Portrait des größten deutschen Schmalspurnetzes nach der Wende
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Teil 2 – Von Drei Annen Hohne auf den Brocken
Im zweiten Teil der Harzreise geht es von Drei Annen Hohne die rund 19 km lange Stichstrecke zum Brocken hinauf. Für eine größere Ansicht der Karte mit der rechten Maustaste auf die Karte klicken und “Grafik anzeigen” auswählen.
Die Stichstrecke zum Brocken, welche in Drei Annen Hohne von der Harzquerbahn abzweigt, wurde bereits im Jahr 1899 von der NWE eröffnet. In der Zeit der sowjetischen Besatzung war der Zugverkehr auf den Brocken eingestellt. Die Personenzüge endeten in Schierke und nur Güterzüge zur Versorgung des Stützpunktes auf dem Brocken fuhren auf den höchsten Berg des Harzes. Erst im Jahr 1992 konnte der fahrplanmäßige Verkehr wieder aufgenommen werden.
Im unteren Bereich zwischen der Bahnhofsausfahrt Drei Annen Hohne und dem Bahnhof Schierke verlief die Strecke jahrzehntelang vollständig im dichten Nadelwald und bot Fotografen dadurch so gut wie keine Motive. Mit dem Absterben der Fichtenkulturen hat sich der Anblick der Strecke bis in die 2020er-Jahre in diesem Abschnitt vollständig gewandelt. Im Bahnhof Schierke besteht die erste Kreuzungsmöglichkeit und für Fotografen die Möglichkeit, Aufnahmen der schweren Brockenzüge anzufertigen, wenn die Einheitsloks mit ihren 515 kW die bis zu acht Wagen langen Züge aus dem Bahnhof in die volle Steigung beschleunigen.
Auch zwischen Schierke und dem Betriebsbahnhof Goetheweg lag die Strecke seit dem Fichtensterben Ende der 2010er-Jahre und Anfang der 2020er-Jahre vollständig frei und verläuft bis zum Eckerloch dicht neben dem Bahnparallelweg.
Ab dem Betriebsbahnhof Goetheweg lichtet sich einst der bis dahin dichte Wald und ermöglicht einige Blicke zum Gipfel. Entlang des kargen Trockenmoors erreicht die Strecke die Brockenspirale.
In der großen Spirale umrunden die Züge den sagenumwobenen Gipfel und erreichen schließlich den Bahnhof Brocken. Innerhalb dieser Spirale bieten sich von den verschiedenen Wanderwegen zahlreiche Blicke auf die Strecke, welche besonders im Winter, wenn der Brocken unter einer meterhohen Schneeschicht liegt und die kleinen Tannen zu faszinierenden Eisskulpturen gefroren sind, einmalige Motive ermöglichen.
2.1 Drei Annen Hohne – Schierke
[Zuletzt aktualisiert am 28. April 2022]
Die Bahnhofsausfahrt Drei Annen Hohne in Richtung Brocken ist wohl eine der am meisten fotografierten Stellen der Harzer Schmalspurbahnen, wenn die langen Brockenzüge optimal ausgeleuchtet in die Steigung beschleunigen. Auch einige Meter hinter dem Bahnübergang bietet sich noch ein schönes Motiv, seit zahlreiche Tannen vor einigen Jahren gefällt wurde.
Anschließend verlief die Strecke von Drei Annen Hohne über Schierke bis zum Betriebsbahnhof Goetheweg jahrzehntelang mitten im dichten Fichtenwald und bot abseits der Bahnhöfe so gut wie keine Fotomotive. Erste Lichtungen oberhalb Drei Annen Hohne taten sich schließlich ab 2018 auf. Mit dem rasanten Fichtensterben änderte sich das Bild in den darauffolgenden Jahren bis 2022 jedoch ebenso rasant wie dramatisch. Da in diesem Bereich, anders als hinab nach Wernigerode, fast ausschließlich Fichtenkulturen standen, sucht man Bäume im Umfeld der Gleise heute an den meisten Stellen vergebens. Zwar sehr wüst und auf den ersten Blick auch erschreckend, haben sich durch die nun bis Schierke nahezu frei liegende Strecke unzählige neue Motive ergeben, sodass dieser Abschnitt der Reise im Jahr 2022 praktisch komplett neu aufgesetzt werden musste. Über weite Strecken ist die Bahn hier über parallel verlaufende, aber nicht zusammenhängende Wege erreichbar. So etwa vom Bahnübergang Drei Annen Hohne aus bergwärts, von Drei Annen Hohne Steuerkopf über einen Forstweg und wieder unterhalb Schierke über einen parallel verlaufenden Weg. So entstand hier zwischen den Jahren 2020 und 2022 ein praktisch gänzlich neuer Bilderbogen dieses Streckenabschnittes.
