Septemvri liegt an der Hauptstrecke von Sofia nach Burgas ca. 100 Kilometer südöstlich von Sofia auf einer Höhe von nur 238 m.ü.M.. Direkt südlich an die Bahnhofsanlagen der Vollbahn schließen sich hier die Gleisanlagen und der Bahnsteig der auf 760mm Schmalspur verkehrenden Rhodopenbahn an.

Eröffnet wurde der Schmalspurbahnhof Septemvri mit dem ersten Streckenabschnitt von Septemvri – damals noch Sarambey – nach Dolene, im Jahr 1922, nachdem erste Ideen für eine Schmalspurbahn in das Rhodopengebirge bereits Anfang des 20. Jahrhunderts aufkamen. Im Jahr 1920 wurde nach den Plänen des in Deutschland ausgebildeten Ingenieurs Stoyan Mitov mit den Arbeiten begonnen, nachdem zwei andere Ingenieure zuvor an der Aufgabe einer Linienführung durch die anspruchsvolle Cepino-Schlucht gescheitert waren. Der erste Weltkrieg und die schwierigen Arbeitsverhältnisse mit einfachstem Werkzeug in der Cepino-Schlucht, verzögerte jedoch die Umsetzung der Linie, sodass der Betrieb von Septemvri zunächst im Jahr 1922 nur bis Dolene aufgenommen werden konnte. Erst am 2. August 1926 wurde der Betrieb weiter bis nach Ladzhene-Kamenitza (heute Velingrad) aufgenommen.

Der Bahnhof Septemvri selbst zeichnet sich durch seine umfangreichen schmalspurigen Gleisanlagen mit angeschlossenem Betriebswerk aus. Das Betriebswerk Septemvri ist mittlerweile das einzige an der Rhodopenbahn, während in früheren Zeiten auch in Bankso Lokomotiven stationiert und gewartet wurden. Entsprechend groß sind die hiesigen Anlagen mit großen “Friedhofsbereichen” und mehreren Werkhallen.
Für den einst bedeutenden Güterverkehr gab es zahlreiche Rangier- und Abstellgleise mit mehreren Portalkränen insbesondere zum Umladen von Holz von Schmalspur- auf Regelspurwaggons.

Lediglich vier Züge verlassen nach den Fahrplänen der vergangenen Jahre täglich den Schmalspurbahnhof von Septemvri mit dem Ziel Dobrinishte. Weitere Ein bis zwei Regionalzugpaare werden zusätzlich bis Velingrad, Tsvetino oder Avramovo geführt. Fahrplanlage und Ziel dieser Regionalzüge änderten sich in den vergangenen Jahren mehrmals. Die vier Langläufer bis Dobrinishte fahren meist mit einem Abstand von etwa vier Stunden, womit die Betriebszeiten der Rhodopenbahn ungewöhnlich lang ausfallen. Die Abfahrtszeit des ersten Zuges lag beispielsweise im Fahrplan von 2019 um 02:20 Uhr und lässt bereits erahnen, dass es sich bei der letzten 760mm Schmalspurstrecke Bulgariens keinesfalls um eine reine Touristen- und Ausflugsbahn handelt. Vielmehr ist die Bahnstrecke für einige hundert Bewohner der entlegenen Dörfer in den Rhodopen eine wichtige Verbindung zur Außenwelt. Der Versuch der bulgarischen Staatsbahn BDŽ im Jahr 2012 ausgerechnet die für die Bevölkerung wichtigen Verbindungen in Tagesrandlage zu streichen, stieß auf erheblichen Widerstand und wurde schließlich wieder fallen gelassen. Die versuchte Streichung ausgerechnet dieser Verbindungen wurde auch als Versuch gedeutet, die Fahrgastzahlen noch weiter zu senken, um eine Einstellung der Linie zu rechtfertigen.

So verkehrt noch heute, für eine Schmalspurbahn zu ungewöhnlichen Zeiten, jeweils ein Zug ab Septemvri in den frühen Morgenstunden, welcher Dobrinishte nach fast fünf Stunden Fahrt zur Frühstückszeit erreicht. In Gegenrichtung erreicht der letzte Zug Septemvri erst in den späten Abendstunden.
Für Fotografen ist diese weite Streckung der vier Zugpaare mit einem jeweiligen Abstand von rund vier Stunden natürlich eher ungünstig und so verlässt nach dem Nachtzug erst am frühen Vormittag wieder ein Zug den Bahnhof Septemwri.

Sehen wir uns zu Beginn der Reise etwas im Bahnhof von Septemvri um.


Der Schmalspurbahnhof von Septemvri liegt am Ende der Bahnhofsunterführung südlich des Regelspurteils.


