Don’t Rush! – Japans Straßenbahnen III: Kumamoto

Wir befinden uns noch immer auf der Südinsel Kyūshū und fahren von Kagoshima weiter zum zweiten Straßenbahnbetrieb dieser Reise in Kumamoto. Auch hier kommt auf dem ähnlich kleinen Netz noch eine Baureihe aus den 50er-Jahren zum Einsatz und auch sonst viele spannende, nur hier anzutreffende Fahrzeugtypen.


Kumamoto liegt etwa auf halber Höhe der Südinsel Kyūshū und ist seit 2011 an den Kyūshū-Shinkansen angebunden. Die Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur hat ca. 738.000-Einwohner.

Übersichtskarte Japans mit den 17 verbliebenen Straßenbahnbetrieben. Kumamoto findet sich etwa auf halber Höhe auf der südlichen Insel Kyūshū.

Die Straßenbahn von Kumamoto geht zurück auf das Jahr 1907, als eine schmalspurige Dampfstraßenbahn eröffnet wurde, welche nach deren Einstellung im Jahr 1920 schließlich ab 1924 durch eine normalspurige, elektrische Straßenbahn ersetzt wurde. Das Netz erstreckte sich bis 1965 auf gut 25km, von denen nach diversen Einstellungen bis 1972 nur noch die heutigen gut 12km mit drei Linienästen übrigblieben. Bedient werden die drei Äste von den zwei Linien A und B. Linie A bindet den Haupt- und Shinkansenbahnhof südwestlich des Stadtzentrums an und führt noch zwei Haltestellen weiter Richtung Süden. Linie B führt vom nordwestlich des Zentrums gelegenen Bahnhof Kamikumamoto Richtung Zentrum. An der Haltestelle Karashimacho treffen sich beide Linien im Stadtzentrum unweit der zentralen Einkaufsstraßen und dem Wahrzeichen der Stadt, dem Kumamoto Castle. Gemeinsam führen beide Linien anschließend den langen Linienast Richtung Osten nach Kengunmachi hinaus.

Das nur 12km lange Straßenbahnnetz von Kumamoto wird von der Linie A Tasakibashi/Kumamoto Station – Kengunmachi und der Linie B Kamikumamoto – Kengunmachi bedient. Der Betriebshof befindet sich an der Endstation Kengunmachi. Eine weitere kleine Abstellanlage befindet sich unweit der Haltestelle Kotsukyoku-mae, etwa auf halber Strecke zwischen Karashimacho und Kengunmachi. Oben rechts ist das ortsspezifische Rubbellos zu sehen, daneben der auf dem kleinen Faltkärtchen ebenfalls abgebildete Linienverlauf. Wie im (schienengebundenen) Nahverkehr Japans üblich, sind die Haltestellen zur einfacheren Orientierung auch durchnummeriert. 


Diesen schematischen Netzplan samt zahlreichen Benutzungshinweisen gab es an der Tourist-Info zu unseren Rubbellosen auch gleich noch dazu.

Der Fahrzeugpark für den Liniendienst kann je nach Zählweise in sieben bis zehn Baureihen eingeteilt werden, abhängig davon, ab welchen Unterschieden eine neue Baureihe beginnt und welche Fahrzeuge man mitzählt. Im Folgenden wieder eine kurze Übersicht.

1000er, 1200er & 1300er

Die mit Abstand ältesten Fahrzeuge stammen auch in Kumamoto überwiegend aus den späten 50er-Jahren und tragen heute 1000er, 1200er und 1300er-Nummern. Die heute noch 20 vorhandenen Fahrzeuge wurden zwischen 1954 und 1960 von Tōyo Kōki gebaut und sind originale Fahrzeuge aus Kumamoto. Bereits in den 60er-Jahren wurden die Fahrzeuge auf Einmannbetrieb umgebaut. Ob und worin genau sich die Fahrzeuge der drei Nummernbereiche unterscheiden, entzieht sich meiner Kenntnis, dem laienhaften Blick sind zumindest keine offenkundigen Unterschiede aufgefallen. Wir trafen insgesamt in den zwei halben Tagen 13 der Wagen aus allen drei Nummernbereichen im Linieneinsatz an, wobei eine Vielzahl nicht nur zur HVZ, sondern über den gesamten Tag im Einsatz stand.


Von den 1000ern trafen wir kein Fahrzeug in Hausfarben an. Insgesamt fünf Fahrzeuge sahen wir an den zwei halben Tagen unseres Besuches im Liniendienst. Einer davon war am 4. April 2025 Wagen 1091 auf der Linie A.


Wo genau die Unterschiede zwischen den drei Unterbaureihen liegen blieb unklar. Von den 1200ern waren ebenfalls fünf Fahrzeuge im Einsatz, 1205 dabei als einziger Wagen in einer halb blauen, halb elfenbeinfarbenen Lackierung. Ob dies einer historischen Lackierung entspricht, konnte ich nicht herausfinden. In den letzten 30 Jahren zumindest ist die Standardlackierung dieser Fahrzeuge weiß mit den grünen Akzentstreifen, zuvor war es creme mit einem dezenten, dunkelblauen Akzentstreifen unter der Fensterlinie.


In jener weißen Standardlackierung mit grünen Zierstreifen zeigte sich neben einigen anderen der Wagen 1353. Einer von drei 1300ern, die wir im Einsatz beobachteten.

8200er & 8500er

Nach Jahrzehnten die ersten Neufahrzeuge erhielt Kumamoto im Jahr 1982 mit den beiden bei Nippon Sharyō gebauten Fahrzeugen 8201 und 8202. Ab dieser Baureihe stehen in der Regel die ersten beiden Ziffern jeweils für das Jahr der Lieferung. 1985 folgten die sehr ähnlichen Fahrzeuge 8501 bis 8504 von Aruna Koki. Die beiden 82er scheinen unlängst ausrangiert worden zu sein, zumindest standen beide in nicht einsatztüchtigem Zustand an einem Nebengleis des Betriebshofes augenscheinlich dauerhaft abgestellt. Die vier 85er-Fahrzeuge konnten allesamt noch im Einsatz beobachtet werden. Während die Fahrzeuge äußerlich im kantigen Design der 70er- und 80er-Jahre daherkommen, dürften die inneren Werte schon im Neuzustand nicht mehr dem Stand der Technik anderer “Straßenbahnnationen” entsprochen haben. So sind ein simpler Stufenfahrschalter aka Kaffeemühle mit Widerständen und ein separates pneumatisches Bremssystem hier noch immer das Mittel der Beschleunigung und Verzögerung. Nicht auszuschließen, dass auch hier wiedermal altbrauchbare Komponenten deutlich älterer Baureihen Wiederverwendung fanden. Das “Fahrerlebnis” ähnelt zumindest verblüffend den rund 30 Jahre zuvor gebauten Fahrzeugen.


Am 4. Juni 1991 waren die beiden 8200er noch recht neu und konnten auf dem Betriebshof aufgenommen werden. Bei unserem Besuch 2025 standen die Wagen am Betriebshof bereits am Rand abgestellt, unfotogen direkt hinter einem Zaun. Auffällige Unterschiede zu den 85ern sind die abweichenden Drehgestelle, die etwas andere Dachlinie und das Halbfenster hinter der Tür.