Streckenkarte zwischen Drei Annen Hohne und Schierke. Die Kartenmarkierungen geben den jeweiligen Fotostandpunkt an, die Kilometerangaben entsprechen der Position der Züge nach der offiziellen Kilometrierung. Für eine größere Ansicht mit der rechten Maustaste auf das Bild klicken und “Grafik anzeigen” auswählen.
km 0,3: Am Nachmittag des 15. Oktober 2018 passte alles zusammen, als das Harzkamel 199 861-6 einen lange nicht mehr gesehenen Einsatz im Planbetrieb zum Brocken erhielt. Bei strahlendem Sonnenschein und zaghafter Herbstfärbung verlässt der Dieselzug gegen halb drei Drei Annen Hohne in Richtung Brocken. Anschließend wird der Zug vom Brocken noch einmal nach Drei Annen Hohne und zurück zum Gipfel pendeln, bevor es am Abend zurück nach Wernigerode geht. Seit der Saison 2019 kommen die Harzkamele nun auch an einigen Fahrplantagen wieder regelmäßig auf den Brocken.
km 0,2: In über 25 Jahren hat sich an diesem Motiv so gut wie nichts geändert. Am 27. Januar 1991 war der Verkehr auf den Brocken allerdings noch nicht wiederaufgenommen und so ist der auffälligste Unterschied der mit vier Wagen deutlich kürzere Zug nach Schierke. Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein macht, sind Parallelausfahrten in Drei Annen Hohne nicht möglich, da alle Bahnhofsgleise zunächst zusammenführen, bevor wenige Meter weiter eine Weiche die Brocken- von der Harzquerbahn voneinander trennt.
km 0,4: Äußerst trist zeigt sich die Natur Anfang April im Harz. Der Schnee ist auf Höhe von Drei Annen Hohne bereits abgetaut und hinterlässt kahle Bäume und graugelbe Wiesen.
Selten ist man am Motivklassiker an der Bahnhofsausfahrt Drei Annen Hohne der einzige Fotograf, wenn ein Brockenzug wie 99 7237-3 am 1. April 2016 den Bahnhof Richtung Brocken verlässt.
km 0,4: So bunt wie der Zug war das Laub der Bäume am 20. Oktober 2018 leider noch nicht. Da zeitgleich eine Sonderfahrt der IG-HSB mit Teilen der historischen Wagen unterwegs war, blieben für den planmäßigen Traditionszug nicht mehr genügend passende Wagen übrig, sodass ein Teil der Fahrgäste in gewöhnlichen Rekowagen platznehmen musste.
km 0,5: Seit der Wiederaufnahme des Planverkehrs auf den Brocken sind solch kurze Züge nicht mehr im Plandienst zu beobachten. Auch die Schrankenanlage an der Kreuzung mit der L100 existierte kurz nach der Wende noch nicht und erlaubte einen etwas abgewandelten Blick auf die Bahnhofsausfahrt am 20. Juli 1990.
km 0,5: Die Rodung der unten rechts noch als Stümpfe zu sehenden Bäume ermöglichte schon vor dem großen Fichtensterben wieder Aufnahmen hinter der Straßenkreuzung in Richtung Brocken. Am 27. Februar 2016 ist Mallet 99 5902 mit dem Traditionszug in Richtung Brocken unterwegs.
km 0,5: Am 13. November 2016 bedeckt der erste Schnee des Winters die Landschaft mit einer dünnen Puderschicht, als 99 7234-0 mit Volldampf Richtung Schierke stampft. Ab hier verschwand die Strecke für Jahrzehnte im dunklen Fichtenwald und ermöglichte bis Schierke keine weiteren Aufnahmen. Erst Ende der 2010er Jahre ergaben sich die ersten Lichtungen, bis schließlich bis Anfang der 2020er-Jahre binnen weniger Jahre fast der gesamte Fichtenbestand in diesem Teil des Harzes abgestorben war.
km 0,8: Seit 2020 zeigt sich dieser Streckenabschnitt nun von einer ganz anderen Seite und Aufnahmen sind praktisch alle paar Meter möglich. Besonders im Frühjahr wirkt es dabei allerdings besonders wüst und trist und hat eher dokumentarischen Charakter. In Folge der Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie war der Bahnbetrieb abseits des Nordhäuser ÖPNV zwischen November 2020 und Juni 2021 fast vollständig eingestellt. Lediglich zwei tägliche Triebwagenfahrten von Wernigerode nach Schierke und zurück verblieben in dieser Zeit und brachten damit als Besonderheit Triebwagen auf die Brockenstrecke bis Schierke. Am 9. Mai 2021 war 187 019-5 für diesen letzten verbliebenen Dienst eingeteilt und befindet sich auf der vormittäglichen Runde nach Schierke.
