Ende Juli bis Anfang August zog es mich für rund zwei Wochen wiedermal in die Schweizer Alpen. Jeweils eine knappe Woche sollten letztendlich im Berner Oberland und Jura verbracht werden. Zum Abschluss kam noch ein wenig MOB hinzu. Von diesen 15 Tagen mit abwechslungsreichen Bahnen und Wetter soll in den nächsten Wochen und Monaten dieser Reisebericht erzählen.
Prolog
Endlich wieder Berge, endlich wieder Schmalspur- und Zahnradbahnen alle paar Kilometer, endlich wieder Hänge und Schotterpisten hinaufkämpfen – endlich wieder…Urlaub.
Fast genau ein Jahr lag dank Corona und dessen Nebenwirkungen auf Reiseaktivitäten der letzte “richtige” Urlaub schon zurück. Nun Ende Juli, sollte es endlich wieder losgehen. Die noch nicht vollständige Impfung ließ ein Reisen, wie man es von früher kannte, also einfach von Stadt zu Stadt und von Land zu Land treiben lassen, noch immer nicht wirklich zu, ohne sich täglich mit Maßnahmen, Restriktionen und Regeln verschiedener Staaten, Regionen und Kommunen auseinander setzen zu müssen. Und dazu hatte ich nun im Urlaub erstmal wenig Lust nach den letzten Monaten…
Einer langen Überlegung für das Reiseziel bedarf es also nicht. Es sollte wiedermal in die Schweiz gehen. Zum einen gäbe es dort für meine Art des Reisens keine wirklich störenden Auflagen. Zum anderen standen dort noch mehr Ziele auf der Liste, als dass diese in der grob geplanten Zeit alle umzusetzen gewesen wären.
Ursprünglich hätte ich, wie schon vor zwei Jahren auch wieder, über einen Zeitraum von drei Wochen in Graubünden unterkommen können, was die Überlegung nahelegte, dort auch eine Woche die Zelte aufzuschlagen. Es sollte aber etwas anders kommen:
Koffer schon fast gepackt und das Rad quasi einsatzbereit, ereilte mich dann die Nachricht, der Urlaub der Familie im Engadin wäre vorerst abgeblasen. Nunja, für mich war das erstmal kein Drama, hatte ich doch an der Rhätischen nichts Dringliches zu tun und mich eher ein wenig ziellos am Bernina treiben lassen. Ein Drittel der abgeblasenen Reisegesellschaft klopfte dann allerdings bei mir an die Türe und bat um Asyl. Problem: Meine Art der Schweizreisen mit täglich abwechselnd Radfahren und Wandern und dabei nicht selten über 70 Kilometer und/oder deutlich über 1000 Höhenmeter überwindend, ist nicht wirklich gesellschaftsfähig. Mit einem Swisspass für zwei Wochen für meine dazugewonnene Reisebegleitung ließ sich das Problem allerdings sehr gut lösen: So könnte über den Tag jeder frei entscheiden was wie gemacht würde und abends würden wir uns an der jeweiligen Unterkunft wiedertreffen. So sollte es doch für beide ein schöner Urlaub werden, die Wahl der Unterkünfte ist mit Doppelzimmern auch wesentlich einfacher und abends und beim Frühstück gäbe es jeweils etwas Unterhaltung und Austausch. So kam es, dass wir uns an manchen Tagen nach dem Frühstück tatsächlich erst abends wieder sahen, oder man traf sich zufällig irgendwo an der Strecke oder fuhr – mal bemerkt, mal unbemerkt – aneinander vorbei.
Einen genaueren Plan gab es darüber hinaus wiedermal nicht: Potenzielle Ziele vom Jura über die Zentralschweiz, das Berner Oberland bis ins Tessin standen auf der Liste. Außen vor würden diesmal wohl nur Graubünden und das Wallis bleiben, sollte das Wetter nicht ausdrücklich dorthin weisen. Alles weitere sollte dann spontan entschieden werden.