Noch vollständig im Einsatz standen die vier Fahrzeuge der 8500er-Serie. 8502 trug als einziger die Hausfarben, alle anderen verschiedene bunte Werbegestaltungen.

8800er

Einen erheblichen Innovationssprung gab es mit den Fahrzeugen der 8800er- und 9200er-Baureihen von Aruna Kōki. Hier werkelt erstmals etwas wie eine moderne Elektronik, auch wenn diese noch immer über einen fünfstufigen Drehfahrschalter bedient wird. Genauer waren die Fahrzeuge der Baureihe 8800 die ersten in Japan, die über einen Inverter für die variable Spannungs- und Frequenzsteuerung verfügten. Das separate pneumatische System für Bremsen und Türen hat es allerdings auch hier wieder in die Fahrzeugarchitektur geschafft. Auch äußerlich sind die nur drei Jahre später gebauten Fahrzeuge eine andere Welt und zeigen sich in moderner anmutendem Design mit großer gebogener und schräggestellter Frontscheibe.


Regelrecht modern wirken die Fahrzeuge der 8800er Baureihe gegenüber den nur drei Jahre zuvor gebauten Fahrzeugen. Ungewöhnlich ist die Türanordnung der beiden Fahrzeuge mit Türen beidseitig an den Fahrzeugenden. Wir konnten beide Wagen im Einsatz beobachten. Wie auch 9201 tragen sie Wappen und Anschriften von Partnerstädten Kumamotos: 8801 von San Antonio (USA), 8802 von Guilin (Volksrepublik China) und 9201 von Heidelberg.

9200er

Die Baureihen 8800 und 9200 unterscheiden sich in zahlreichen Details. Am offensichtlichsten ist der Unterschied bei der Türanordnung: Während die beiden 8800er jeweils an den Fahrzeugenden eine einfache Falttür je Seite aufweisen, verfügen die fünf 9200er über einen breiten Mitteleinstieg mit je zwei Falttüren je Fahrzeugseite und einen schmalen Ausstieg vorne beim Fahrer. Auch ist der Überrollschutz unterschiedlich ausgeführt und die 8800er habe eine etwas stärker angeschrägte Frontpartie.


Für die 9200er wurde wieder auf die konventionelle Türkonfiguration mit breitem Mitteleinstieg und schmalem Ausstieg beim Fahrer zurückgegriffen. Ein einheitliches Farbschema konnten wir bei den vier gesichteten Fahrzeugen zwischen den Werbewagen nicht ausmachen. Einen Vorschlag präsentiert 9205.

(101)

Wie in Kagoshima, gibt es auch in Kumamoto ein im Retro-Style gebautes Fahrzeug mit der Nummer 101. Technisch an die 8800er/9200er angelehnt, hat der Wagen eine historisch angehauchte Außenhülle, sogar ein falscher Trolley auf dem Dach gehört dazu. Eingesetzt wurde der Wagen aber mindestens in der Rush Hour auch im normalen Linienbetrieb.


Nicht schön aber selten: Das Retro-Tram 101 im regulären Liniendienst. Ein wenig kurios ist eine Retro-Tram ja schon, gebaut 1991 und dazwischen unzählige “normale” Linienwagen mit Baujahren Ende der 50er… Aber die Japaner haben ein gewisses Faible für besondere Gestaltung einzelner Fahrzeuge, auch bei der “großen” Eisenbahn.

9700er

In der doch sehr fremden Fahrzeugwelt Japans, kommen einem die ursprünglich fünf Fahrzeuge der Baureihe 9700 überraschend bekannt vor. Es handelt sich um in Kooperation von Adtranz und Niigata gebaute, zweiteilige Niederflurwagen der GTx-Familie der ersten Generation, wie sie in Deutschland in dreiteiliger Ausführung in den 90er-Jahren nach den Prototypen für Bremen und München an zahlreiche Betriebe geliefert wurden. Im Jahr 1997 wurde damit in Kumamoto das japanische Niederflurzeitalter eingeläutet. Nach dem ersten Fahrzeug im Jahr 1997, folgten 1999 und 2001 jeweils zwei weitere Fahrzeuge, die aber ebenfalls 97er-Nummern erhielten. Die beiden Fahrzeuge 9702 und 9703 wurden unlängst bereits abgestellt und dürften nun wohl als Ersatzteilspender dienen, um die restliche Flotte noch etwas länger am Leben zu halten. Wir konnten gerade einmal zwei der Fahrzeuge im Einsatz sichten.


Kommt einem ungewohnt vertraut vor zwischen all den exotischen Fahrzeugen: Der Typ “Bremen”, nur ein Teil kürzer als bei vielen deutschen Betrieben für Kumamoto als GT4N-ZR ausgeführt. Hinzu kommt noch die von Beginn an installierte Klimaanlage von Mitsubishi. Ein Feature, das in Deutschland nur die letzten, bereits von Bombardier gefertigten Baulose für Berlin erhielten. Nur zwei der Fahrzeuge, den hier abgelichteten 9704 und Japans ersten Niederflurwagen 9701, konnten wir im Liniendienst beobachten. Von den einst fünf Fahrzeugen sind zwei bereits ausgemustert. 

0800er

2009 folgten zwei und 2014 ein weiteres zweiteiliges GTx-Fahrzeug, nun allerdings allein von Niigata gebaut und in neuem Design. Die Fahrzeuge erhielten die Nummern 0801 bis 0803 und stehen allesamt noch im Einsatz. Das erst 2014 gebaute Fahrzeug hat dabei noch einmal eine leicht abweichende Frontgestaltung rund um die Lampenpartie, wir trafen allerdings nur GT4N 0801 im Liniendienst an.


Die drei 2008 und 2014 gebauten GT4N-Nachfolger erhielten ein deutlich abweichendes Design und wurden komplett in Eigenregie bei Niigata gefertigt. Ob es sich überhaupt noch um Lizenzbauten des damaligen Halters der GTx-Patente handelt, entzieht sich meiner Kenntnis.

2400er

Jüngste Neuzugänge sind die zwei Fahrzeuge 2401 und 2402 vom Typ Little Dancer L von Alna Sharyo. Die Fahrzeugfamilie der Little Dancer L sind dreiteilige Niederflurwagen mit zwei auf Drehgestellen laufenden Endmodulen, die sich auf ein kurzes Mittelsegment mit starrem Fahrwerk stützen. Ein altbewährtes Konzept, das in Japan neben Kumamoto, wenn auch optisch deutlich abweichend, mit jeweils einem Fahrzeug auch an Fukui und Kochi geliefert wurde. Kleinstbestellungen, wie sie für japanische Straßenbahnbetriebe nicht unüblich sind. Die erst 2024 gelieferten Fahrzeuge befanden sich bereits im Liniendienst und hatten unlängst den hochflurigen Sechsachser 5014 aus dem Liniendienst gedrängt, welcher zuvor in der morgendlichen HVZ meist noch eine Runde drehen durfte. Da das vor 2017 acht Jahre abgestellte Fahrzeug aus dem Jahr 1957 erst zur Wiederinbetriebnahme 2017 aufwendig restauriert wurde, ist nicht auszuschließen, dass der 5014 noch eine weitere Nutzung in neuer Funktion erfährt.


Erst unlängst in Dienst gestellt wurden die beiden Wagen 2401 und 2402. Von der Fahrzeugkonfiguration ein bekanntes Konzept, einige japanische Eigenheiten wie etwa die wenigen schmalen Türen fallen dennoch ins Auge.