km 1,0 (A): Am 7. Oktober 2019 hat 99 234 Drei Annen Hohne verlassen und nimmt die Steigung nach Schierke hinauf in Angriff. Durch die verbliebenen Fichten ist noch gut die eben gekreuzte L100 zu erkennen, neben der die Gleise der Harzquerbahn Richtung Elend verlaufen. Ein Jahr später verschwand hier der gesamte Fichtenbestand und gab den Blick auf die Querbahn endgültig frei. Zuvor hielten sich vereinzelte neue Lichtungen nur wenige Jahre zwischen dem Kahlschlag und dem anschließenden Überwuchern der neuen Lichtungen mit Buschwerk und Pionierbäumen, was Aufnahmen schon nach wenigen Jahren wieder erschwerte. Das Fichtensterben um die 2020er Jahre erreichte dann ein im Harz unbekanntes Ausmaß, sodass fortan an diesem Streckenabschnitt eher die wenigen Motive mit Bäumen, als umgekehrt gesucht werden wollten.
km 1,0 (B): Zum Vergleich dieselbe Stelle nur zwei Jahre später am 10. Oktober 2021. Von den einstigen Fichtenkulturen ist nichts mehr übrig und was noch steht, ist bereits abgestorben oder mindestens stark angezählt. 99 7241-5 ist mit einem selten gewordenen 8-Wagen-Zug auf dem Weg zum Brocken. Einige Jahre die Standardlänge auf der Brockenstrecke, wurde die Züge in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre zunehmend auf sieben, teils sogar auf sechs Wagen verkürzt, um den Verschleiß an den stark beanspruchten Loks zu reduzieren. So war die 99 7241-5 dann mit dem zusätzlichen Salonwagen auch durchgängig mit gehörigem Schlupf unterwegs und mehrmals drehten die Räder in der großen Steigung hinter Drei Annen Hohne durch.
km 1,1: Schnell erobert in den Sommermonaten grünes Gestrüpp – zum Leidwesen der Fotografen oftmals Brombeeren – die Brachflächen zurück. Bis sich ohne Nachhilfe natürliche Pionierwälder ausbreiten, dürften derweil wohl noch einige Jahre ins Land streichen, in denen die zahlreichen, dann wieder historisch werdenden Motive abgearbeitet werden wollen. Im bereits erwähnten Corona-Fahrplan wurde zwischen Himmelfahrt und Pfingsten 2021 ein Harzkamel mit Wagenzug anstelle eines Triebwagens eingesetzt. Auf der nachmittäglichen Runde nach Schierke konnte dabei 199 861-6 oberhalb Drei Annen Hohne aufgenommen werden. Bei dieser erhöhten Perspektive wird das Ausmaß des Fichtensterbens im gesamten Oberharz noch deutlicher. Die Querbahn neben der L100 liegt am 24. Mai 2021 ebenfalls vollständig frei.
km 1,5: Wenige Meter weiter zieht am 10. Oktober 2021 99 7239-9 einen Brockenzug Richtung Schierke. Ab hier weißt dann der Bahnparallelweg seine wichtigste Lücke auf: Praktisch existiert von hier bis Schierke kein durchgehender Wanderweg neben der Strecke, sodass für Wanderer und Mountainbiker ein großer Umweg oberhalb des Steinbruch Knaupsholz in Kauf genommen werden muss, über den die Strecke erst wieder kurz vor Schierke bei km 3,9 erreicht wird.
km 1,9: Bei dem zuvor beschriebenen Umweg werden allerdings die Motive oberhalb von Drei Annen Hohne Steuerkopf umlaufen. Diese sind nur als “Insel” von der L100 aus über einen wenige hundert Meter steil bergauf führenden Forstweg erreichbar. Der Abstecher hierher lohnt sich aber durchaus, wie 99 222 am 16. April 2022 bei voller Bergfahrt unter Beweis stellt. Auf wenigen hundert Metern Strecke ergeben sich hier einige Motive in beide Richtungen.