Da ich bereits ab dem 20. Juli frei hatte und zudem das in diesem Jahr selten gute Wetter nachdrücklich ins Berner Oberland lockte, buchte ich kurz vor Urlaubsbeginn schonmal zwei Nächte ein Einzelzimmer in Wilderswil und anschließend drei weitere Nächte in einem Doppelzimmer auf der anderen Seite des Ortes. Die zweite Hälfte der Reisegruppe würde dann mit zwei Tagen Rückstand mit dem Zug im Berner Oberland eintreffen.
Dienstag, 20. Juli 2021: Anreise und Warmfahren zwischen Wilderswil und Grindelwald
Eigentlich war es fast noch Montag, als die Reise ihren Anfang nahm: Ich konnte so früh am Abend ohnehin noch nicht wirklich schlafen und beschloss daher in Anbetracht dessen, dass der Wecker sowieso auf 01:30 Uhr stand, gleich wieder aufzustehen, noch ein Koffeinsüppchen zu trinken und mich auf den Weg zu machen. Gegen Mitternacht wurde also das Auto beladen und mit einem ordentlichen zeitlichen Vorsprung vor der eigentlichen Planung, war um kurz nach 1 Uhr das Auto mit Fahrrad, Kameraausrüstung und Gepäck beladen. Lange vor jeder Rush-Hour waren mit einigen Power Nap’s – nicht am Steuer 😉 – Kassel, Frankfurt, Mannheim, Heidelberg und Karlsruhe passiert. So konnte ich gegen 7 Uhr zwischen Karlsruhe und Freiburg langsam ans Frühstück denken und verließ die A5 an der Abfahrt Bühl, wo ich direkt in Vimbuch bei einem Landbäcker fündig wurde. Frisch gestärkt und wieder hellwach erreichte ich so gegen neun die Schweizer Grenze. So konnte ich dann Basel und Bern deutlich nach der Rush-Hour passieren. Hinter dem Berner Ostring zeichnete sich dann langsam immer deutlicher das Ziel für die nächsten Tage ab: Das Berner Oberland mit seinen beeindruckenden 4000er Bergmassiven tauchte aus der nicht ganz klaren Sommerluft auf und wuchs mit dem Erreichen des Thuner Sees immer weiter in die Höhe – Jetzt konnte der Urlaub beginnen!
Es war erst 11 Uhr als ich in Wilderswil eintraf und da die Ankunft deutlich später geplant war, hatte ich praktisch einen halben Tag gewonnen. Auf noch mehr Gefahre mit dem Auto konnte ich jetzt nach gut acht Stunden hinterm Steuer aber nicht mehr. Also stellte ich den Wagen gleich am Hotel Heimat ab und sattelte auf’s Zweirad um. Vorher lief ich noch schnell zum Volg am Bahnhof und kaufte etwas Proviant für den Nachmittag ein. Dabei kam ich dann auch zum ersten Bild dieses Urlaubes: Ein abfahrbereiter Zug der Schynige Platte Bahn im Bahnhof Widlerswil.
He 2/2 16 steht abfahrbereit im Bahnhof Wilderswil. Durch den 40 Minuten-Takt, hat die Schynige Platte Bahn keine festen Anschlüsse an den 30-Minuten-Takt der Berner Oberland Bahn aus und nach Interlaken.
Was nun anfangen mit dem gewonnenen halben Tag? Für das Berner Oberland hatte ich mit fünf gebuchten Übernachtungen nun 4 bis 5 Tage Zeit mein Programm abzuarbeiten. Drei Tage mit gutem Wetter würden für meine Ziele, Schynige Platte Bahn, Brienz Rothorn Bahn und die Bergbahn Lauterbrunnen Mürren allerdings ausreichen. Das Wetter sollte bis zum Wochenende halten, sodass ich nun am Nachmittag einfach irgendetwas zielloses unternehmen konnte. Ich entschied mich spontan einfach entlang der BOB nach Grindelwald hinauf zu radeln. Bei meinem letzten Besuch hier im Frühjahr 2018 sprangen aus zwei Wochen keine Handvoll Tage mit gutem Wetter heraus, sodass es auch entlang dieser Hausstrecke von Wilderswil noch genügend zu tun gab.