Schon vor den 2400er gab es in Kumamoto viele Jahre Sechsachser, die bereits Ende der 50er-Jahre gebauten Fahrzeuge der Baureihe 5000. Der hier am 4. Juni 1991 links zu sehende 5014 wurde erst 2017 aufwendig restauriert und kam seither in der morgendlichen Rush-Hour für jeweils wohl nur einen Umlauf zum Einsatz. Mit den nun ebenfalls fassungsstarken 2401 und 2402 wurde der Wagen unlängst aus diesem letzten Liniendienst abgezogen.


Donnerstag, 3. April 2025 II: Kumamoto

Nach der kurzen Vorstellung des zweiten Straßenbahnbetriebes unserer Reise, geht es nun weiter im eigentlichen Geschehen. Wir waren im letzten Teil noch gar nicht angekommen in Kumamoto, sondern gerade nach dem Auslösen unserer JR-Pässe mit der Rolltreppe unterwegs hinauf zum Shinkansen-Bahnhof. Und so eine Rolltreppenfahrt kann hier in Japan dauern, denn es gilt – hier sogar groß auf diversen Tafeln abgedruckt und illustriert – das Motto: “Don’t Rush”. Ist es in fast allen anderen Ländern eigentlich üblich oder gar gefordert auf einer Seite der Rolltreppe zu stehen und die andere Hälfte für eilige Mitmenschen zum Überholen freizulassen, ist das Gehen oder gar Laufen auf Rolltreppen hier ausdrücklich nicht erwünscht. Wer es eilig hat, wird dazu aufgefordert, die nicht rollende Treppe hinauf zu hasten. Und das geht auch wirklich schneller als zu fahren, denn um die disziplinierte Gelassenheit (ist das nicht ein Paradoxon?) auf’s Äußerste zu strapazieren, fahren die Rolltreppen in diesem Land dafür auch noch unendlich langsam. Mit so einem Teil in die Unterwelt Londons, Liverpools oder anderer Städte mit tiefen Flussunterquerungen hinab? Viel Spaß – man sollte sich Proviant für die Fahrt mitnehmen 😉 Zum Glück fährt der Shinkansen dann doch mehr oder weniger nur eine Etage höher, sodass man irgendwann oben ankommt. Bei den teils verrückten Zugfolgen an Shinkansen-Bahnhöfen wie Tokyo oder Kyoto, kann aber schonmal ein kompletter Stopp abgefertigt werden und anschließend der eigene Zug einfahren, während man auf irgendwelchen schleichenden Rolltreppen unterwegs ist. Wir nahmen das aber durchweg mit Humor und nur in wenigen Fällen lief tatsächlich mal jemand eine Rolltreppe hoch, um einen Zug noch zu erwischen. Natürlich nicht ohne eine angedeutete Verneigung beim Vorbeihasten, als Dankeschön für’s Platzlassen – niemals die Contenance verlieren!

Die meisten Shinkansen-Bahnhöfe sind mit Bahnsteigtüren versehen, die sich öffnen, sobald der Zug steht. Selbst wo dies nicht der Fall ist und an konventionellen Bahnhöfen, sind die Türpositionen mit Wagenklasse aber im Shinkansen- und Express-Verkehr genau auf dem Boden abmarkiert, genauso wie die Ordnung, in der sich anzustellen ist. Das hat man schnell verstanden und da sich alle genau daran halten, ist die Abfertigung ein Genuss für jeden Fahrplaner.


Der Kyūshū Shinkansen endet in Kagoshima, entsprechend stehen die Fahrgäste trotz des schon eingetroffenen Zuges noch vor den geschlossenen Bahnsteigtüren, bis der N700 bereit ist für die Rückfahrt Richtung Norden. Der südlichste Teil des Kyūshū Shinkansen wurde bereits 2004 eröffnet und zunächst als Insel betrieben, ehe 2011 der Anschluss an den San’yō Shinkansen in Hakata (Fukuoka) hergestellt war. Seither gibt es auch durchgehende Züge bis Osaka. Ähnlich ist es aktuell mit der Zweigstrecke nach Nagasaki, die erst zwischen Nagasaki und Takeo Onsen fertiggestellt ist und daher seit der Eröffnung 2022 ebenfalls vorerst als Insel betrieben wird. Zum Einsatz kommen auf dem Kyūshū Shinkansen die Baureihen 800, N700-7000 und N700-8000.

Der erste Kontakt mit dem Inneren des Kyushu-Shinkansen nach Hakata und Shin-Osaka gab viele neue Eindrücke: Die Züge sind ausgesprochen nüchtern und pragmatisch eingerichtet. Es gibt etwa keinen Teppich oder ähnlich wohnliches Ambiente. Ein ICE wirkt da deutlich gemütlicher. Die normalen Shinkansen sind abseits der Green Cars (entspricht etwa bei uns der 1.Klasse) 2+3 bestuhlt, allerdings sind die Wagen auch knapp 3,40m breit. Für die kleinen Japaner ist das vollkommen adäquat, bei mehreren breitschultrigen Europäern wird es aber schon mal etwas eng seitlich. Dafür sind die Sitzabstände in Längsrichtung gigantisch, denn die Sitze werden in allen japanischen Zügen oberhalb der Locals zu jedem Fahrtrichtungswechsel gedreht. Um eine Reihe drehen zu können, braucht sie natürlich einen gewissen Abstand zur Reihe davor, insbesondere bei einer Dreierreihe. So ergeben sich die gigantischen Sitzabstände, die auch noch genau zu den Abständen der kleinen Einzelfenster passen. Die Sitzlehnen lassen sich dank der großen Abstände auch deutlich weiter nach hinten kippen als bei uns. So kann man sich wirklich recht gemütlich reinhängen in so einen Shinkansen, auch wenn das restliche Ambiente eher den Charme einer S-Bahn hat. Einer S-Bahn, die mit durchgehend über 250 km/h durch’s Land rast.


Kaum in Kumamoto ausgestiegen, fährt auch schon ein N700 in Gegenrichtung aus und erlaubt einen Nachschuss vom Bahnsteigende.

Die Fahrt nach Kumamoto dauert nur eine knappe Stunde und so blieb neben den vielen ersten Eindrücken geradeso Zeit für das ausgiebige Mittagessen, für das wir uns eben noch im Bahnhof mit allerlei Leckereien samt Kaffee beim Bäcker versorgt hatten. Dann kam auch schon die für uns bald zum Alltag werdenden Durchsage vom Band: “We will soon make a brief stop at” setze beliebige Stadt ein. “Kumamoto” bitte! Es bleibt eben genug Zeit alles zusammenzuraffen, dann zur Tür, Tür auf, raus, exakt wartende Fahrgäste rein, kurze Melodie, Bahnsteigtüren und Zugtüren zu und Abfahrt. Perfekt geplant, durchgetaktet und fast schon rituell exerziert, nicht selten auf die Sekunde(!) pünktlich.

Unser Hotel hatte ich eben im Zug noch schnell bei booking gebucht. Wie schon in Kagoshima auch hier zu günstigen Konditionen und unmittelbar am Bahnhof. 98€ für das Doppelzimmer mit zwei Einzelbetten im Business-Hotel direkt am Bahnhof. Da kann man nichts sagen.