Der Frühzug aus Dobrinishte übernachtet in Bansko und hat am 18. Mai 2019 nach fast fünfstündiger Fahrt Septemvri erreicht. Kaum ist er eingefahren, fährt auch schon eine der Kambarka TU-7 an die vier Wagen und setzt diese ins Nebengleis, wo sie gereinigt und für ihre nächste Fahrt vorbereitet werden, während 77 009-9 für die nächste Fahrt Richtung Dobrinishte eine bereits vorbereitete Wagengarnitur bereitgestellt wird. Umsetzten müssen die Loks aufgrund dieses Procederes in Septemvri in der Regel nicht, sondern fahren lediglich für die Vorbereitung auf den nächsten Umlauf in den Betriebsbereich des Bahnhofes zurück um sich erst nach weit über einer Stunde Pause wieder vor die bereitgestellten Wagen zu setzen.


Das Rangierdiesel stellt wenig später die bereits vorbereiteten vier Wagen an den Bahnsteig und schiebt anschließend die anderen vier Wagen in das Reinigungsgleis. Für die Reinigung der meist zwei bis fünf Wagen starken Züge, stehen in Septemvri mindestens zwei Reinigungskräfte bereit, die sich in den unfassbar aufgeblasenen Personalapparat des Staatsbetriebes einreihen.


Die Zieltafeln an den Wagen werden nach jeder Fahrt im Zuge der Reinigung und Vorbereitung des Zuges umgedreht. Wie so oft sind auch hier beide Schriftbilder nebeneinander vertreten.


Alle Züge auf der Rhodopenbahn tragen eigene Namen, wobei für Hin- und Rückfahrt einer Garnitur jeweils der gleiche Name gilt. Entsprechend viele Wagentafeln finden sich am 3. Februar 2024 in Septemvri für die Besteckung der Züge.


Am Nachmittag des 18. Mai 2019 wurde die Henschel 75006-7 kurz nach Ankunft in Septemwri bereits ihrer Wagen beraubt und fährt wenig später in die Abstellgruppe. Zahlreiche abgestellte Güterwagen zeugten 2019 noch von den rund 20 Jahre vergangenen Zeiten, in denen der Güterverkehr noch fester Bestandteil Rhodopenbahn war.


Am Bahnsteig in Septemvri ist der Wagenpark für den Mesta am 5. Februar 2024 schon bereitgestellt und wartet nur noch auf eine passende Zugmaschine für die am frühen Nachmittag startende Tour.


Die Henschel 75008 wird in Septemvri am 3. Februar 2024 vor den drei Wagen langen “Rila” nach Dobrinishte gesetzt. Fast fünf Stunden Fahrt liegen mit Abfahrt um 16:25 Uhr und Ankunft um 21:10 Uhr vor der Maschine und den drei Wägelchen. Den Großteil davon wird es im Februar durch die Dunkelheit gehen.


Verantwortlich für den Verschub in Septemvri ist in der Regel die eine der Kambarka TU-7. Am 5. Februar 2024 wartet 71008 am Ende des mit einer Grube ausgestatteten Wartungs- und Reinigungsgleises auf weitere Aufgaben.


Werfen wir noch einen Blick Richtung Betriebswerk, das sich neben der Ausfahrt aus dem Bahnhof an die Gleisanlagen anschließt. Aus den hinteren Ständen der Fahrzeughalle rollt wohl so schnell nichts mehr angesichts der am 5. Februar 2024 davor geparkten Metallreste: Unter anderem Ganz Triebwagen 82-01 und der zur Erstaustattung gehörende C-Kuppler 1-76 fristen hier ihr trauriges Dasein.


Als maximaler Kontrast kommt wenig später die nagelneue 77109 Richtung Fahrzeughalle gerollt. Auf einem Gleis neben einer anderen Halle hatte man zuvor einiges an der Maschine getestet, die wegen Problemen wiedermal aussetzen musste und somit für den Ausfall eines mittäglichen Regioumlaufes nach Avramovo sorgte.


Von Septemvri nach Varvara

Der heutige Teil führt uns nach dem ausführlichen Besuch im Bahnhof Septemvri noch vom nördlichen Ausgangsbahnhof bis ins sechs Kilometer entfernte Varvara.

Die sechs Kilometer von Septemvri nach Varvara sind vielleicht die unspektakulärsten der gesamten Strecke. Nachdem die Strecke in einem großen Bogen neben dem Betriebswerk den Bahnhof von Septemvri verlässt, verläuft sie einen großen Teil der Strecke neben der Straße bis kurz vor Varvara. Nur bis zum BÜ an der Straße 8 und hinter dem Haltepunkt Pamporov kurz vor Varvara, entfernt sich die Bahn einige Meter von der Straße. Hinter Septemvri geht es dabei zunächst an einem Feld entlang und in Varvara verläuft die Strecke zwischen Hinterhöfen in den Bahnhof hinein.


Die lange Fahrt durch die Rhodopen hinüber zu Pirin- und Rilagebirge hat für 75008 am Nachmittag des 3. Februar 2024 begonnen. Vor der Straßenkreuzung zwischen Septemvri und Varvara bietet sich Anfang Februar mit dem Rila am späten Nachmittag ein erstes und letztes sonniges Streckenbild, bevor der Zug zunächst in den Schatten der Cepino-Schlucht und später in der Dunkelheit verschwindet.