Am Bahnübergang des Wanderweges oberhalb der Straße nach Gsteigwiler legte ich erstmal eine Mittagspause ein und wartete auf den nächsten Talfahrer der Schynige Platte Bahn. Jetzt am Mittag kam mit He 2/2 11 nur ein einziger Zug vom Berg.
He 2/2 11 bremst zwei der offenen Vorstellwagen den Berg hinab und wird gleich die Brücke über die Nebenstraße nach Gsteigwiler überqueren.
Bis Zweilütschinen bietet die Strecke der BOB am Nachmittag kaum Motive. Ich genoss also nach einem Jahr Pause einfach die ersten Meter radeln in den Bergen und stieg fotografisch hinter Zweilütschinen vor dem Tunnelportal Richtung Grindelwald ein. Bis 2015 wurde die Strecke hier neu trassiert und durch den neuen, rund 700 Meter langen Buechi-Tunnel geführt. Dessen westliches Portal lässt sich auf einem Schotterweg überqueren, sodass ich auf die lichttechnisch passende Seite gelangte. Die Sonne stand hier bereits so hoch und seitlich, dass gleich in beide Richtungen ein Bild möglich war.
ABDeh 8/8 324 mit einem der älteren Gelenksteuerwagen vor dem Tunnelportal des Buechi-Tunnel Richtung Grindelwald.
Aus der Gegenrichtung kommt der ABt 8 424 mit einem ABDeh 8/8 Richtung Interlaken aus dem Tunnel. Die alte Trasse führte links am Hügel vorbei noch ein Stück an der Schwarzen Lütschine entlang und verschwand anschließend in einem deutlich kürzeren Tunnel. Die Schotterpiste führt heute auf der alten Trasse noch ein Stück an der Lütschine entlang bevor über eine Hängebrücke das andere Ufer erreicht wird. Dabei führt der Weg am alten, zugemauerten Tunnelportal vorbei.
Über die Hängebrücke wechselte ich wieder die Talseite und fuhr das kleine Asphaltsträßchen oberhalb der Hauptstraße nach Grindelwald hinauf, welches die quasi durchgehende lockere Bebauung am nördlichen Talhang erschließt. Dieses Sträßchen ist in den vergangenen Jahren zur reinsten E-Biker Piste verkommen. Wahrscheinlich macht ein Verleih in Grindelwald damit in den Sommermonaten ordentlich Umsatz. Da war es im April 2018 doch deutlich angenehmer hier zu radeln, ein klein wenig aber auch angesichts der heutigen Temperaturen deutlich über 20 Grad bei ordentlicher Schwüle im Tal. Immerhin ein “Hut ab, ohne Akku!” erntete ich von einem der bergauf vorbeiziehenden E-Biker 😀
Hinter dem Tunnel wechselte ich kurz vor Lütschental noch einmal an die Strecke, bevor ich den nächsten Gegenzug vor der Ausweiche in Burglauenen erwartete.
ABDeh 8/8 mit ABt 8 421 vor Lütschental Richtung Grindelwald. Ab hier ist das beeindruckend über Grindelwald thronende Massiv des 3692 Meter hohen Wetterhorn stets im Blickfeld.
Abt 8 421 mit ABDeh 8/8 auf Talfahrt Richtung Interlaken kurz nach der Kreuzung mit dem Gegenzug in Burglauenen.
In der kurzen Klamm zwischen Burglauenen und Schwendi wird auch der Radweg mit einem kurzen, engen und kurvigen Schotterabschnitt kurz etwas spannender. Danach öffnet sich der Talkessel von Gindelwald mit den beeindruckenden Bergmassiven rundherum. Der Weg führt mich oberhalb des Talgrundes mit Blick auf die BOB und das neue Terminal des Eigerexpress nach Grindelwald hinein.
Meine Route bietet einen schönen Blick in den Kessel von Grindelwald mit einem Zug der BOB kurz nach dem Halt an der neuen Station Terminal des Eigerexpress. Selbiges lugt am rechten Bildrand zwischen den Büschen hervor. Erstaunlich wolkenfrei für diesen warmen Sommertag zeigt sich am Nachmittag noch das Wetterhorn.
