120 Jahre elektrische Straßenbahn in Halberstadt

Die Jubiläen der Straßenbahn in Halberstadt laden immer wieder mit einem tollen Fahrprogramm in die kleine Stadt am Rande des Harzes ein. So auch im Juni 2023, als das 120-jährige Bestehen der elektrischen Straßenbahn gefeiert wurde.


Mit der Elektrifizierung der 1887 eröffneten Straßenbahn am 2. Mai 1903, jährte sich im Jahr 2023 die Umstellung auf elektrische Traktion zum 120igsten Mal. Die Straßenbahn Halberstadt nahm dieses Runde Jubiläum wiedermal zum Anlass, ein zweitägiges Festprogramm aufzulegen, welches zusammen mit der Modellstraßenbahnausstellung “Kleine Bahn ganz groß” am Wochenende vom 3. bis 4. Juni zahlreiche Besucher in die kleine Stadt am Harzrand lockte. Wie schon zu anderen Jubiläen wurde am Samstag ein historischer Linienverkehr auf dem Gesamtnetz eingerichtet, bei dem mehr historische Fahrzeuge zum Einsatz kamen, als an einem Samstag regulär auf dem kleinen Netz unterwegs gewesen wären. Beides dürfte in dieser Art wohl deutschlandweit einmalig sein, wenn auch durch das kleine Netz und den geringen regulären Auslauf begünstigt.

Die auf diese Weise zelebrierten Jubiläen in Halberstadt bieten neben den seltenen GT4-Einsätzen immer wieder Anlass, spontan den kurzen Weg Richtung Harz auf sich zu nehmen und sich einen Tag durch die Stadt treiben zu lassen. Motive gibt es hier schließlich mehr als genug, für das kleine Netz ist die Motivfülle geradezu überladen. Am bekanntesten sicher die Fachwerkmotive rund um die Vogtei und Gröperstraße. Nur wenige Meter weiter begeistert aber auch schon nahezu originale DDR-Platten-Architektur zumindest den Fotografen. Wer zwischendurch ein wenig frische Luft schnappen will, der verlegt sich an die schon ländlich anmutende, eingleisige Stichstrecke zur Klus. Beliebte Motive auf dem Weg dorthin sind natürlich auch die beiden Bahnübergänge, von denen zumindest einer noch immer von einer prähistorisch anmutenden WSSB-Anlage gesichert wird. Aber auch sonst bieten sich an den meisten Strecken fast im Hundert-Meter-Abstand interessante Motive, wobei vor allem die Vielfalt immer wieder erstaunlich ist. Wenn dann noch im 20-Minuten-Takt historische Bahnen durch die Motive gerollt kommen, könnte ein Jubiläum aus fotografischer Sicht kaum besser sein.

Auch das Wetter spielte mit, als am Samstag die fünf Züge aus Reko TZ-70 29, Gotha T2-62 30 + B2-64 61, LOWA ET54 36, Lindner T2 31 und dem Esslinger GT4 156 auf den Rundkurs geschickt wurden. Etwa jede zweite Fahrt führte zunächst zum Sargstedter Weg und dann wie die andere Hälfte der Kurse über Holzmarkt zur Herbingstraße, weiter zur Klus und zurück über Klusstraße, Hauptbahnhof, Holzmarkt zurück zum Betriebshof am Friedhof.

Da man nun inzwischen doch schon unzählige Male in Halberstadt war und eigentlich kaum noch ein Motiv offenstand, gab es an diesem Tag kein vollständiges Portrait des kleinen Netzes. So blieb etwa der ganze Abschnitt ab Johannesbrunnen Richtung Sargstedter Weg unfotografiert, genauso wie der Hauptbahnhof oder der Abschnitt Herbingstraße – Erich-Weinert-Straße. Wir radelten einfach ohne großen Plan etwas durch die Stadt, wobei die Anzahl von Fotografen und Filmern an den Top-Motiven teilweise schon eindrucksvoll war. Genauso schien es nicht gerade einfach gewesen zu sein, in den Fahrzeugen überhaupt noch einen Platz zu bekommen, was noch durch die Funktion als Zubringerverkehr zur Modellbahnausstellung verstärkt wurde. Die meisten Besucher schienen beide Veranstaltungen miteinander zu kombinieren, wie es sicher auch gedacht war, während wir uns ausschließlich auf die Straßenbahnen im Maßstab 1:1 konzentrierten.

Auch wenn das Event nun schon drei Monate zurückliegt, möchte ich dennoch eine kleine fotografische Nachlese dieses gelungenen Samstags in Halberstadt präsentieren.


Pünktlich zur ersten Runde des Gotha-Zuges T2-62 30 mit B2-64 61 fanden wir uns an der Endschleife an der Klus ein. Abgesehen von zwei Fotografen aus Wien, war hier am Vormittag noch recht wenig los. Das Gespann bringt aber schon eine ordentliche Fuhre Menschen an die verschiedenen Punkte der Stadt.