2,1 (B): In Gegenrichtung sehen wir am 21. Mai 2021 zum wiederholten Male 199 861-6 als “Diesel-Corona-Pendel” Wernigerode-Schierke-Wernigerode, welcher zwischen Himmelfahrt und Pfingsten 2021 mit Harzkamel zum Einsatz kam. Dieser konnte für diverse mit Dampfloks nur “rückwärts” umsetzbare Motive genutzt werden. Der im Normalfahrplan verkehrende Dieselzug kommt hingegen erst am Nachmittag das erste Mal vom Brocken herab und ist hier dementsprechend auch nicht mehr passend im Licht, sodass diese außergewöhnlichen Corona-Einsätze doch einige seltene Fotomöglichkeiten boten.
km 2,1 (A): Einen solchen nachmittäglichen Dieselzug nach Sommerfahrplan sehen wir am 16. April 2022 an derselben Stelle in Gegenrichtung. Erneut ist 199 861-6 für die Leistung eingeteilt und befindet sich am frühen Nachmittag auf ihrer ersten Bergfahrt zum Brocken. Nur von Freitag bis Dienstag wurde dieser Kurs im Sommerfahrplan 2022 mit Diesellok geführt, an den restlichen zwei Wochentagen mit Dampftraktion.
km 2,1 (A): An derselben Stelle sehen wir ebenfalls 99 7243-1 am 16. April 2022 mit einem nachmittäglichen Brockenpendel von Drei Annen Hohne zum Brocken.
km 2,3: Um die nächste Kurve herum lässt sich das Talfahrer-Motiv auch mit den regulären Dieselzügen wohl noch knapp am Nachmittag umsetzten. Am 24. Mai 2021 konnte das Motiv allerdings mit passend zur Mittagszeit talwärts fahrenden Corona-Pendel mit 199 861-6 umgesetzt werden.
km 3,0: Zur talseitigen Waldausfahrt unterhalb der Regensteiner Köpfe führt bereits keine geeignete Zuwegung mehr. Auf der regulär stark befahrenen Brockenstrecke empfiehlt sich in diesem Abschnitt auch nicht unbedingt das Gehen entlang der Gleise. Zu Zeiten der Corona-Betriebspause konnte hier allerdings mal ein Auge zugedrückt werden und an dieser Stelle auf die zweite und letzte Talfahrt des Corona-Pendels aus Schierke mit 199 861-6 gewartet werden.
km 3,9: Ab km 3,9 startet dann wieder der Bahnparallelweg neben der Strecke, erreichbar entweder über den schon geschilderten Umweg oberhalb, von unten von der L100, oder direkt vom Bahnhof Schierke. Der noch junge Blick auf die Wormke-Brücke wächst in den grünen Monaten schon wieder zunehmen zu, als 99 7237-3 am 10. Oktober 2021 Richtung Brocken unterwegs ist. Im kurzen unzugänglichen Abschnitt unterhalb dieser Aufnahme befindet sich auch der ehemalige Gleisanschluss an den dortigen Steinbruch.
km 4,5: Dem Bahnparallelweg folgend, bietet sich nach dem großen Fichtensterben durchgehend ein freier Blick auf die Strecke und den ganzen Tag über verschiedene Fotomöglichkeiten unterhalb Schierke. Am 23. April 2022 erreicht 199 861-6 mit dem letzten Brockenzug des Tages in Kürze den Bahnhof Schierke.
km 4,8: Auch die Blicke auf den Brocken und links vom Bildrand auf den Wurmberg sind im Jahr 2021 vollkommen freigeschlagen. Zurückgeblieben von den einstigen Fichtenkulturen sind unmittelbar neben der Strecke nur noch recht wüste Landschaften. Für den bereits beschriebenen Corona-Pendel war am 9. Mai 2021 187 019-5 eingeteilt und rollt hier auf der ersten Runde des Tages von Schierke zurück nach Wernigerode.
km 4,8: In Streckennähe wurden die umsturzgefährdeten, toten Fichten vorsorglich gefällt, um Gefahren für den Bahnverkehr durch umstürzende Bäume oder Funkenflug zu vermeiden. Ansonsten werden die toten Wälder im Nationalpark weitgehend sich selbst überlassen, um so die bestmögliche, natürliche Grundlage für eine neue Generation Wald zu schaffen. 99 7232-4 rollt am 10. Oktober 2021 aus Schierke hinab Richtung Drei Annen Hohne.
km 5,1: Am 7. April hatte sich im Oberharz stürmischer Schneeregen festgesetzt. So war der von 187 019-5 gefahrene Corona-Pendel nach Schierke dann bei der Rückfahrt auch gänzlich ohne Fahrgäste unterwegs. Triebwagen auf diesem Streckenabschnitt sind dennoch ein besonderer Anblick und Anlass für die Aufnahme unmittelbar an der Ausfahrt vom Bahnhof Schierke.
Vom Bahnhof Schierke geht es im nächsten Teil weiter zum Betriebsbahnhof Goetheweg.