Heute startet der zweite Versuch, ein paar ordentlich Aufnahmen vom Ahnenzug, dem Allegra 3514, am Bernina mitzunehmen. Es sollte deutlich besser gelingen als gestern…
Freitag, 27. Dezember 2024
Das war mal eine miserable Nacht gewesen. Die Unterkunft konnte diesmal allerdings nichts dafür, sondern die leichte Erkältung, die ich mir irgendwo eingefangen hatte. Tagsüber nicht wirklich ein Hinderungsgrund für die geplanten Unternehmungen, nachts dann aber schon lästig, wenn die “Reiseapotheke” wie immer von der Packliste gestrichen wurde. “Kannste ja vor Ort besorgen, wenn du was brauchst…” Genau das stand dann auch auf der Tagesordnung während der kurzen Wendezeit des Ahnenzuges in Tirano heute Morgen. Zunächst ging es aber noch in den Coop rüber, zwecks Beschaffung eines Frühstücks. Anschließend noch das Auto gefüttert und dann suchte ich mal den ersten Sonnenspot Richtung Tirano runter. Irgendwas hatte ich aber schon wieder falsch gelesen im Fahrplan, zumindest war der Allegra bei Miralago auf gleicher Höhe mit mir. Sonne war aber eh überall noch Mangelware, außer eventuell an einem Spot direkt am See, aber es sah eher so aus, als sei an der freien Stelle noch keine Sonne, sondern nur dort, wo Bäume noch Schatten auf die Strecke warfen. Egal, zeitlich hätte ich das eh nicht geschafft. Also einfach mitten auf dem Platz in Tirano, das ist doch immer eine ganz nette Szene, auch ohne Sonne. Es blieb noch genügend Zeit sich ein Nasenspray aus der Farmacia direkt am Platz zu holen. Die Dame sprach sogar englisch, woraufhin sie mir die genauen Unterschiede der feilgebotenen Produkte erläutern konnte. Im Wesentlichen ging es um “Chemie” oder “Natur”. Chemie bitte, es soll ja schließlich auch ordentlich wirken 😀
Allegra ABe 8/12 3514 kommt allein die Strecke hinunter nach Tirano, um sich dort einen Zug Richtung St. Moritz zu schnappen. War der morgens auch allein über den Bernina gefahren? Andererseits war ja wieder Werktag, gut möglich also, dass er eine Ladung Güterwagen aus Pontresina mitgenommen hat. Nur wo hat er die dann gelassen? In Poschiavo? Oder am Umschlag in Campocologno?
Für die Fahrt durch das Val Poschiavo blieb eigentlich nur eine Option, wo der Allegra einmal richtig ins Licht drehen würde, der Brusio. Dort dreht er ja zwangsläufig immer irgendwie ins Licht, solang die Sonne ins Tal scheint. Und es sah gut aus: Zwei Bögen dürften noch mehr ins Licht rücken, aber der Zug hatte auch noch eine Viertelstunde. Mit einem kleinen Frühstück stellte ich mich also auf den abgehackten Baumstumpf unterhalb des Kreiskehrviaduktes und beobachtete gemütlich in der Sonne stehend, wie auch das weltbekannte Bauwerk langsam weit genug in die Sonne rückte. Den in Brusio kreuzenden Gegenzug nahm ich auch gleich hier noch mit, denn das nächste erreichbare Motiv mit passendem Sonnenstand, war erst hinter der Passhöhe. Bis dahin hätte ich den Ahnenzug dreimal wieder ein.
Weltbekanntes Fotomotiv nun auch mit dem Ahnenzug: Allegra ABe 8/12 3514 schraubt sich am Ortsrand von Brusio das Val Poschiavo hinauf.
Wenige Minuten später kommt der in Brusio kreuzende Gegenzug mit ABe 8/12 3508 das Kreiskehrviadukt hinab.
Im Grunde gab es auch am Pass jetzt nur ein “richtiges” Motiv, um den ganzen Zug von nicht zu weit entfernt bei passendem Sonnenstand abzulichten: Die obere Berninabachbrücke zwischen Ospizio und Lagalp. Der Zug braucht dann doch beträchtlich länger die Steilrampe aus dem Val Poschiavo hinauf, sodass ich gut Vorsprung bis zum Parkplatz vor der Galerie hatte, an dem sich nur einige Eis-Kite-Surfer eingefunden hatten. Schneeschuhe an und es konnte die Viertelstunde hinab zur Brücke gehen.
