Straßenbahnen im Exil: Mainzer GT6 in Elbing und Arad

Die Straßenbahn in Mainz beschaffte ab den späten 50er Jahren ein buntes Gemisch verschiedener GT6-Kleinserien. Neben klassischen Düwag-Fahrzeugen, waren darunter auch sieben ausschließlich nach Mainz verkaufte Fahrzeuge von Westwaggon. Ein Großteil der Fahrzeuge wurde spärer ins polnische Elbing (Elbląg) abgegeben. Ein GT6 schaffte es sogar bis nach Rumänien und steht dort noch heute im Einsatz.


GT6-ZR 121-127 Westwaggon

Für seine verbliebenen Linien ohne Wendeschleifen beschaffte die Straßenbahn in Mainz in den Jahren 1958 und 1961 insgesamt sieben GT6 von Westwaggon mit den Nummern 121 bis 127 (ab 1966 221-227).
Von dem zeitgleich zum Verkaufsschlager avancienrenden Düwag GT6 unterschieden sie sich insbesondere durch ihre markante Frontgestaltung, welche nicht der geraden Front mit herumgezogener Scheibe von Düwag entsprach: Die Front besteht aus drei einzeln eingelassenen Scheiben und ist ab der Höhe der Scheiben leicht schräg gestellt. Die seitlichen Scheiben an der Front sind um die abgerundete Fahrzeugfront herumgezogen und nach hinten abgerundet.
Weitere Unterschiede sind die weit heruntergezogenen Seitenbleche und die etwas weniger verjüngte Front, wodurch die Fahrzeuge etwas bulliger wirken als die schmalen GT6-ZR von Düwag. In den Abmessungen gleichen sie weithende dem GT6 von Düwag und viele Teile wie Türen und Antriebe, wurden von Düwag zugeliefert. Auffällig sind allerdings die nur einfach ausgeführten Falttüren. Lediglich die jeweils hintere Tür wurde als Doppeltür ausgeführt.
Mit der Auslieferung der GT6M Niederflurwagen im Jahr 1996, konnten die GT6 von Westwaggon ausgemustert werden. Sechs der Fahrzeuge wurden daraufhin ins polnische Elbing abgegeben, 226 blieb als Museumsfahrzeug erhalten und wartet derzeit auf die Umrüstung für den 750V-Betrieb.
Im kleinen Betrieb von Elbing blieben die Fahrzeuge teils über 15 weitere Jahre im Liniendienst. Bis 2013 wurden allerdings alle Fahrzeuge von Pesa Swing Niederflurwagen und gebrauchten M-Wagen aus Augsburg und Mülheim abgelöst und inzwischen vollständig verschrottet.


Am 17. August 1989 treffen sich die Westwaggon GT6 221 und 227 auf der Linie 10 in Hechtsheim an der Haltestelle Domsheimer Weg. 227 trägt im Gegensatz zu 221 noch den alten Scherenstromabnehmer.


Am 20. Juni 2004 trug der Westwaggon GT6 223 auf Fahrschulfahrt in Elbing noch Teile seiner Mainzer Lackierung und kam im Vergleich zu den vielen GT6 mit Vollerbung recht ansehnlich daher.


Erst spät erhielten einige wenige GT6 mit dem Einzug des auffälligen grün/gelb/schwarzen Lackschemas in Elbing eine neue Lackierung. Den Großteil ihrer Einsatzzeit waren sie in Polen von verschiedensten Vollwerbungen geprägt. GT6 223 trug als einziges Fahrzeug von Westwaggon die neuen Betriebsfarben und konnte am 17. Oktober 2011 auf der Linie 1 angetroffen werden.