Das Einchecken verlief wie noch so oft in den nächsten Wochen: Reisepässe überreicht, anschließend wurde nochmal bestätigt was man gebucht hatte: Ja, eine Nacht, Doppelzimmer, zwei Betten, Nichtraucher. Ja, Kopie vom Pass ist okay. Noch zu früh zum finalen Einchecken, aber wir geben gern schonmal unsere Koffer in Obhut. Durch das weit verbreitete Masketragen insbesondere im Service, verstand man in manchen Hotels gar nicht, was genau gesprochen wurde im Singsang-Englisch – oder war es japanisch? – aber man kannte schnell die üblichen einstudierten und obligatorischen Abfragen und antwortete ebenso routiniert als habe man alles verstanden.

Jetzt aber schnell raus hier, wir haben noch einen halben Tag und es scheint schon wieder die Sonne. Zwecks Fahrkarten ging es natürlich zurück Richtung Bahnhof, dort ist meist irgendwo ein Verkauf. Dass man in vielen Betrieben auch beim Fahrer (bei manchen sogar nur dort) die Tageskarten bekommt, hatten wir erst recht spät rausbekommen. Ist dann aber auch immer recht unangenehm, den ganzen Wagen beim Aussteigen zwei Minuten aufzuhalten, weil man erst dem Fahrer seinen Wunsch klarmachen muss, der dann die Karten herauskramt, das Datum einträgt und dann noch die Bezahlung abgewickelt werden muss.


Am Weg zum Bahnhof das erste Straßenbahnbild aus Kumamoto, natürlich, wie könnte es anders sein, von einer Fußgängerbrücke. Hier aber eine recht moderne. Das absolute Highlight in Bezug auf rostige Fußgängerbrücke sollte bei diesem Betrieb aber noch folgen. Baureihe 8500: check! Genauer 8504 auf dem Weg in die Innenstadt. Links direkt unser Hotel.

Also im Bahnhof mal schauen. Ich hatte eben nach dem Aussteigen schon die Tourist-Information gesehen, die bei vielen Betrieben ein zielführender Anlaufpunkt ist. So auch hier. Hatten wir gestern noch Glück gehabt und alles mit Karte zahlen können, war es nun aber doch an der Zeit, an ein wenig Bargeld zu kommen. Dank Direktbank ohne Auslandumsatzprovision und mit guten Wechselkursen, braucht es dazu heutzutage ja nurmehr einen halbwegs seriösen Bankomat. Nachdem wir den labyrinth-ähnlichen Ausschilderungen durch die kleine Shopping-Mall des Bahnhofes gefolgt waren, bekamen wir zur Belohnung einen Bankomaten, der auch seinerseits keine Gebühren verlangte. Sehr angenehm! Die freundliche Dame an der Tourist-Info sprach ausreichend englisch, um ohne Zeichensprachenintervention an vier Rubbellose für heute und morgen zu kommen. Natürlich wurde uns auch noch freundlichst erklärt, wie die Rubbellose funktionieren und was man damit benutzen dürfte (hier soweit ich mich erinnere ausschließlich die Straßenbahn, während in Kagoshima theoretisch auch die vom städtischen Betreiber bedienten Buslinien mit drin waren). Dann konnte es ja losgehen!


Noch fragen zur Nutzung japanischer Straßenbahnen, im speziellen Kumamoto? Bitteschön! Diesen Flyer gab es an der Tourist-Info gleich noch zum Rubbellos dazu, auf der Rückseite der oben abgebildete Netzplan. Schön kompliziert auch, dass es für jede Fahrzeugkonfiguration andere Boarding- und Unboarding-Regeln gibt. Hätten wir jetzt alles auch so hinbekommen, aber auf die falsche Weise abzulehnen, wäre sicher unhöflich gewesen. Besonders schön die Erklärung zur Bedienung der Ticket/Exchange Machine auf der linken Seite. Wir kommen in einem späteren Teil sicher noch einmal darauf zurück.

Wieder aus dem Bahnhof kam gerade der “Amerikaner” angerollt, also jener 8801, welcher Wappen und Beschriftungen für die Partnerstadt San Antonio trägt. Für uns hießen ab dem Zeitpunkt direkt die beiden Baureihen 8800 und 9200, “Die Amerikaner”, obwohl der 8802 dann natürlich strenggenommen “Der Chinese” und 9201 “Der Heidelberger” sein müssten. Der richtige Amerikaner legte am Bahnhof eine Pofalla-Wende hin, drehte also direkt um, ohne noch bis zum Streckenende Tasakibashi weiter zu fahren. In Japan freilich planmäßig und nicht, um einen völlig verlorenen Fahrplan wieder einzuholen. Teilweise schien etwa jeder zweite Kurs hier am Bahnhof zu wenden, auch wenn das Streckenende der Linie A gerade einmal zwei Haltestellen weiter liegt. Die Bahnen waren aber ab dem Bahnhof meist auch gähnend leer und bis die Abfertigung mit den ganzen durch den Fahrer einzeln zu kontrollierenden Aussteigern hier durch ist, ist man auch zu Fuß schon fast am Streckenende.


Der richtige “Amerikaner”, 8801 mit Anschriften für die Partnerstadt San Antonio, hat sein Fahrtende am Bahnhof (3) erreicht und wendet hinter der Haltestelle über den Gleiswechsel für die Rückfahrt in die Innenstadt.


Direkt da hinter folgte der zweite Wagen dieser Baureihe, der für die chinesische Partnerstadt Guilin unterwegs ist. Aus der Innenstadt erreicht 8802 das recht neu wirkende Areal rund um die Haltestellenanlage am Bahnhof (3) und wird seine Fahrt anschließend noch bis zum Streckenende Tasakibashi fortsetzen.


Der nächste Wagen war dann eine der Uralt-Baureihen aus den 50er-Jahren, die hier aber, wie wir schnell merkten, auch außerhalb der HVZ zahlreich unterwegs sind. Auch 1093 wird bis zum Streckenende durchfahren und wir schwingen uns direkt rein und genießen das archaische Ambiente. Hier fand sich sogar noch Holzdielenboden.


1093 hat das Streckenende Tasakibashi (1) zwei Haltestellen hinter dem Bahnhof erreicht. Recht unspektakulär endet die Strecke mit nur einem Gleis in modernem Ambiente. Die Streckenführung auf Rasengleis und neben statt inmitten der Straße ist für Japan allerdings eher ungewöhnlich.


An der Haltestelle Nihongiguchi (2) zwischen dem Bahnhof und der Endstation kommt wenig später mit 9203 die vierte Baureihe entgegen. Nächster Check für’s Panini-Album. Sechs Bilder, vier verschiedene Fahrzeugtypen – typisch Japan.


Wir warteten bis der 9203 zurückkam und enterten dann mal das vergleichsweise moderne Gefährt. Die Wagen sind in Japan in dieser Form recht einzigartig, wie so viele Baureihen, das Innere zeigt sich dennoch typisch japanisch mit ausschließlich Längsbänken, versetzten Mitteleinstiegen und Ausstieg vorn beim Fahrer. Freundlicherweise sind hier die Haltestangen mal recht hoch montiert und über dem Mittelgang hängt kein sonstiges Gebömmel herum, woran man sich als Europäer permanent den Kopf stößt, wenn man einmal vergisst, in gebückter Gollum-Haltung nach vorn zum Ausstieg zu gehen.