Planmäßig wird die Strecke zur Klus derzeit nur am Wochenende im Stundentakt bedient. Mit den zusätzlichen historischen Fahrten herrschte hier heute seltener Hochbetrieb.


Auf dem Weg zum Hauptbahnhof konnte der Zug an der Haltestelle Erich-Weinert-Straße erneut festgehalten werden.


Der Gotha-Zug hat die große Blockschleife zum Hauptbahnhof durchfahren und biegt an der Haltestelle Richard-Wagner-Straße wieder auf selbige ein.


Auf dem Hohen Weg bezwingt Reko TZ-70 29 die Steigung hinauf zum Holzmarkt.


Mit dem Rad kam man doch ganz gut wieder an den Wagen vorbei, sodass Reko 29 hinter der Haltestelle Spiegelstraße Richtung Klus erneut aufgenommen werden konnte. Hier traf man auch erstmals auf einen Kollegen aus Halle, der sich ebenfalls angekündigt hatte – Grüße gehen raus 😉


An der Klusstrecke hatten die ersten historischen Kurse nun doch schon eine stattliche Meute an Fotografen und Filmern herausgelassen, sodass man kaum noch irgendwo allein herumstand. Es lief heute alles in allem aber sehr freundlich und diszipliniert ab, zumindest an den Stellen wo wir uns widerfanden. Dennoch werden diese “Massenveranstaltungen” nie so richtig meins werden. So ein historischer Linienverkehr ist da aber immer noch ganz angenehm, weil es sich noch einigermaßen verteilt im Netz. Reko 29 biegt hier an der Haltestelle Kirschallee Richtung Klus ab.


Nach der Schleifenfahrt startet Reko 29 Richtung Hauptbahnhof durch und erreicht in wenigen Metern erneut die Haltestelle Kirschallee. Die zahlreichen parkenden Fahrzeuge waren glücklicherweise nicht alles Straßenbahnfreunde, sondern größtenteils Fußballfans des zeitgleich stattfindenden Landespokalspiels zwischen Halberstadt und dem HFC. Da kam wirklich alles zusammen heute in der sonst so verschlafenenen Stadt 😀


Zwischen Westerhäuser Straße und Herbingstraße erneut der Gotha Zug 30+61. Im Hintergrund ist der noch verbliebene WSSB-Übergang erkennbar, während der Bahnübergang an der Klusstraße inzwischen saniert wurde. Da schon tausendmal gemacht und dabei meist ganz allein am Motiv gestanden, sparte ich mir den durchgängig belagerten BÜ heute 😉


Ein weiteres dieser Halberstädter Top-Motive, an der heute durchgängig eine Schar von Interessierten lagerte, war freilich die Gröperstraße an der Holtemme-Brücke mit der Ausfahrt aus dem Fachwerkensemble. Ist aber auch einfach immer wieder schön hier. Fast wie im Freilicht-Museum, wenn dann noch der LOWA ET54 36 angefahren kommt.


Der Betriebshof lud heute ebenfalls zu einem Besuch ein, mit einigen Info-Ständen, einer Hüpfburg, ein wenig Essen und Trinken und der geöffneten Wagenhalle. Reko 29 biegt hier nach seiner ersten Runde von der Endhaltestelle Friedhof in den Betriebshof ein.


In der Wagenhalle war dann natürlich nicht mehr viel vorhanden, bei dem was auf der Strecke unterwegs war. Neben den beiden im Samstagsfahrplan nicht benötigten Leolinern 3 und 4, fanden sich noch der aus Freiburg übernommene Schleifwagen 168, der zum Service-Wagen umgebaute Freiburger GT4 161, der Gotha T57E 39 und ein Teil der GT4-Backup-Flotte, die allerdings in zweiter Reihe eingeparkt war. Für einige Fahrten, bei denen dann der ohnehin eingesetzte Stuttgarter GT4 156 einsprang, war ursprünglich der Freiburger GT4 164 eingeplant gewesen. Schade, fehlen mir von diesem doch noch Aufnahmen aus Zeiten der “Leoliner-Ära”. Leider wurde für den 164 dann auch nicht die Kinderbahn ins Rennen geworfen, die mir im heutigen Zustand ebenfalls fehlte. Für mich persönlich war das an dem heutigen Tag eine kleine Enttäuschung, soll aber natürlich keine Kritik an der Veranstaltung selbst sein. Andere werden sich sicherlich darüber gefreut haben, dass der Stuttgarter GT4 156 ein paar Runden mehr drehen durfte, ist dieser doch schon seit Jahren nicht mehr im Linienverkehr aufgetaucht.


Wieder im Freien ging es mal zum Johannesbrunnen hinüber, wo Lindner 31 in prächtiger DDR-Kulisse abgelichtet werden konnte. Nach dem Abstecher zum Sargstedter Weg, der nur von etwa jedem zweiten Kurs unternommen wurden, reiht sich das mit Abstand älteste Museumsfahrzeug nun in die normale Rundfahrt Klus – Hauptbahnhof – Friedhof ein.