Die Vollwerbungen überboten sich teilweise in ihrer Unansehnlichkeit. Der schwarze GT6-ZR 225 spielte da ganz weit Vorn mit und konnte am 17. Oktober 2011 auf der Line 4 aufgenommen werden


GT6-ZR Düwag

Mit der Übernahme der Mainzer Westwaggon durch KHD im Jahr 1959, wurde der weitere Bau von Straßenbahnen bei Westwaggon eingestellt und der noch 1961 an die Straßenbahn Mainz gelieferte GT6 blieb das letzte Mainzer Fahrzeug aus der ortsansässigen Waggonfabrik. Zur Ausmusterung der letzten Vorkriegswagen, wurde daher bei Düwag eine Serie von acht weiteren GT6 Zweirichtungswagen bestellt, welche den aus vielen anderen deutschen Betrieben bekannten Fahrzeugen entsprechen. Die Fahrzeuge erhielten die Nummern 128 bis 135 (ab 1966 228 bis 235) und wurden ebenfalls 1996 durch die GT6M ersetzt. Die Fahrzeuge 228 und 231 wurden bereits zuvor nach Unfällen ausgemustert. Die übrigen sechs Wagen gelangten gemeinsam mit den GT6 von Westwaggon ins polnische Elbing, wo sie ebenfalls bis 2013 vollständig durch modernere Fahrzeuge ersetzt und verschrottet wurden.


Am 6. Juli 1977 warten die beiden Mainzer GT6-ZR Bauarten hintereinander in der Schleife Römerquelle der Linie 10. Die verschiedenen Frontgestaltungen sind dabei die auffälligsten Unterschiede zwischen Düwag GT6-ZR 231 und Westwaggon GT6-ZR 227. Der Düwag GT6-ZR 231 wurde bereits 1989 nach einem Unfall in Mainz verschrottet und gelangte ebenso wie 228, den das selbe Schicksal ereilte, nicht ins polnische Elbing.


Im Jahr 1996 drohte mit der Auslieferung der GT6M-Niederflurwagen bereits das baldige Ende aller drei GT6-Baureihen in Mainz. GT6-ZR 232 am 14. Juni 1996


Gut ein Jahr später konnte der selbe Wagen am 30. August 1997 bereits im polnischen Elbing samt neuer Vollwerbung angetroffen werden. GT6 232 hatte derweil in Elbing nur ein recht kurzes zweites Leben und wurde nach einem Unfall im Jahr 2002 bereits 2004 verschrottet.


An der Innenstadtachse lässt sich am Morgen unweit der Haltestelle 1 Maja der Fahrzeugauslauf in bestem Licht festhalten. So auch der Düwag GT6-ZR 234 am Morgen des 17. Oktober 2011.


Auch GT6-ZR konnte am 17. Oktober 2011 angetroffen werden und unweit der innenstadtnahen Haltestelle Plac Słowiański als Linie 2 aufgenommen werden. Auffällig ist der Einholm-Scherenstromabnehmer polnischer Bauart, den das Fahrzeug Ende 2008, Anfang 2009 in Elbing erhielt. Typisch ist diese Bauform unter anderem für den Konstal 105Na/805Na.


In Elbing dienten die einstigen Zweirichter nur noch als Einrichtungswagen, wie der Nachschuss auf GT6-ZR 234 auf der Linie 4 am 17. Oktober 2011 zeigt.


GT6 Düwag

Zur Ablösung der verbliebenen Zwei- und Dreiachser wurden neben einigen gebrauchten Düwag-Großraumwagen, zwischen 1973 und 1975 insgesamt zehn Düwag GT6 Einrichter aus Heidelberg übernommen. Die Fahrzeuge hatten dort, aufgrund der Umstellung auf Zweirichtungswagen, schon knapp zehn Jahre nach ihrer Beschaffung kein sinnvolles Einsatzgebiet mehr und erhielten in Mainz die Nummer 236 bis 245.
Wie die übrige GT6-Flotte, wurden auch die Einrichter mit der Beschaffung der GT6M im Jahr 1996 abgelöst. Während zwei Fahrzeuge bereits zuvor verschrottet wurden, gelangten sieben Fahrzeuge zusammen mit den Zweirichtern nach Elbing. Wie die übrigen GT6 wurden auch die Einrichter ab 2008 schrittweise abgelöst und mit dem Eintreffen der M-Wagen aus Augsburg und Mülheim im Jahr 2013 entgültig entbehrlich. Als letztes Fahrzeug befindet sich heute noch der GT6 243 im aktiven Bestand und erhielt Ende 2017 sogar eine frische Lackierung, nachdem es im Frühjahr bereits aussah, als hätten die besten Tage hinter dem Fahrzeug gelegen. GT6 237 befindet sich wohl als Ersatzteilspender noch auf dem Betriebshof.