Wir fuhren mal durch bis ins Zentrum zum Abzweig, wo auch die Linie B dazustößt. Dort hingen wir erstmal eine halbe Stunde herum und schauten, was auf beiden Linien so fuhr. Paar Perspektiven ließen sich dabei auch umsetzen.


Nächstes Bild, nächste Baureihe. Diesmal die moderneren GTx-Nachbauten von Niigata mit dem Wagen 0801, der hier die Haltestelle Karashimacho (8) im Stadtzentrum erreicht. Hier hat es wiedermal eine der All-Way-Fußgängerkreuzungen. Bedeutet: Wird es grün, kann man als Fußgänger kreuz und quer über die Kreuzung laufen, sodass man nicht auch noch mehrere der ewig zähen Phasen braucht, wenn man um mehrere Quadranten der Kreuzung herum möchte. Sehr praktisch!


Die 1300er Unterbaureihe hatten wir auch noch nicht. Hier kommt mit 1353 auf der Linie A ein Vertreter um die Kurve bei der Haltestelle Karashimacho (8).


Die Linie A hat abseits der HVZ den merklich dichteren Takt, sodass Aufnahmen dieser Linie auf dem langen gemeinsamen Abschnitt nach Kengunmachi überwiegen. Mit 8504, der hier an der Haltestelle Karashimacho (8) steht, sind wir nun einmal rum um den aktuellen Umlauf der Linie A, denn den hatten wir vorhin schon von der Bahnhofsbrücke aufgenommen.


Auf der Linie B kommt derweil noch Unbekanntes, der Wagen 9202 ist aber nicht gerade ein schöner Vertreter seiner Baureihe und erreicht hier nun auf der anderen Seite gesehen die Haltestelle Karashimacho (8).

Wir hatten es hier gesehen und wollten uns nun die Strecke nach Kengunmachi hinaus arbeiten. Dort würden wir alles sehen, was auf beiden Linien unterwegs wäre und gegebenenfalls noch zur nachmittäglichen HVZ einsetzen würde. Den nächsten Stopp legten wir an der Haltestelle Kuhonjikosaten ein. Dort hatte ich am Satelliten eine alle vier Quadranten der Kreuzung überspannende Fußgängerbrücke entdeckt, auf der man oben gewissermaßen auf Ebene 1 über der Kreuzung im Quadrat laufen konnte. Genial! Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Das Licht war leider nicht mehr optimal für diese Stelle, sodass sie auf meinen Zettel für morgen Vormittag wanderte. Pflichttermin! Direkt nebendran befand sich dafür wiedermal eine Lawson Station, wo wir bisschen flüssige und feste Verpflegung für den restlichen Nachmittag nachladen konnten, schließlich hieß es nach dem Mittag im Zug nun durchzuhalten bis zur Dunkelheit.


Die quadratische Brücke über der Kreuzung bei der Haltestelle Kuhonjikosaten (13) war beim aktuellen Licht selbst nicht mehr darstellbar. Dafür aber der typische Japan-Straßenbahnblick: Von irgendeiner Fußgängerbrücke runter mit viel Tele. Zu diesem Zeitpunkt von uns noch unbemerkt, hatten wir hier erstmals den “Heidelberger” vor die Linse bekommen. Wagen 9201 ist für die deutsche Partnerstadt unterwegs, allerdings “out of service” und wir sahen ihn den restlichen Tag nicht wieder. Muss wohl in der Abstellanlage auf der linken Seite vor der nächsten Brücke verschwunden sein, wo sich bis 2002 der Betriebshof befand, ehe er an die Endstation der Linie B nach Kamikumamoto verlegt wurde.


Bei der Haltestelle Shiritsutaiikukan-mae (19) gleich die nächste Japan-Standardperspektive: von irgendeinem der schmalen Bahnsteige mit viel Tele eine breite Straße runter. Diese Bild könnte gefühlt bei der Hälfte der Straßenbahnbetrieb des Landes entstanden sein. Die beiden Fahrzeuge 1207 und 8503 verraten aber, dass wir uns noch immer in Kumamoto befinden.


Bei der Durchfahrt an der Haltestelle Hacchobaba (21) bemerkte ich mal eine andere Perspektive: Sanfte Kurve, nicht im 90-Grad-Winkel und leichtes Gefälle. Da könnte man mal was anderes probieren. Also nächste Haltestelle raus und zurückgelaufen. Dabei passiert noch der Wagen 8504 als Linie A Richtung Kengunmachi.


An der Kurve vor der Haltestelle Hacchobaba (21) wollten dann bei zahlreichen Versuchen wahlweise die Autos oder die Sonne nicht so richtig. Dafür schickte uns die Linie B zwar nichts schönes, aber seltenes: Das Retro-Style-Streetcar 101. In Wirklichkeit eher einer der moderneren Wagen, basiert er doch auf der Technik der 8800er und 9200er und wurde erst 1991 gebaut.


Anschließend ging es die wenigen Haltestellen bis zur Endstation Kengunmachi (26) weiter. Wie am Ende der Linie A hinter dem Bahnhof, gibt es auch hier am Ende der zweigleisigen Strecke nur ein einziges Stumpfgleis zum Wenden. Spart zwar Weichen und deren Steuerung – eine einfache Rückfallweiche genügt – ist für den Betriebsablauf aber wiedermal eher suboptimal. Bei zwei Linien, die in der HVZ teilweise fast im Sichtabstand verkehren, kann man sich gut vorstellen, was hier für Staus vor der Endstation entstehen. Wenn man es weiß, also am besten eine Station eher Aussteigen und zu Fuß gehen, bevor man fünf Minuten oder länger im Wagen wartet, bis er an die Endstation vorrücken kann, denn auf eine separate Unboarding-Plattform vor dem Wendegleis wurde ebenfalls verzichtet. Wagen 8502 eilt hier nach dem Wenden aus der Endstation, um den Weg für die bereits angestauten Fahrzeuge frei zu machen.


Wir werfen einen Blick hinter 8502 her und sehen die wartenden Fahrzeuge 1204 und 8802, die nun wieder eine Position vorrücken können. Zur morgendlichen Rush-Hour dürften hier ordentliche Staus entstehen.


Wir machten uns dann auf den Rückweg Richtung Stadt, sprangen an der Station Kuwamizu Kosaten (22) für den entgegenkommenden 0801 spontan ab, das Bild war dann aber doch eher dokumentarisch. So richtig viele GTx schienen jedenfalls nicht zu fahren, genau genommen ein einziger der Modernen und die “Bremer” hatten wir noch gar nicht gesehen. Vor dem kurzfristigen Absprung “genossen” wir aber noch die Fahrt im vergleichsweise modernen 8802, der hier gerade dem 9205 begegnet ist.


An dieser Stelle wieder ein kleiner Videomitschnitt der Fahrt im 8802, um ein wenig besser das “Erlebnis” eine japanischen Straßenbahnfahrt zu vermitteln, das selbst in einem der moderneren Fahrzeuge noch sehr anders ist, als bei uns. Natürlich bollert auch in diesem erst 1988 gebauten Fahrzeug noch dumpf ein Kompressor vor sich hin, um regelmäßig Bremsen und Türen zischen zu lassen. Es wird zwar kein Wort zwischen den Fahrgästen gesprochen, dafür plärren ununterbrochen irgendwelchen Durchsagen vom Band durch den Wagen, unterbrochen von den Haltestellenansagen und Abfahrtswarnung des Fahrers, der dazu permanent ein Mikro vor seiner Maske hat. Wenigstens vernimmt man hier mal das vertraute Singen einer Elektronik und nicht mehr das Klacken eines mechanischen Schaltwerkes und das Heulen von Gleichstrommotoren. 