Fast eineinhalb Stunden hat der Ahnenzug vom Brusio hinauf bis auf den Pass und wieder hinab bis kurz vor Lagalp gebraucht.
Für den Klassiker an der oberen Berninabachbrücke war der ABe 8/12 mit seiner sieben Wagen langen, stilreinen Altbaugarnitur, gerade noch passend. Während sonst doch meist ein etwas bunteres Wagengemisch unterwegs ist, hat sich hier nicht einmal ein EW IV eingeschlichen.
Durch die Kreuzung in Lagalp blieb mit jetzt nicht viel Zeit zum Verschieben, aber für eine deutlich seitlichere Ansicht auf die Brücke für den Zug nach Tirano reichte es noch. Zurück auf Höhe des Lej Nair, beschloss ich, auch noch den Bernina-Express aus Tirano abzuwarten, der etwa eine halbe Stunde hinter dem Ahnenzug lief und somit auch nicht mehr weit weg sein konnte. Es war halt auch schon wieder bisschen dieser “Nicht-Weg-Wollen-Effekt” hier oben 😀
ABe 8/12 3501 hat in Lagalp den Ahnenzug gekreuzt und kämpft sich auf der oberen Berninabachbrücke die letzten Meter zur Passhöhe hinauf.
In Alp Grüm hat der Regio nach Tirano den Bernina-Express gekreuzt, der dem Ahnenzug etwa im Halbstundenabstand gefolgt ist. Hinter dem im Vordergrund zugefrorenen Lej Nair verschwindet der ABe 8/12 3508 gleich in der kurzen Schneeschutzgalerie.
Für die Rückfahrt des Ahnenzuges galt es sich nun schon einmal eine erste Stelle zu suchen. Selbst das Tal Richtung Morteratsch dürfte um kurz nach eins schon kritisch werden – die Ausrichtung ist hier einfach suboptimal. Aber der Bahnhof Pontresina liegt doch recht lang in der Sonne, mal schauen wo der Zug einfahren würde. Gleis 4 war angeschlagen. Und oben von der Straße von der anderen Seite des Bahnhofes? Warum hatte ich das eigentlich noch nie versucht? Perfekter Sonnenstand, schöne Sicht auf den Triebwagen, um den es hier ja im Wesentlichen ging und das Gleisfeld war fotogen eingeschneit. Ich drehte EasyPark am Bahnhof und lief mit einem Mittagessen mal um den Bahnhof herum, über den Bahnübergang und an besagten Ausblick von der kleinen Straße. Das ging perfekt! Hier bleibe ich.
Beim Mittagsimbiss konnte von hier das für die großen Umschlagbahnhöfe typische RhB-Bahnhofstreiben beobachtet werden: Die BÜGA-Ge 4/4III lief aus Samedan wie üblich mit wenig Restlast hier am Ende der Fahrt in Pontresina ein. Sogleich setzte sich der Bahnhofshund an den Wagen und brachte ihn an die Laderampe am südlichen Bahnhofskopf. Die Ge 4/4III kurvte an den anderen Bahnhofkopf und setzte sich vor einen hübschen Kesselwagenzug mit vier Wagen, den der Hobel zuvor bereitgestellt hatte und machte dann auch erstmal Mittagspause. Ebenfalls aus Samedan lief dann kurz vor dem Ahnenzug pünktlich der Anschluss nach Scuol ein. Ein bisschen heile Eisenbahnwelt ist die RhB irgendwie schon immer noch.
Nach der Wende in St. Moritz startet der Ahnenzug um kurz vor eins zur nächsten Runde über den Bernina und erreicht nach wenigen Minuten Fahrzeit die nördliche Home Base der Berninabahn in Pontresina. Der “Stammnetz-Anschluss” nach Scuol wartet schon auf Gleis 1.