Einen besonderen Weg nahm indes der GT6 mit der Nummer 240: Zunächst aus Mainz an einen Zwischenhändler abgegeben, konnte das Fahrzeug einige Jahre später 1999 noch ins rumänische Arad weitervermittelt werden. Dort steht der Wagen unter gleicher Nummer Seite an Seite mit diversen deutschen Gebrauchtfahrzeugen aus dem Hause Düwag noch heute im Einsatz. GT6 240 ist damit zusammen mit 243 in Elbing der letzte Wagen der einst 25 Fahrzeuge umfassenden, abwechslungsreichen GT6-Flotte aus Mainz, der noch heute im Liniendienst anzutreffen ist.


Der Heidelberger Düwag GT6 209 wurde am 4. Februar 1974 in Heidelberg für den Abtransport nach Mainz verladen. Kaum zehn Jahre waren die Einrichter in Heidelberg im Einsatz, bevor sie nach Mainz verkauft wurden.


In Mainz kamen die Fahrzeuge unter anderem auf der Linie 11 zum Einsatz, wie GT6 237 am 14. März 1992 am Gautor.


Auch kurz vor ihrer Ausmusterung im Jahr 1996 kamen die Einrichter noch auf der Linie 11 Hechtsheim-Finthen zum Einsatz. Am 14. Juni 1996 wartet GT6 243 in der Schleife Dornsheimer Weg in Hechtsheim.


Über 20 Jahre später stand GT6 243 am 24. April 2017 an der Depoteinfahrt in Elbing abgestellt und erweckte nicht mehr den Eindruck einer glanzvollen Zukunft. Umso überraschender, dass er am Ende des Jahres noch einmal aufgefrischt wurde und eine neue Lackierung erhielt. Heute ist 243 der letzte betriebsfähige Mainzer GT6 in Elbing.


Am 17. Oktober 2011 konnte GT6 243 noch im Plandienst auf der Linie 5 aufgenommen werden.


Mehr als 20 Jahre nachdem GT6 241 noch als Heidelberger 209 nach Mainz überstellt wurde, konnte er am 29. August 1997 in seiner dritten Heimat in Elbing angetroffen werden. Bereits 2008 wurde das Fahrzeug in Elbing ausgemustert und verschrottet.


Am 20. Juni 2004 treffen sich der Düwag GT6 237 und der Westwaggon GT6-ZR 222 in Elbing auf der Linie 3. GT6 237 ist heute noch als Ersatzteilspender im Betriebshof abgestellt.


Durchaus rustikal und teils eingleisig präsentiert sich die Strecke der Linien 1 und 3 zwischen den Stationen „Browarna“ und „Obrońców Pokoju- Dabka“. Am 17. Oktober 2011 konnte hier der GT6 244 aufgenommen werden. Während große Teile des Netzte bereits saniert wurden, zeigte sich dieser Bereich auch 2017 noch weitgehend unverändert.



Als Einziger schaffte es GT6 240 nach einiger Wartezeit bei einem Zwischenhändler im Jahr 1999 nach Rumänien. Dennoch sticht er in Arad dank der zahlreichen weiteren gebrauchten Düwag GT6 aus Ludwigshafen, Bielefeld (OEG/Innsbruck) und Mülheim kaum aus der Masse heraus. Am 9. Juni 2014 konnte der Wagen auf dem zentralen und frisch sanierten Kreuzungspunkt Podgoria aufgenommen werden.


Eine weitere Aufnahme des Einzelgängers gelang zuvor bereits in Gegenrichtung auf der Linie 7, bevor der Wagen in der Endschleife Fat Frumos auf die Linie 3 wechselte und wenig später erneut den Platz überquerte.