An der Haltestelle Kotsukyoku-mae (14) unterbrachen wir die Fahrt erneut, um noch einen Blick in die vorhin schon erwähnte Abstellanlage zu werfen, deren Zufahrt 8801 gerade als Linie A Richtung Kengunmachi passiert. Wie so oft, ist die Anlage nur über ein einziges Gleis in eine Richtung an die Strecke angebunden. Es darf beim Ein- und Ausrücken also fröhlich gesägt werden.


War da gerade eine Brücke zu sehen im Bild? Da musste ich natürlich rauf! Zumal der Blick hier mal dynamisch in die Außenkurve fällt und nicht wie meist auf eine endlose Gerade. 1093 ist als Linie A unterwegs Richtung Innenstadt und Tasakibashi. Dahinter folgt mit 9205 bereits der nächste Kurs der Linie A. Einer der beiden wird wahrscheinlich bereits am Bahnhof wenden.

Wir wollten jetzt erstmal zurück zum Hotel, fertig einchecken und kurz fünf Minuten die Füße hochlegen, schließlich war die Sonne nun endgültig hinter den Häusern verschwunden. Unterwegs kam uns dann überraschend doch noch ein “Bremer” entgegen. Machte jetzt aber wenig Sinn, dem hinterher zu eilen, denn bis er uns dann kurz vor der Endstation entgegenkommen würde, wäre es bereits dunkel. Wir spekulierten mal darauf, dass sich dann morgen früh zur HVZ auch einer blicken lassen würde, wenn schon zu nicht ganz so dichten Nachmittags-HVZ einer rauskam.


Irgendwo mussten wir nochmal umsteigen, denn gerade saßen wir in einer Linie B. Wir wählten die Station Kumamoto Castle (10), wo dann noch der hübsche 1205 durchkam. Hier gibt es sogar mal vergleichsweise breite und moderne Bahnsteige, nicht diese 60cm-Teile, auf denen einen die Wagen beim Einfahren fast touchieren. Der Einstieg ist aber nicht separiert, wie an der blauen und roten Markierung an derselben Stelle für beide Linien am Boden zu erkennen ist. Das sorgt auch immer für Verwirrung beim Einsteigen, weil man ja nicht weiß, wer aus der ordentlichen Schlange in welche Linie einsteigen möchte. Schwer zu unterscheiden, ob da vor einem gerade jemand mit japanischer Bedächtigkeit einsteigen möchte, oder einfach auf die andere Linie wartet. Man läuft ständig Gefahr, das Gesicht zu verlieren, weil man sich irrtümlich vorgedrängelt hat. Aber so bedächtig wie die Fahrgastwechsel hier von Statten gehen, ist man eh nie in Eile, denn die Türen schließen ja nicht automatisch und der Fahrer schaut doch immer sehr genau, ob nicht doch noch jemand zusteigen möchte – mal ganz davon abgesehen, dass das Aussteigen vorn eh meist deutlich länger dauert, sodass längst alle im Wagen sind, bevor der letzte vorn bezahlt hat und ausgestiegen ist.


In Kumamoto scheint man sogar einfach mit normalen Credit-Cards bezahlen zu können. Mit den ganzen anderen Bezahlmethoden geht es dann wieder anders über einen QR-Code im Wagen, mit den IC-Cards durch Ein- und Auschecken beim Zu- und Aussteigen und sonst natürlich immer, indem man beim Fahrer eine Hand voll Kleingeld in die Zählmaschine wirft oder sein Rubbellos vorzeigt.

Nach der kurzen Pause im Hotel ging es mit verstärkter Kleidungsdicke wieder los Richtung Innenstadt und auf Essenssuche. Wir fuhren wieder bis zur Haltestelle Karashimacho, wo sich im Quadranten zwischen dieser Haltestelle und der Haltestelle Kumamoto Castle das örtliche Netz der typischen überdachten Einkaufsstraßen – Shōtengai – aufspannt. Es gibt dort an jeder Ecke zwischen den diversen Fachgeschäften irgendwelche Restaurants und Imbisse, leider sahen die bebilderten Aufsteller vor den Läden für uns dann doch immer recht repetitiv aus, sodass die Wahl nicht so leicht war. Reis und Ramen mit irgendwelchem Meeresgetier gibt es dabei fast überall. Gebackenes Hühnchen auf Reis mit irgendwelchem Gemüse ist auch ein Evergreen. Dann gibt es natürlich auch noch Läden, die die Küche anderer Länder vertreiben und entsprechend ganz andere Dinge auf der Karte haben. Und nicht zu vergessen gibt es in fast jeder größeren Stadt mit in den Shōtengai das von uns als solches bezeichnete “Bermuda-Dreieck” aus KFC, McD und Starbucks. Lustigerweise waren die drei Ketten wirklich immer wieder direkt beieinander, meist an einer der zentralen Kreuzungen der Shōtengai.
Wenn die Bilderkarten alle gleich aussehen, kristallisierten sich für uns drei Filter für die Wahl der abendlichen Lokalität heraus, die im Zweifel zur Anwendung kamen: Steht irgendwo “English Menu”? Gibt es drinnen an den Tischen diese praktischen Tablets zum Bestellen? Und sind sonst noch Gäste anwesend? So landeten wir heute wieder in einem der Schnell-Restaurant-Schuppen voller Japaner, in dem der übliche Mix aus Ramen, Wok und Gebackenem auf der Karte – oder besser dem Tablet – stand. Wir klickten uns zwei Menüs zusammen und bald füllte sich der Tisch mit Ramen, Reis mit Gemüse und Hühnchen und der unvermeidlichen (Fisch)Brühe, die heute aber im Vergleich zu gestern durchaus genießbar war. War gut, günstig, machte satt – was wollen wir mehr?


Auch heute Abend streiften wir auf Nahrungssuche wieder durch die Shōtengai.

Nach dem Essen liefen wir noch mal paar Meter an der Festungsmauer entlang, um zu schauen, ob vom Castle irgendwas zu sehen und beleuchtet war. Aber das war alles völlig im Dunkeln, sodass wir schnell abbrachen und das für Morgen als Option auf der Liste ließen. So ging es nach einem Stopp am 7-Eleven für einen kleinen Nachtisch dann bald mit der nächsten Linie A zurück zum Hotel – war auch schon wieder 21:30.


Am Weg entlang der Burgmauern standen einige hübsche Kirschbäume in Blüte. Das Castle selbst lag abgesehen von der Festungsmauer mit den Wachposten aber komplett im Dunkeln.

Morgen haben wir hier dann noch einmal einen halben Tag, bevor es Richtung Nachmittag weiter nach Nagasaki gehen sollte. Paar Punkte galt es hier schließlich durchaus noch abzuarbeiten.


