Flucht in die Wintersonne IX: Über dem Nebelmeer im Appenzell

Am letzten Tag dieser Reise geht es noch einmal über das Nebelmeer hinauf ins Appenzell, erneut an die Stoss und hinab bis nach Urnäsch.


Montag, 30. Dezember 2024

Gegen sieben klingelten wie geplant die Wecker und nach einem kurzen Frühstück brachen wir auch schon zur etwa einstündigen Anfahrt ins Appenzell auf. Für mich zwar eigentlich genau die falsche Richtung entgegen der abendlichen Heimfahrt, aber Schnee und Sonne lockten einfach zu sehr. Wie schon gestern, sollte der Tagesstart erneut an der Stoss hingelegt werden, aus Deutschland kommend liegt der Weg über Altstätten eh günstig. Erneut gab es den surrealen Wechsel aus der Düsternis unterhalb des Rheintal-Nebelmeeres in die aufgehende Sonne darüber.
Mein von gestern vorgemerktes Motiv an der Ortseinfahrt Gais hatte noch etwa eine Stunde, bis gegen 10 Uhr ausreichend Licht dort sein sollte. Also begannen wir erstmal ganz klassisch am Bahnhof Gais, in dessen Einfahrtskurve dank einer günstigen Häuserlücke bereits um neun Uhr die Sonne scheint.
Die Fahrt nach Altstätten setzte ich dann ein erstes Mal über dem Nebelmeer an der Stoss um, Johannes sprang derweil an der Geraden zwischen Schachen und Rietli ab, an der ich gestern bereits gestanden hatte.


Erstaunlich früh scheint in die Einfahrt Gais selbst an einem Dezembermorgen schon die Sonne. BDeh 4/4 16 erreicht mir ABt 121 das Ende seiner Fahrt aus Altstätten mit Anschluss an die Durchmesserlinie Richtung Appenzell und St. Gallen / Trogen.


Da mein Motiv am Ortsrand noch einen halben Umlauf brauchte, bis sich die Schatten verzogen hätten, stellte ich mich für die Fahrt nach Altstätten erstmal an der Kreuzstrasse.


Der Blick über das Nebelmeer sollte heute Nachmittag hoffentlich noch deutlich besser gelingen. Aber falls etwas dazwischenkommen würde, hatte ich es nun wenigstens schonmal im Kasten.

Nachdem Johannes wieder eingesammelt war, ging es nun an die von gestern vorgemerkte Stelle am Ortsrand von Gais kurz vor der Bahnhofseinfahrt mit Blick über den Ort. Dort passte es jetzt einfach perfekt, sodass wir die Strecke anschließend verlassen und hinüber zur Strecke Wasserauen-Appenzell-Gossau wechselten.


Am Ortsrand von Gais bietet ein kleiner Grat mit Wanderweg einen wunderbaren Blick Richtung Säntis zur einen Seite und auf die Bahnstrecke zur anderen Seite. Da wartet man gern einige Minuten auf einen Zug.


Um 180 Grad gedreht, fällt der Blick wenig später auf den leicht verspäteten Zahnradpendel aus BDeh 4/4 16 und ABt 121 vor der Kulisse von Gais.

Auf dem Zettel standen nun die Stellen zwischen Steinegg und Weissbad, für die gestern rund eine Stunde später die Sonne bereits zu weit herumgewandert war. Wir erklommen einen kleinen Hügel hinter der Strecke und warteten auf den nächsten Kurs nach Wasserauen. Wie erwartet waren auch heute keine Verstärkermodule oder Traktionen im Einsatz.


Gestern hatte ich noch hinten in der Innenkurve gestanden, heute gibt es nun kurz vor Licht rum noch die Ansicht vom Hang von der anderen Streckenseite, wo die Autos weniger zur Gefahr werden. ABe 4/12 1003 zwischen Steinegg und Weissbad auf dem Weg nach Wasserauen.


Wenige Meter weiter entlang der Strecke ging es für die Rückfahrt des ABe 4/12 1003 noch einmal in den Hang. An die Keksfabrik, die das Bild hier inzwischen dominiert, konnte ich mich vom letzten Besuch hier irgendwie nicht erinnern. Vielleicht war ich an der Stelle aber auch gerade deswegen immer vorbeigefahren.

Im Anschluss wollten wir uns einfach etwas an der Strecke über Gonten Richtung Urnäsch hinabtreiben lassen und schauen, wie weit wir so kommen würden. Fixpunkt für den Nachmittag war gegen 14:30 die Kreuzstrasse, sodass wir spätestens gegen 14 Uhr wieder umkehren müssten. Der durchgehende Halbstundentakt zwischen Appenzell und Gossau ermöglichte in wenigen Stunde mehrere Motive, einen ersten Halt legten wir in Gontenbad ein und liefen vom großen Parkplatz des Altenheims auf die Wiesen raus. Kaum angekommen rauschte auch schon der nächste ABe 4/12 durch.


ABe 4/12 1004 hinter Gontenbad Richtung Appenzell. Die Stelle dürfte aufgrund der Wiese im Sommer wohl höchstens eingeschränkt funktionieren.