Ich rollte nun zur Talstation Grindelwald Grund der Wengernalpbahn hinab und sah mich etwas um. Für den Güterzugdienst standen noch zwei der alten BDhe 4/4 im Bahnhof herum. Mit den Fahrzeugen 112 und 117 handelte es sich dabei um zwei Fahrzeuge der 1964er Bauserie, während die ältesten Fahrzeuge dieser Type bereits 1945 gebaut wurden.
Vom Berg kam gerade die 80er-Jahre-Wellblechgarnitur mit Niederflursteuerwagen herab. Da ich eigentlich mit dem ausschließlichen Einsatz der Pano-Doppel gerechnet hatte, suchte ich schnell die kurze Strecke nach Grindelwald hinter der Spitzkehre in Grund auf. Für die Bergfahrt nach Kurzwende in Grindelwald schaffte ich es gerade noch einige Meter die Strecke Richtung Kleine Scheidegg hinauf.
BDhe 4/4 112 harrt in Grindelwald Grund vor dem alten Schuppen und der Kulisse des Wetterhorns der Dinge. Auch eine He 2/2 steht noch immer in Grindelwald am Schuppen. In Lauterbrunnen konnte ich zwei Tage später sogar noch eine He 2/2 beim Rangieren beobachten.
Das Wellblechdoppel aus BDhe 4/8 131 und 133 schiebt den nicht erkennbaren Niederflursteuerwagen 251 von Grindelwald Grund nach Grindelwald hinauf.
Wenig später ist der Zug bereits wieder auf dem Weg zur kleinen Scheidegg und hat in Grindelwald Grund erneut Kopf gemacht. Für den sommerlichen Normalbetrieb auf der Wengernalpbahn reichen heute in der Regel die doppelt fahrenden Panorama-Bhe 4/8 aus. Als Reservegarnituren dienen die beiden Wellblechdoppel mit Niederflursteuerwagen, von denen eine heute an der Grindelwalder Rampe im Einsatz stand. Auf der Lauterbrunner Rampe konnte ich von Mürren aus zwei Tage später ausschließlich die neuen Panoramazüge ausmachen.
Allmählich machten sich trotz zwischenzeitlichem Koffeinsüppchen die kaum zwei Stunden Schlaf der zurückliegenden Nacht und die lange Autofahrt nun bemerkbar. Ich rollte also gemütlich zurück Richtung Wilderswil, nahm unterwegs aber noch einen Zug der BOB vor der Klamm zwischen Burglauenen und Schwendi auf. Leider klappte hier nur der Nachschuss mit heruntergelassener Markise vernünftig, dem Gegenzug war ein Auto ungünstig aus der Front gefahren.
Abt 8 424 mit ABDeh 8/8 zwischen Burglauenen und Schwendi auf dem Weg nach Grindelwald.
Zurück in Wilderswil besorgte ich mir noch ein Abendessen beim Volg und fiel bereits gegen 9 Uhr todmüde ins Bett meines kleinen Einzelzimmers. Glücklicherweise hatte das Zimmer eine Belüftung, denn vor dem Fenster mit Balkon befand sich direkt die Straße das Tal hinauf nach Lauterbrunnen und Grindelwald, wo sich gerade bei gutem Wetter eine schier endlose Blechlawine entlangschiebt, die genau vor meinem Fenster aus der letzten 90 Grad Kurve des Ortes hinausbeschleunigte. Aus diesem Grund wird derzeit auch ein Tunnel unter Wilderswil hindurch gegraben, um den teils malerischen Ort endlich von diesem Verkehrswahnsinn zu befreien. Mit geschlossenem Fenster und eingeschalteter Lüftung war das aber kein Problem, sodass ich fast zehn Stunden bis zum Frühstück am nächsten Morgen um sieben durchschlief. Wo es dann hingeht? Das Wetter soll sonnig werden, also Rothorn, Schynige Platte oder Mürren. Ersteres steht dabei ganz oben auf der Liste, kenne ich die Brienz Rothorn Bahn doch bislang nur von der Talstation.