Als nächstes wollte ich was in Morteratsch versuchen. Da ich aber nicht genau wusste, wie und wo und die Berninabahn auf diesem Abschnitt ausnahmsweise auch recht flott unterwegs ist, war das ein Unterfangen mit vielen Fragezeichen. Wenig hilfreich war, dass ich am Bahnhofparkplatz von Pontresina links komplett eingeparkt worden war und jetzt irgendwie von rechts auf den Fahrersitz klettern musste. Was denken sich solche Leute eigentlich? Die netteste Auslegung wäre noch, dass die sich gar nichts dabei denken…
In Morteratsch war der Bahnübergang dann schon unten, sodass keine Möglichkeit mehr bestand, auf die Sonnenseite der Brücke an der Bahnhofsausfahrt zu gelangen. Ich lief schon zum Auto zurück, an der von dieser Seite komplett gegenlichtigen Brücke stellte ich mich dann aber doch noch zu zwei anderen für einen “Notschuss”. Weniger als ein Sichtungsbild, dachte ich eigentlich, aber je öfter ich mir die Aufnahme im Nachhinein ansehe, desto besser gefällt sie mir. Der entscheidende Faktor ist hier der mit der Arosa-Bahn-Seite vorausfahrende Ahnenzug, denn das weiß und pastellblau passt sich einfach perfekt in die restlichen Farben des Bildes ein. Der schneebedeckte Fluss unten, über dem Zug die im Gegenlicht weiß/bläulich scheinenden, verschneiten Flanken des Bernina-Massivs und darüber der gegenlichtig hellblaue Himmel. Irgendwie wirkt das Bild auf seine Art. Mit einem roten Triebwagen wäre es dahingegen wohl wirklich ein schlechtes Sichtungsbild geworden. Manchmal entsteht eben auch aus spontanen Schnappschüssen was.
ABe 8/12 3514 überquert hinter Morteratsch den Ova da Bernina vor der Kulisse des Bernina-Massivs. Die markante Doppelspitze rechts ist der Piz Bernina mit 4048m.
Zwischen Diavolezza und Lagalp hatte ich den Zug wieder ein. Das sollte noch reichen für eine Aufnahme am Lago Bianco. Am Hospiz-Parkplatz war jetzt auch ordentlich was los, ich konnte mich aber noch hinter einen längs stehenden LKW quetschen. Schnell die paar Meter zu einem passenden Ausblick runter gelaufen, dann schlängelte sich der Ahnenzug auch schon am Ufer des Lago Bianco entlang auf den Bahnhof Ospizio Bernina zu.
ABe 8/12 3514 schlängelt sich entlang des Lago Bianco zum Bahnhof Ospizio Bernina.
Jetzt zeigte sich, dass die Dezembertage doch sehr kurz sind, spätestens wenn man einen speziellen Zug verfolgt. Denn viel wäre jetzt nicht mehr anzufangen. Im Val Poschiavo würde der Zug komplett im Schatten fahren bis er dort ankäme, abgesehen von oberhalb Poschiavo, aber da würde ich es wohl selbst nicht mehr rechtzeitig hinschaffen. Andererseits wäre auch hier oben schon etwa in 30 Minuten wohl überall das Licht aus, der Bahnhof Ospizio begann bereits in den Schatten zu versinken. Aber nochmal runter ins Engadin? Hatte ich irgendwie auch keine Lust zu, wollte ich doch heute Abend noch etwa bis zum Lago di Como weiterfahren, also genau in die andere Richtung.
Also in den gemütlichen Modus umgeschaltet: Einfach entspannt Richtung Tirano gondeln und schauen, ob irgendwas geht. Wenn nicht, würde sich bestimmt noch ein Caffè finden, wo ich gemütlich die weitere Route und die nächste Übernachtung planen könnte.
Wie erwartet wäre dann vor Poschiavo in der Nähe der neuen Doppelspur wohl was gegangen. Allerdings wurde man das Auto nirgends los und von unten aus dem Ort hätte es zeitlich nicht mehr gereicht. Dafür hätte ich zuvor eben einen Gewaltritt den Pass runter hinlegen müssen. Ich legte dann noch einen Boxenstopp beim Coop am Bahnhof ein, um ein wenig Proviant für die Fahrt zu haben, während der Ahnenzug gerade in den Bahnhof einlief. Bis Tirano hatte ich den natürlich schon wieder meilenweit abgehängt, aber wie erwartet lag im Tal alles schon in tiefen Schatten. Erst mit dem Quertal in Tirano tauchte ich wieder in die Sonne ein und auf dem Platz an der Basilika hatte es sogar noch einen Spot. Die Aufnahme von heute Morgen gab es nun sechs Stunden später also auch noch einmal mit etwas Restsonne. Anschließend ging es noch zum Bahnhof rüber, allerdings stand der Zug erstens auf dem falschen Gleis und zweitens war ein Hausschatten auf den Allegra gewandert, bis ich durch die Unterführung und den ganzen Bahnsteig rausgelaufen war. Unterwegs galt es sich auch noch durch eine Reisegruppe aus dem Zug zu schlagen, die anscheinend der Meinung war, die gesamte Unterführung in voller Breite gekauft zu haben 😀
Sechs Stunden nach der ersten Aufnahme des Tages, erreicht ABe 8/12 3514 wiedermal den Platz vor der Basilika in Tirano.