Weiter ging es in Gonten, wo wir vom Bahnhof ein Stück an der Strecke entlangliefen und bei einem Kaffee aus Johannes Vorräten mehrere Perspektiven am Ort umsetzten.


ABe 4/12 1004 erreicht Gonten auf dem Weg nach Gossau.


Gonten war aktuell der Ort der Krähne. Die mussten ja fast aufpassen, dass sie sich nicht gegenseitig ins Gehege kamen.


Kurz hinter dem Bahnhof im Ort der Krähne gab es mit ABe 4/12 1003 noch den nächsten Kurs Richtung Appenzell.

Zwischen Gonten und Jakobsbad war dann am Skilift wieder der übliche Wintersportwahnsinn. Alles tummelte sich auf engstem Raum und trotz unzähliger Stellplätze war kaum noch ein Parkplatz zu finden. Ein freier Platz wurde von irgendeiner Tante für jemand anderen blockiert der offenbar noch nicht eingetroffen – was sind das denn für Gepflogenheiten hier? Die stand da übrigens auch fünf Minuten später noch, als wir wieder abfuhren – hätten wir den Platz auch mit unserem Wagen “freihalten” können. An einem anderen freien Platz muckte dann irgendeine Passantin direkt auf und meinte, dass sei hier der Durchgang. Aha, warum steht dann nirgends ein Wegweiser oder anderer Hinweis? Auch ein Weg führte hier nicht rein, schließlich war beiderseits der Straße eigentlich Wiese. Den Platz hatte sich dann fünf Minuten später auch kurzerhand jemand anderes geschnappt. Wohl doch kein Durchgang… Wir fanden dann weiter hinten doch noch einen der letzten freien Plätze und kaum ausgestiegen, kam auch schon der nächste Kurs aus Appenzell über den Talgrund gerauscht. Wir parkten jetzt aber quasi direkt am Motiv und hätten sozusagen auch durch die Frontscheibe fotografieren können. Der plötzliche Auftritt des ABe 4/12 war also kein Problem, umso schneller konnten wir den Trubel hier wieder hinter uns lassen.

Einerseits ist es immer der Wahnsinn, wie sich das alles an den Liften und Pisten ballt, andererseits muss man vielleicht gerade froh sein, dass der Wintersporttrubel so konzentriert an einigen Orten auftritt, kann man dem so doch gezielt aus dem Weg gehen und hat an den meisten Orten seine Ruhe.


ABe 4/12 1001 rauscht zwischen Gonten und Jakobsbad am Wintersporttrubel vorüber.

Mit Urnäsch erreichten wir dann anschließend auch schon den weitesten Punkt der heutigen Fahrt. Einerseits wurde der Schnee hier auf der Höhe nun langsam knapp, andererseits wollten wir rechtzeitig wieder zurück an der Stoss sein. So kauften wir erstmal im örtlichen Coop ein Mittag ein und liefen dann etwas zwischen Bahnhof und der bekannten Kehre herum. Durch die Zugkreuzung hier im Ort, ließ sich pro halber Stunde leider immer nun ein Motiv umsetzen. Die zwei Minuten zwischen den Zügen aus beiden Richtungen reichten nicht ernsthaft für einen Motivwechsel zu Fuß im Schnee.


Die Kehre von Urnäsch ist einer der Klassiker an diese Strecke. Nachdem ABe 4/12 1004 einige Minuten im Bahnhof auf den verspäteten Gegenzug gewartet hat, kann die Fahrt Richtung Appenzell fortgesetzt werden. Der Gegenzug ist hier gerade noch beim Verlassen des Bahnhofes am rechten Bildrand zu erkennen.


Eine halbe Stunde später erreicht ABe 4/12 1002 die Kehre von Urnäsch. Schön zu erkennen, wie die Strecke am Gegenhang weiter hinab nach Gossau verläuft. Bei Johannes, der hier eine halbe Stunde zuvor gestanden hatte, war es sich genau ausgegangen mit beiden Triebwagen in einer Aufnahme – ganz ohne Tricks 😉

Um auf Nummer sicher zu gehen, starteten wir anschließend bereits zur Rückfahrt an die Stoss. Heute musste es schließlich klappen mit DEM Motiv aktuell hier im Appenzell. Als Backup, falls die Sonne doch unerwartet früh verschwinden würde, sollte zunächst der Talfahrer dienen. Eigentlicher Hauptschuss war aber natürlich die anschließende Bergfahrt im letzten Sonnenlicht. Es klappte am Ende beides, sodass die zweite Aufnahme ganz klar umgehend zum Kalenderbild erklärt werden konnte.


Die altbekannte Kombo aus BDeh 4/4 16 und ABt 121 bremst hinter dem Haltepunkt Kreuzstrasse hinab nach Altstätten.


Eine halbe Stunde später taucht der Zug wieder aus dem Nebelmeer auf. Die Sonne stand tatsächlich bereits gefärhlich tief, sodass ich mich kurz vor dem Zug noch etwas weiter hinauf verschieben musste.