Freitag, 4. April 2025 I: Kumamoto

Die zweite Nacht in Japan ging dann ohne Erdbeben ab. Es schlief sich ohne diese Unterbrechung auch wieder gut in der scheinbar fast schon standardisierten Ausstattung der großen Hotels. Das Frühstück ist netterweise fast überall optional buchbar, sodass wir es fortan so gut wie immer wegließen. Zum einen will man dann doch nicht jeden Morgen Reis mit Hühnchen und Meereszeug essen, zum anderen ist es auch zeitlich immer bisschen schwierig, denn wir mussten doch meist zur Frühspitze bereits raus. Klar, könnte man später wiederkommen, aber wenn das Frühstück eh nicht inkludiert ist, kann man es auch gleich weglassen und gewinnt stattdessen erheblich an Flexibilität.

Also raus auf den Bahnhofsvorplatz, den wir eben schon aus unserem Hotelfenster von weit oben betrachtet hatten. Koffer brachten wir natürlich gleich runter und checkten aus, sodass wir erst zur Weiterfahrt nach Nagasaki wieder zum Hotel müssten.

Unten stand schon brav eine Reihe Japaner stillschweigend nebeneinander aufgereiht und wartete natürlich exakt an der markierten Boarding-Position auf die nächste Tram. Eben war ein “Amerikaner” Richtung Endstation gefahren, der nun gerade wiederkam. Kaum drin, wurde uns dann das große Fragezeichen für den heutigen Vormittag bereits beantwortet: Würde ein “Bremer” auf Linie gehen? Es ging ein Bremer auf Linie! Perfekt, der konnte jetzt nicht verschwinden, sondern musste zwangsläufig Richtung Stadt zurück. Nächste Aufgabe daher: Sonnenstelle für den “Bremer” finden.


Wir hatten wieder ein verkehrsgünstiges Hotelfenster mit Blick auf den neugestalteten Bahnhofsvorplatz und Shinkansen- und Kapspurbahnhof am rechten Bildrand. Wie die überdachten Shōtengai, gibt es auch sonst insbesondere hier im Süden an zentralen Stellen oft lange überdachte Wege, um vor Sonne und Regen zu schützen.


Wie postierten uns an der Haltestelle Gionbashi (4), direkt an der Uferpromenade des Shirakawa gelegen und warteten auf die Rückfahrt des “Bremers”. Es war der 9704, eines von drei 1999 gebauten Fahrzeugen.


Die Standzeiten sind bei japanischen Straßenbahnen lang, sodass es noch für eine zweite Aufnahme bei der Ausfahrt aus der Haltestelle Gionbashi (4) reichte.


Blick auf den Shirakawa-River und die Hochhäuser der Stadt neben der Haltestelle Gion Bashi.


Wir warteten noch ein paar Kurse in der schönen Morgensonne ab, um noch eine Aufnahme vom Flussdeich aus zu machen. Zwischen den Bahnen rollte langsam auch der Autoverkehr an. Prägend für das japanische Stadtbild sind die Toyota-Taxis, insbesondere die lange Jahre gebauten Modelle Toyota Comfort und Toyota Crown. Ersterer ist die wesentlich einfachere Ausführung und sieht ein wenig aus, wie vielleicht auch ein Kind ein typisches Stufenheck malen würde. Irgendwie haben es mir die Karren angetan, vielleicht weil es an die Designsprache der eigenen Kindheit aus den 90er-Jahren erinnert, die bei uns inzwischen weitgehend von den Straßen verschwunden ist. Passat B3 und B4, Audi 80 B4, Mercedes E-Klasse 124, C-Klasse 202,… Die “alten” Toyota-Taxis sieht man hier derweil noch sehr häufig, vor allem, weil sie teilweise gar nicht mal so alt sind: Der Comfort wurde in fast gleichbleibender Karosserieform von 1995 bis 2017(!) gebaut.


Zurück zur Straßenbahn: Wir stehen immer noch am Flussdeich und es kommt der gelbe 8501 im richtigen, weil autofreien Moment aus der Haltestelle Gionbashi (4) gerollt.


Japanische Hinweisschilder mit Warnungen, Erklärungen oder Verhaltensregeln sind ein Kosmos für sich. Nicht, wenn überhaupt, ein nüchternes Schild wie bei uns, sondern meist liebevoll illustriert, oft bis zu Unverständlichkeit, wenn man des Japanischen nicht mächtig ist. Das hier an mehreren Haltestellen angebrachte Schild war zwar recht schlicht, aber so seltsam, dass ich doch mal wissen wollte, was denn da steht und es durch Google translate jagte: “Are you rushing too fast? Rushing onto a train is dangerous.” Eben, da haben wir es wieder, ich sag es doch den ganzen Reisebericht lang: “Don’t Rush!”


Zwei Ecken weiter lag die Haltestelle Kawaramachi (6) schon im schönsten Morgenlicht. Also wieder raus und paar Bahnen des dichter werdenden Takts abwarten. Als nächstes kam 1207 vom Bahnhof zurück und erreicht gleich die Haltestelleninsel.

Wir sind hinter die Haltestelle gewechselt und stehen am Rand einer höher verlaufenden Straße, vor der die Strecke vor unseren Füßen einen weiten 90-Grad-Bogen ausfährt. Hier ist wiedermal das Tele beim Blick auf den ausfahrenden 1095 gefragt, mit dem dahinter emporragenden, 662m hohen Mount Kinbō, natürlich einem Vulkan, dessen letzter Ausbruch aber schon rund 200.000 Jahre zurückliegt.

Um nichts zu verpassen an Fahrzeugen in der Frühspitze, fuhren wir anschließend bis zum Abschnitt weiter, an dem auch die Linie B hinzukommt. Am Castle stiegen wir aus und stiefelten Richtung der großen Shirakawa-Brücke raus, wo die Strecke etwas besser ins Licht knickt. Ist ja immer das Problem in solchen Schachbrettstädten bei niedrigem Sonnenstand: Das Fenster zwischen Schatten und extrem achsigem Licht ist klein…
Sahen wir noch viel Spannendes an Fahrzeugen? Nicht wirklich, das meiste war dann doch schon aus der gestrigen Nachmittagsspitze bekannt.


Japanische Rush-Hour, wie man sie sich vorstellt: Endlose Blechkarawanen und dazwischen im Vergleich absurd kleine Straßenbahnwagen, die in dichtem Takt hintereinander hereilen, um zumindest ein paar Leute wegzuschaffen. Hier ist dann sogar mal nur ein Wagen auf der Aufnahme zu sehen, was bei so weiter Streckensicht gar nicht mal häufig vorkommt. 0801 kennen wir auch schon von gestern. Er hat die Haltestelle Suidocho (12) verlassen und eilt nach endloser Warterei vor der Kreuzung auf die Shirakawa-Brücke hinaus.


Auf der Brücke selbst klappten dann auch überraschend viele Versuche. Da zahlt sich die Kürze der Wagen aus. Eine 43m-Schlange draufzubekommen, wäre hier wohl ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. 1095 ist vom Bahnhof zurück und dreht die nächste Runde nach Kengunmachi.

Das vielleicht einzige bekanntere Motiv aus Kumamoto ist der Blick auf das Castle von der Haltestelle Torichosuji (11). Leider war ein etwas störendes Baugeländer mitten im Bild. Ob es noch immer zur Sanierung der Erdbebenschäden aus dem Jahr 2016 dient? Damals wurden zahlreiche Gebäude in der Stadt teils schwer beschädigt und mit insgesamt fast 280 Todesopfern und über 2800 Verletzten war es in Japan das folgenschwerste Erdbeben seit dem weltbekannten 2011er Tōhoku Erdbeben mit folgendem Tsunami. Das Hauptgebäude des Castles, der Tenshu, ist aber ohnehin eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1960. Es gibt auf dem großen Gelände aber noch zahlreiche Originalgebäude. Die Geschichte des Castles reicht bis ins Jahr 1601 zurück. 1205 rollt auf die Haltestelle Torichosuji (11) zu.

