Heute steht nurmehr der lange Tag der Rückreise auf dem Programm. Eine etwa zweistündige Pause in Wien konnte zumindest genutzt werden, um die dortigen Neuigkeiten kurz abzuhaken.
Samstag, 1. Juni 2024
Ein letztes Mal nahmen wir heute den Fahrstuhl am Rande des Atriums hinab zum Frühstück. Mit 8:40 Uhr ab Keleti war die Abfahrt unseres EC140 auch genau so, dass es sich nicht gelohnt hätte, vorher noch den Versuch zu starten, etwas zu reißen. Es hätte noch einen EC Richtung Wien zwei Stunden früher gegeben, aber den Stress mussten wir uns dann auch nicht antun. Stattdessen lieber noch einmal gemütlich frühstücken.
Anschließend ging es vom Blaha Lujza tér mit der M2 die eine Station hinüber zum bedeutendsten der drei internationalen Bahnhöfe von Budapest. Unser Zug stand schon bereit und natürlich gleich wieder der Klassiker: Irgend so eine Tante meinte, sich mit ihren fünf Einkaufstüten auf unsere reservierten Plätze setzen zu müssen. Dann noch die dämliche Geste in uns nicht verständlicher Sprache, vor uns im Vierer seien doch noch zwei Plätze frei. Sehr witzig – damit wir dann bis nach Wien an jedem Bahnhof umziehen dürfen?! Der Zug war schließlich auch schon zehn Minuten vor Abfahrt ordentlich gefüllt. Mit garstigem Blick wuppte sie sich mit ihren Einkäufen dann doch irgendwann selbst in den Vierer. Immer der gleiche Mist. Warum ich hier überhaupt 2. Klasse gebucht hatte, weiß ich gar nicht mehr. Vielleicht war das Ticket über die ÖBB sonst deutlich teurer gewesen? Oder einfach ein Versehen… Aber vor solchem Quatsch schützt einen ja auch die 1. Klasse nicht. Wohl aber vor dem doch schon arg engen Sitzabstand hier in dem 2. Klasse-Wagen der Ungarn. Schon mit einigen Minuten Verspätung ging es los. Die Chancen, in Wien einen ICE zwei Stunden früher zu erwischen schwanden damit auch. Unsere Zugbindung bei der DB war schließlich schon vor Wochen aufgehoben worden wegen Fahrplanänderungen, sodass wir uns das in Wien zu Nutze hätten machen können. So aber würde es wohl nichts werden, außer die DB würde in Wien deutlich zu spät abfahren, was an und für sich ja auch nicht ganz weit hergeholt wäre 😀
Im vollen und irgendwie engen EC schaukelten wir dann also gen Österreich, vorbei auch noch einmal am Bahnhof Kelenföld, wo wir einen letzten Blick auf die Straßenbahn erhaschten. Einzig nennenswerter Halt unterwegs ist etwa auf halber Strecke Győr und nach weniger als drei Stunden war dann auch schon Wien erreicht. Das hatte schonmal halbwegs funktioniert und wir hatten nun knapp zwei Stunden Zeit, bis unser ICE 90 Richtung Hamburg Altona Wien verlassen sollte. Auf den ICE zwei Stunden früher hatte es knapp nicht gereicht – wenn die DB mal Verspätung haben soll, ist sie natürlich pünktlich 😀 War aber nicht schlimm, da mir die geplante Pause hier in Wien eh sehr gelegen war, zudem vor dunkler Wolkenkulisse gerade noch die Sonne strahlte. Also schnell raus zur Bim.
Wir nahmen den erstbesten Ausgang aus dem neuen Hauptbahnhof und gelangten dann erstmal an eine Ecke, die mir so gar nicht bekannt vorkam. Zudem fuhr hier nur eine einzige Linie in recht dürftigem Takt. Der ULF 782 schaffte es aber noch bei Sonne als Linie D in die futuristische Kulisse am südöstlichen Ausgang des Komplexes.
Auf der Suche nach der “richtigen” Seite gelangten wir bald an die Strecke zwischen Südtiroler Platz und Quartier Belvedere nördlich des Bahnhofes. Das war auch mein eigentliches Ziel gewesen und wie bestellt kam gleich als erstes der Flexity 305 noch bei Sonne ins Bild gerollt. Haken auf der Liste! Fehlt nur noch die Lokalbahn.