Johannes hatte die halbe Stunde zwischen den beiden Fahrten genutzt, um sich etwas den Berg hinauf nach oberhalb der Kreuzstrasse zu verschieben. So dauerte es nun etwas, bis er zurück am Auto war und ich vertrieb mir die Zeit mit dem betrachten der Panzersperren der Sperrstelle Stoss, die im Zuge des zweiten Weltkrieges errichtet wurde.

Schon wieder war ein kurzer sonniger Dezember-Fototag vorüber. Aber mit solchen Aufnahmen in der Tasche, war die kurze Tageslänge wiedermal sehr gut “verkraftbar” gewesen. Wir rollten wieder hinab in die düstere Stimmung des ewigen Rheintalnebels. Fast gewohnheitsmäßig wurde ich noch einmal Kunde beim Coop Pronto in Diepoldsau, wo ich noch etwas Vorräte für die Rückfahrt besorgte. Das Auto wollte hinter Bregenz eigentlich gleich dem Ruf der Heimat folgen und weiter auf der A96 bleiben, allerdings musste ich ja Johannes noch wieder absetzen. Der Umweg war aber klein, einzig nervig dabei, dass es mich die entspannte Route über die A96 zur A7 kostete. Dafür konnte ich noch einmal eine Pause einlegen und wir saßen noch paar Minuten gemütlich bei einem Kaffee zusammen, bevor ich mich auf die Heimfahrt machte. Zwischen Ravensburg und Ulm war es dann wie erwartet das üblich Gegurke, anschließend lief es dann in den Abend und die Nacht hinein aber nahezu perfekt. Zwei kurze Verschnauf- und Essenspausen irgendwo an der A7, sowie einen Tank- und Kaffeestop an einem Rasthof und schon um halb zwölf erreichte ich mein Ziel.

Am folgenden Tag wurde dann noch das Auto grundgereinigt und wieder gegen die schnarrende Lüftung meines Leons getauscht, womit sich auch das letzte Kapitel dieser Reise schloss.


Epilog

Selten hatte ich Sonne und eine Ausflucht in die Ferne so nötig gehabt wie vor dieser Tour. Ein Glück, dass ich mich von der zugegebenermaßen ungewöhnlichen Foto-Reisezeit mit den extrem kurzen Tagen nicht hatte abschrecken lassen. Die Sonnen bis zum Prognosehorizont aller Wetterfrösche hatten Recht behalten und diese verrückte Idee zu einem vollen Erfolg gemacht.
Auch wenn die Tage natürlich Minimallänge hatten, war es bei diesem Wetter eine geniale Tour. In der Erinnerung kramend, fällt mir zumindest keine Reise ein, bei der ich jemals acht Tage durchgehend derartige Wetterbedingungen hatte – bei einer Fahrt Ende Dezember gewissermaßen aber auch eine Grundvoraussetzung, damit es überhaupt Sinn macht.

Obwohl es in erster Linie darum gegangen war rauszukommen, hatte ich sogar einige Ziele abhaken können, die ohnehin schon länger auf der erweiterten Liste gestanden hatten. Vor allem die Ferrovia Trento-Malé-Mezzana wollte ich immer schon intensiv und bei Kaiserwetter besuchen, nachdem ich dort zwar schon mehrmals kurz, aber nie so richtig und immer bei mäßigem Wetter gewesen war. Die Rittnerbahn war im Winter auch mal was komplett anderes und ein schöner Weihnachtsspaziergang. Die Berninabahn hatte zwar nirgends wirklich auf einer Prio-Liste gestanden, aber mein bei entsprechendem Wetter allgemeingültiges Motto “Bernina und Oberalp gehen immer” hatte sich wiedermal bestätigt und der Einsatz des Ahnenzuges den Ausschlag gegeben, dort zwei Tage Pause einzulegen. Der Monte Generoso war demgegenüber nach dem Besuch in der Hochsommersuppe von 2021 nie so recht abgehakt, ein Besuch im Spätherbst oder Winter mit klarem Licht schon immer angedacht gewesen. Das Appenzell stand eher nebulös auf der Liste der vielen Schweizer Meterspurbahnen auf einer Höhe von rund 1000 Meter, bei denen ich mal den “Winter” erwischen wollte, was ja inzwischen eher schwer planbar ist. Genau solche Chancen wie jetzt, gilt es daher zu nutzen, weshalb auch gleich noch ein zweiter Tag eingelegt wurde. Ein Abwägen von Pro und Kontra zu dieser Reise ist also kaum nötig. Es war einfach nur genial. Die kurze Tageslänge war mir von Vornerein bewusst und wenn man dann in den sechs bis sieben nutzbaren Sonnenstunde auch tatsächlich nur Sonne pur und glasklare Luft hat, kommen dabei durchaus mehr Top-Schüsse heraus, als an manch langem Sommertag.

Ein besonderer Dank geht natürlich an den Fahrzeughalter meines kurzfristig zur Verfügung gestellten “Leihwagens”. Demnächst geht es dann wieder gemeinsam auf Tour in vollkommen neue Gefilde weit im Osten. Vorher geht es auf diesem Kanal in den nächsten Wochen weiter mit einem Besuch von Jonas in Berlin und bei umliegenden Straßenbetrieben aus dem Sommer 2024.

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