Den meisten Teil zwischen Septemvri und Varvara verläuft die Strecke eben und unspektakulär direkt neben der Straße. Am Vormittag des 18. Mai 2019 ist 77 009-9 auf dem Weg nach Septemvri.


Hinter dem Haltepunkt Pamporov verschwenkt die Strecke in Varvara ein kleines Stück und verläuft zwischen Hinterhöfen in den Bahnhof. 77 009-9 kehrt am 18. Mai 2019 nach rund zwei Stunden Pause aus Septemvri zurück und hat soeben den Haltepunkt Pamporov ohne Halt passiert.


Bahnhof Varvara

Der Bahnhof von Varvara verfügt über beeindruckende sechs Gleise mit mindestens drei Durchgangsgleisen. Die immense Größe erklärt sich durch die ehemalige Zweigstrecke ins rund 20 Kilometer entfernte Pasardschik, welche von 1928 bis 2002 in Varvara auf die Linie von Septemvri nach Dobrinishte traf. Die 16 Kilometer lange Strecke wurde ab 1926 gebaut, um das wesentlich bedeutendere, aber vom Ausgang der Cepino-Schlucht weiter entfernte Pasardschik ebenfalls direkt an die Schmalspurstrecke in die Rhodopen anzuschließen. Die Anschlussstrecke wurde dabei allerdings nie durchgebunden, sondern mit Pendelfahrten Pasardschik-Varvara bedient.

Heute sind auf den vielen Gleisen in Varvara nur noch einige ungenutzte Güterwagen abgestellt und täglich legen hier bis zu zwölf Zügen ihren Halt ein. Dennoch ist der Bahnhof, wie alle Bahnhöfe entlang der Strecke besetzt. Und nicht nur ein Beamter tut hier seinen Dienst, sondern mindestens drei Personale werden pro Bahnhof benötigt, um einen reibungslosen Betrieb zu ermöglichen: Das wäre zum ersten mal die wichtigste Person überhaupt, der Bahnhofvorsteher in stattlichem Eisenbahnerdress samt roter Mütze und natürlich dem wichtigsten Utensil, der grünen Kelle, mit der er die Freigabe zur Abfahrt signalisiert. Eine weitere Person in oranger Warnweste positioniert sich bei Annährung eines Zuges stets an der Einfahrtsweiche und stellt das Einfahrtssignal, sowie gegebenenfalls die Weiche. Ein weiterer Weichenwärter bezieht an der Ausfahrtweiche Position, das Ausfahrtssignal wird allerdings durch die grüne Kelle des Stationsvorstehers gegeben. Ein weiterer Mensch sitzt in ausgewählten Bahnhöfen zusätzlich im Bahnhofsgebäude und verkauft einerseits die Fahrkarten oder erledigt andere Aufgaben. Bedenkt man nun, dass alle Bahnhöfe entlang der Strecke derart besetzt sind, kommt man bei zwölf Bahnhöfen auf eine Mindestanzahl an Stationspersonal von 36 pro Schicht, die bei der enormen Zugdichte im Großen und Ganzen wohl 90% der Zeit überhaupt gar nichts tun.


Wenig später legt der Zug am 18. Mai 2019 im Bahnhof von Varvara den ersten Halt ein und rüstet sich für die Fahrt in die Berge.


Mein allererstes Bild der Rhodopenbahn entstand aus Sofia kommend am 15. Mai 2019 am Nachmittag. Schon beim ersten Kontakt fiel mir die nicht eben knappe Personaldecke auf. Im Vordergrund der Stationsvorsteher, im Hintergrund ist mit der orangen Weste der Weichenwärter bei der Einfahrt von 77 009-9 zu erkennen.


Nach wenigen Minuten Fahrt durch die Ebene erreicht der Mesta mit 75005 am 5. Februar 2024 den Bahnhof von Varvara, an dem einst die kurze Strecke nach Pasardschik abzweigte. Einen ungewöhnlich langen Halt legte der Zug hier ein. Der Grund dafür offenbarte sich nach kurzer Zeit, als der Weichenwärter von der Einfahrt mit einem Drahtesel über den Bahnhof zur Ausfahrtsweiche jagte und dort wiederum Stellung bezog. Ob da ein Kollege krankheitsbedingt ausgefallen ist, oder ist dieser Bahnhof immer derart “unterbesetzt”? Wozu der Weichenwärter überhaupt an der Ausfahrt stehen muss ist ja ohnehin ein Rätsel, denn es stand gar keine Kreuzung an und ein Ausfahrtsignal gibt es nicht zu stellen, da hierfür das Abfahrtssignal des Bahnhofsvorstehers fungiert, der mit seiner grünen Kelle bereits zur Einfahrt auf den Bahnsteig geschlendert war.

Unmittelbar hinter Varvara fährt die Rhodopenbahn in die spektakuläre Cepino-Schlucht mit zahlreichen Stützmauern und Tunnels ein. Dort geht es dann im nächsten Teil dieses Streckenportraits weiter.

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