Hier laufen die Bahnen fast im Sichtabstand. Auf der Linie O kommt mit Wagen 4 einer der kurzen ULFs.
Dann konnte bei immer noch akzeptablen Restlicht vor bedrohlicher Wolkenkulisse auch der zweite Punkt auf der Fehlliste abgehakt werden, die neuen Flexitys der Badner Bahn. Meist kommen die Fahrzeuge wie hier 514 und 508 in Doppeltraktion zum Einsatz. Ein Mischbetrieb, wie man es von den älteren Baureihen kennt, ist mit den Neufahrzeugen nicht möglich.
Noch einmal einer der neuen Flexity Wien kurz vor der Haltestelle Quartier Belvedere.
Zurück Richtung Südtiroler Platz kommt eine weitere Badner Bahn mit dem GT8 112 an der Spitze als Dienstfahrt aus dem Tunnel. Ganz klar geworden ist mir während des kurzen Besuches nicht, wie das hier betrieblich eigentlich alles funktioniert am neuen Hauptbahnhof. Wien wäre aber auch mal wieder ein Ziel recht weit oben auf der Liste. Und angesichts der akut schwindenden E2, auch nicht mehr lang aufzuschieben…
Die dunklen Wolken waren nicht nur Kulisse gewesen, sodass wir uns bald wieder ins Innere des Bahnhofes flüchteten und uns auf einen Kaffee beim Bäcker niederließen. Anschließend ging es noch für einige Besorgungen in den Spar, mit den Bordbistros der DB ist ja bei weitem nicht immer zu rechnen. Eine weise Voraussicht, denn das Bistro im ICE blieb kalt, wie uns bereits kurz nach Zustieg mitgeteilt wurde. Immerhin ging es aber pünktlich los Richtung Hamburg Altona und das blieb auch verdächtig lang so über Linz bis Passau. Genau bis Passau. Dort wurde uns dann mitgeteilt, dass wir hier eine Stunde warten würden auf einen zweiten Zugteil. Bahnfahren in Deutschland vom Feinsten. Unser Umstieg in Göttingen wäre damit sehr wahrscheinlich nicht zu halten. Also dann über Hannover. Erstmal standen wir aber hier in Passau herum. Grund war die enorme Verspätung des zweiten Zugteils, der hier angehängt werden sollte. Schuld sein sollte wohl das bereits ansteigende Hochwasser in dieser gesamten Ecke Deutschlands. Man sollte davon in den nächsten Tagen noch mehr als genug zu sehen und hören bekommen. Angesichts dessen hatten wir durchaus noch Glück gehabt, hier überhaupt noch durchgekommen zu sein. Die Tour einen Tag verlängert, wie ich es mir in Budapest durchaus hätte vorstellen können, und wir wären garantiert im Hochwasser gestrandet oder der ICE hätte ab Wien einen komplett anderen Weg wählen müssen.
Ich nutzte den Aufenthalt, um mir ein wenig die Beine in der verregneten Einkaufsstraße von Passau zu vertreten und auf dem Rückweg noch zwei kühle Pilsbier aus dem Kiosk zu holen. Irgendwie musste man das hier ja aushalten, wer weiß, was noch alles kommen würde. Dass man dann am Ende doch etwas früher wieder losfuhr als angekündigt, vermochte man allerdings nach außen nicht mitzuteilen, sodass ich Glück hatte, rechtzeitig wieder am Bahnsteig gewesen zu sein. Bei einem Bierchen ließ sich auch diese super nervige Zwischentür etwas besser aushalten, die unablässig auf und zu ging, sobald sich jemand auf den ersten Gangplätzen minimal bewegte. Ich war schon kurz davor, den roten Knopf an der Tür zur Deaktivierung zu drücken, hatte dann aber doch keine Lust auf eine Diskussion mit dem Zugbegleiter. Aber sieben Stunden mit so einer Tür sind schon echt nervig, wenn man gerade mal keine Kopfhörer auf hat. Unsere Verspätung wuchs natürlich einmal quer durch Deutschland weiter an. Mal hier zehn Minuten herumstehen, mal dort etwas durch die Gegend bummeln. Im Grunde war es uns relativ egal, am Ende waren wir dann aber so spät, dass wir die in Hannover anschließende Westfalenbahn bei unserer Einfahrt gerade noch ausfahren sehen konnten. Das Spiel kannte ich nun langsam auch. Déjà-vu. Warum die nachts die Anschlüsse nach Braunschweig nicht abwartet, wenn eh nichts mehr los ist, sondern konsequent Sekunden vor den aus Süden kommenden Fernzügen ausfahren müssen, bleibt weiterhin ein Rätsel. Das brachte uns mal wieder eine Stunde auf dem Hauptbahnhof Hannover ein. Immerhin lief der Champions League Final-Stream hier reibungslos im Gegensatz zur ersten Halbzeit eben im Zug. Der Ausgang ist bekannt…
Während ich die Ruhe ganz am Ende des Bahnsteiges in Hannover genieße und dabei das Champions League Finale schaue, gibts bei Einfahrt eines “Kiffer-ICs” noch einmal einen spektakulären Himmel über der Stadt. Den Zug kann man seit April eigentlich auch umbenennen, oder?