Im Bahnhof von Tirano wird sich schnell für die Rückfahrt nach St. Moritz gestellt. Leider war der Hausschatten schneller, als mein Weg durch die Unterführung.
Am Bahnhofsplatz fand sich dann auch ein Caffè, wo ich bei einem Americano eine Unterkunft am Lago di Como in Dongo für heute Abend buchte. Damit wäre es morgen früh nur noch rund eine Stunde zu fahren zur Ferrovia Monte Generoso. Dass sollte passen, denn die erste Bergfahrt startet dort eh erst um 10.15 Uhr.
Die Straße hier von Tirano das Veltlin nach Westen ist bekanntermaßen ein ziemlicher Krampf und so wurde es wie erwartet etwas mehr als die eigentlich nötigen 1 1/2 Stunden. War aber auch völlig egal, ich hatte ja nichts mehr vor, ließ eine wenig Podcast laufen und schaute mal, wie denn der Stauassistent so arbeitet.
An die Albergo Dongo war auch gleich noch ein Restaurant mit ebenso guten Bewertungen angeschlossen, sodass nach der Fahrt auch keine großen Sprünge mehr nötig waren. Außer noch mal zu einem Supermarkt, paar Ricola kaufen, damit diese Nacht etwas angenehmer würde.
Restaurant und Hotel hielten was sie versprachen. Da es wohl der letzte Tag mit abendlichem Restaurantbesuch würde, gönnte ich mir heute noch mal ordentlich: Eine Pizza, einen großen Salat, ein alkoholfreies Forst dazu und zum Nachtisch hausgemachte Tiramisu und einen Espresso. War alles vom Feinsten, aber so viel, dass ich anschließend nochmal die Kamera rausholte und zur Verdauung etwas durch den Ort spazierte.
Dongo am Lago di Como am Abend. Die bunt beleuchteten Fassaden fand man hier in mehreren Orten.
Die Ufer des Sees sind eine einzige Lichterkette.
Vor dem Rathaus darf ein Weihnachtsbaum nicht fehlen. Wobei es eher aussieht, als hätte man dem gegen seinen Willen die Lichterkette übergestülpt.
Das war es dann auch schon wieder für heute. Es dürfte wohl, abgesehen von der Anreise, der fotoärmste Tag gewesen sein. Aber wenn dann solche Aufnahmen dabei rauskommen, kann ich mehr als gut damit leben. Langsam kam nun auch schon wieder das Ende dieser Reise am Horizont in Sicht und Gedanken mussten her, was mit den restlichen Tagen noch anzustellen wäre. Morgen steht der Monte Generoso auf dem Plan, inzwischen schien aber in der gesamten Schweiz oberhalb des Hochnebels die Sonne, sodass die weitere Planung komplett offen war.
Noch mal in die Westschweiz rüber, die bei Schnee schon lange auf der Wunschliste steht? Das wäre, mit dann nur zwei noch möglichen Tagen dort, ein ganz schönes Gefahre und ich würde in der Zeit nicht ansatzweise schaffen, was ich mir dort ansehen wollte. Fiel also im Grunde raus. Gern hätte ich mir auch Chur-Arosa nach vielen Jahren mal wieder angesehen, das steht schon ewig auf der Liste. Aber noch einen Tag Allegras, wo der Lokzug im Winterfahrplan nicht läuft? Und was geht dort überhaupt im Dezember mit Sonne? Zudem gab es im Umkreis von 100km nirgends mehr bezahlbare Unterkünfte, dass würde also höchsten als Durchgangstag funktionieren. Die einzige Folgeoption nach Chur-Arosa wäre dort dann das Appenzell. Das Appenzell? Das Appenzell! Chur-Arosa dann gern gar nicht, sondern irgendwann wenn dort mehr Tageslänge wäre und der Lokzug fährt. Aber das Appenzell wäre definitiv eines der Ziele, wo man auch so ziemlich das Maximum an Tageslänge würde nutzen können und bei Schnee wollte ich dort auch schon lang einmal vorbeischauen, was aufgrund der Höhe aber nur schwer planbar ist. Das war also die Gelegenheit jetzt. Morgen Abend also einmal längs durchs Land ins Appenzell und vom 29. auf 30. könnte ich dann noch bei Johannes bei Ravensburg vorbeischauen und dort eine Übernachtung einlegen. Das wurde gleich mal angefragt und positiv bestätigt. Steht der Plan also erstmal – Änderungen vorbehalten…