Den eigentlich für den Freiburger GT4 164 angedachten Kurs übernahm dann am frühen Nachmittag der Stuttgarter GT4 156. Schade, dass kein anderer Freiburger GT4 kurzfristig ins Rennen geworfen wurde.


Auf dem Rückweg vom Hauptbahnhof wurde Lindner 31 am Heinrich-Heine-Platz abgepasst.


In der Blockschleife am Hauptbahnhof bietet sich in der Beckerstraße wieder ein ganz anderes Straßenbild. GT4 kommt hier vom Hauptbahnhof zurück Richtung Holzmarkt und Friedhof.

Anschließend war erstmal eine kleine Kaffeepause am Holzmarkt angesagt. Etwas Gastronomie war zum Glück noch offen, mit einem Bäcker war das hier am Samstagmittag zuvor schon schwierig gewesen. Entweder ganz geschlossen am Samstag, oder das Angebot ging schon am Mittag selbst in der Innenstadt arg zur Neige. Ist eben doch Provinz hier… 😉

Die Nachmittags-Session wurde dann noch einmal gemütlicher angegangen, als auch schon weite Teile des Vormittages. Irgendwie sehr entspannt, wenn man eigentlich doch alles schon so ähnlich mal gemacht hat. Ich legte den Fokus noch einmal auf die im Planbetrieb nur selten befahrene Klusstrecke.


Das bekannte “Apotheken-Motiv” hinter der Haltestelle Spiegelstraße hatte noch nie so richtig gut geklappt. Diese Lücke konnte zusammen mit zahlreichen weiteren Fotografen am Nachmittag mit GT4 156 geschlossen werden.


An der Haltestelle Am FSZ an der Klusstrecke war der Zugang zur Modellbahnausstellung und entsprechend viel war hier heute los. So war früh absehbar, das ein Foto hier schwierig werden würde und ich entschied mich für ein B-roll, dass stattdessen zur Abwechslung mal die Realität an den meisten Fotostellen am heutigen Tag abbildet 😀


Der Fahrgastwechsel am FSZ zog sich entsprechend, sodass eine weitere Aufnahme an der Haltestelle Kirschallee – wieder zwischen Massen anderer Fotografen und Filmer – kein Problem war.


Auch auf der Rückfahrt von der Klus konnte eine Illusion von Beschaulichkeit inszeniert werden. Der Vito im Hintergrund hätte bei einem einzelnen Fotografen wiederum wohl nicht verzögert, tat dies aber dankenswerter Weise, als er die Schar von Objektiven in seine Richtung gerichtet sah.


Wie angekündigt siffte es jetzt Richtung Nachmittag merklich. So richtig Volllicht bekam der Lindner 31 daher an der Klusschleife nicht mehr.


Mit dem LOWA 36 wollte ich mein Glück daher an der Klus erneut versuchen, fing diesen zuvor aber noch auf der Hans-Neupert-Straße zwischen FSZ und Kirschallee ab. Das Pokalspiel war inzwischen längst zu Ende, sodass sich die Reihe geparkter Fahrzeuge fast vollständig gelichtet hatte.


Viel mehr Licht hatte es dann beim LOWA 36 auch nicht, wenigstens aber liefen mir bei der Ausfahrt aus der Schleife diesmal keine Passanten ins Bild.

Dabei beließen wir es dann für heute, die letzte Runde des historischen Linienverkehrs wurde wenig später noch einmal vom Gotha-Zug gefahren. Das Licht war da aber schon weitgehend abgeschmiert.

Für den Abend war dann noch eine Sonderfahrt für die Aussteller der Modellbahnausstellung angekündigt. Angesichts des abschmierenden Lichts und der wahrscheinlich auch nicht anderen Fahrzeuge, überlegten wir aber eigentlich beide nicht ernsthaft, diese Sonderfahrt noch abzuwarten. Nun, wir sollten uns in beiden Punkten getäuscht haben: Zum einen gab es während der Sonderfahrt noch einmal piekfeines Abendlicht – der Siff hatte sich wohl verzogen – zum anderen holte man für die Runde noch den über den Tag nicht eingesetzten GT4 166 raus. Dass war im Nachgang schon etwas ärgerlich. Schade, dass man den 166 nicht tagsüber für den 164 ins Rennen geschickt hatte. Zum Einsatz kamen für den Korso darüber hinaus auch noch einmal der Gotha-Zug, der LOWA 36, der Lindner 31 sowie der Stuttgarter GT4 156. Einzig des 166 wegen ärgerte ich mich daher ein wenig. Aber auch wirklich nur ein wenig, denn Halberstadt ist ja von mir aus alles andere als aus der Welt und wartet recht regelmäßig alle fünf bis zehn Jahre mit derart tollen Veranstaltungen auf.

Insgesamt kann man nur den Hut ziehen vor dem, was dieser Kleinstbetrieb auf die Beine zu stellen im Stande ist!

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