Wenig später endete noch ein ICE 2 am selben Bahnsteig und dröhnte mich einige Minuten zu, bevor er in der Abstellung verschwand.
Als die Westfalenbahn nach Braunschweig einlief, war das Schicksal des BVB schon weitgehend besiegelt, sodass ich den Stream nicht weiterlaufen lassen musste. Stattdessen gab es in der leeren 1. Klasse noch ein wenig Podcast auf die Ohren, bis nach einer Dreiviertelstunde Braunschweig erreicht war.
Das Auto stand noch unbescholten an seinem Platz und so ging es noch die letzte Strecke vor die Tore der Stadt, für Jonas anschließend noch ein kleines Stück weiter. So hatten wir dann mit reichlich zwei Stunden Verspätung doch wiedermal unser Ziel erreicht. Ohne Chaos geht’s halt nicht mit der Bahn, das weiß man aber vorher…
Epilog
Prag und Budapest – einfach zwei DER Straßenbahnstädte schlechthin. In Prag nach zehn Jahren mal wieder intensiv auf Straßenbahntour gegangen zu sein, war ein schönes Update gewesen, aber besonders für Budapest hatte sich diese Tour mehr als gelohnt. Obwohl fast 2 1/2 der drei Tage in Budapest die Sonne geschienen hatte, hätte ich dort locker noch mehr Zeit verbringen können und es im Nachhinein vielleicht etwas anders gewichtet. Aber so richtig “fertig” ist man mit so einer Stadt eigentlich nie. Und irgendwie ist es ja auch schön, sich auf einen nächsten Besuch bereits jetzt zu freuen. Die Geschichte mit der Bahn ist natürlich wiedermal so eine Sache. Wir wussten vorher, worauf wir uns einließen und entsprechend entspannt nahmen wir die Unwägbarkeiten unterwegs auch, vom gestrichenen Anschluss in Berlin, über das Herumgeeier mit fehlendem Wagen zwischen Prag und Budapest, bis zur jeweils einen Stunde Wartezeit in Passau und Hannover. Irgendwie hat man danach aber auch erstmal wieder genug davon und wenn man mich hinterher fragen würde, würde ich für den Rückweg ab Budapest ganz klar das Flugzeug empfehlen, außer man streckt die Reise noch einmal, um ein oder zwei Tage in Wien anzuhängen. So war es doch einfach nur ein recht nerviger Reisetag zum Abschluss gewesen, da ist die Bahn in ihrem momentanen Zustand einfach nicht ansatzweise konkurrenzfähig und entspanntes Reisen ist es auch nicht unbedingt, wenn man alle halbe Stunde wieder den weiteren Reiseverlauf checken muss. Mit dem Flieger hätte man quasi noch fast einen ganzen Tag in Budapest gewonnen, mit dem ich gut etwas hätte anzufangen gewusst. Aber der Weg ist natürlich auch immer ein wenig das Ziel und gerade auf der Hinfahrt waren es angenehme Etappen und die schleichende und schaukelnde EC-Fahrt von Prag nach Budapest bleibt sicher in Erinnerung. Die gute Laune war uns zumindest fast durchweg nicht abhandengekommen. Jonas hatte zwar hier und da seine Probleme mit dem Wetter, aber im Großen und Ganzen wollte auch er sich im Nachhinein nicht darüber beschweren. Auch war es eine sehr angenehme Mischung aus gemeinsam in den Tag starten und bei einem Bierchen enden lassen und an den langen Tagen auf eigene Faust unterwegs, jeder nach eigenem Gusto. So war man sich eigentlich nie auf die Nerven gegangen, hatte aber viele Anekdoten gemeinsam erlebt. Gern wieder!