Wir hatten den Umlauf dann irgendwann gesehen und ohne Kaffee und Frühstück wurde es langsam mühsam. Also mal in die benachbarten Shōtengai reingelaufen und nach einem Bäcker oder Café mit Sitzgelegenheit Ausschau gehalten. Das Frühstück im Gehen auf der Straße zu verdrücken, wäre ja bekanntlich ein größtmöglicher Fauxpas. Nach kurzer Suche fanden wir das St. Marc Café, wo es leckere Schokocroissants, ein erstes herzhaftes Stückchen und Kaffee aus einer anständigen Maschine gab. Dass es sich hierbei um eine größere Kette handelte, die es in nahezu allen besuchten Städten im Zentrum irgendwo geben sollte, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber wir kamen gern wieder im Verlauf dieser Reise. War zwar preislich deutlich über mal schnell was aus dem 7-Eleven, aber man saß dafür gemütlich und es schmeckte.

Im Anschluss war es natürlich ein Pflichtpunkt, den dritten Streckenast, die Linie B nach Kamikumamoto, noch anzuschauen. Wir stiegen am Abzweig in die nächste Linie B und der Fahrer des 9204 war, als er am Abzweig korrekt geradeaus fuhr, sehr besorgt darum, dass wir uns nicht in die falsche Linie verirrt hatten. Touristen wollen ja in der Regel eher zum Fernbahnhof, als in irgendein Wohnviertel und Gewerbegebiet oder den Regionalbahnhof an der Endstation. So ganz verständlich verlief unsere Kommunikation nicht. Er fragte wohl, ob wir zum Bahnhof wollten, woraufhin natürlich ja und nein die korrekte Antwort gewesen wäre, denn am Ende der Linie B befindet sich ja auch ein Bahnhof. Ich versicherte ihm aber mit Händen und Füßen, das wir uns nicht verirrt hatten und bedankte mich für die Nachfrage. Das wir dann trotzdem schon an der nächsten Haltestelle spontan heraussprangen, dürfte die Verwirrung aber komplettiert haben. Dabei hatten wir nur ein ansprechendes Motiv entdeckt, das natürlich der Umsetzung harrte. Jedenfalls wiedermal sehr besorgt um die ihm anvertrauten Fahrgäste dieser Fahrer. Das gefällt!


Nein, das ist noch nicht das erspähte Motiv, für das wir schon eine Station nach dem Abzweig an der Haltestelle Senbabashi (B8) wieder von unserem Wagen 9204 absprangen. Aber wir brauchten eh was aus der anderen Richtung auf der anderen Seite der Haltestelle für das eigentliche Motiv und dieser quietschgürne Chevi-Mini-Bus mit Kulleraugen war doch irgendwie niedlich 😀 Eine Besonderheit ist der besondere Bahnkörper für Kumamoto an dieser Stelle aber auch und somit durchaus würdig, dokumentiert zu werden.


Dieses Motiv hatten wir beim Blick durch den Fahrerstand erspäht. Sah doch irgendwie mal ganz anders aus, als kleine Bahn auf breiter Straße in Häuserwüste mit ganz vielen Autos. Wagen 1210 ist an der Haltestelle Senbabashi (B8) mit uns unbekannter Mission auf dem Weg Richtung Innenstadt. Das gelbe Schild lässt zumindest eine vorzeitig endende Verstärkerfahrt vermuten.

Die Linie hatte jetzt doch nachhaltig unser Interesse geweckt. Man muss die interessanten, “anderen” Stellen bei den japanischen Straßenbahnbetrieben doch noch etwas intensiver Suchen, als bei uns. Aber die Netze sind ja meist klein, sodass man sich schnell einen Überblick verschafft hat…

Da der Takt der Linie B nur vier Wagen pro Stunde versprach, umliefen wir den nur wenige Meter langen Abschnitt des besonderen Bahnkörpers zu Fuß und stellten uns an der nächsten Haltestelle Shinmachi, wo die Strecke schon wieder auf die Straße einschwenkt. Hier war alles mal etwas enger und interessante Bebauung. Auf jeden Fall ein Bild wert! Es kam dann doch noch deutlich häufiger was als alle Viertelstunde, vor allem von hinten. Wir hatten nicht ganz auf dem Schirm gehabt, dass viele der Einrücker hier lang müssten (alles was sich nicht in die Abstellanlage Kotsukyoku Mae stellt), sodass hier gerade alle paar Minuten was Richtung Kamikumamoto kam. Etwas ganz Besonderes kam mit dem nächsten Kurs von hinten: Der “Heidelberger”, den wir erst jetzt als solchen erkannten. Das provozierte natürlich einige Detailaufnahmen während des Haltestellenaufenthaltes und auch das folgende Streckenmotiv klappte perfekt, da die Tram beim Einschwenken auf die Straße hier ausnahmsweise eine eigene Ampelphase hat. Natürlich nicht mit Vorrangschaltung – so etwas gibt es in diesem Land nicht.


Der Heidelberger 9201 trägt eigens bedruckte Tafeln am Eingang, auf denen ebendies auch auf Deutsch steht, dazu das Stadtwappen und Zierelemente in schwarz/rot/gold. Heidelberg und Kumamoto sind seit 1992 Partnerstädte.


An der Fahrzeugfronten befinden sich zusätzliche Tafeln, mit der Aufschrift der Partnerstadt und den Landesfarben, wie auch bei den Wagen 8801 und 8802 schon von ferner gesehen.


Nach dem Warten auf die Ampelphase an der Haltestelle Shinmachi (B7), schwenkt der Heidelberger wieder auf die Straße ein und rollt weiter Richtung Kamikumamoto.


Entgegen kommen die Bahnen nun tatsächlich nur noch etwa im Viertelstundentakt. Ein Grund, die ältesten Fahrzeuge aus dem Rennen zu nehmen und stattdessen etwas fassungsstärkere und barrierefreie Gefäßgrößen auf Linie zu lassen, scheint das nicht zu sein. Stattdessen bleiben Olides wie der 1958 gebaute 1201 auf Linie, hier zwischen den Haltestellen Daniyamamachi (B5) und Urusanmachi (B6) stadteinwärts.


Und wenige Meter weiter durch die Canon gesehen. Der Wagen stand noch eine Weile vor der roten Ampel, sodass ich längst aus dem Bild verschwunden war.


Einige Meter weiter die Straße von der vorletzten Aufnahme runter, kommt als nächstes 1097 Richtung Kamikumamoto durch. Dieser kurze Abschnitt zwischen den Haltestellen Senbabashi (B8) und Daniyamamachi (B5) bot mal viele abwechslungsreiche Motive. Hinter der nächsten Ecke wurde es dann aber wieder zum recht eintönigen Allerlei, wo man auch gern mal einige Haltestellen überspringen kann.


Ein letztes Bild an der Ecke ging aber noch, denn von hinten kam schon wieder was, genauer der “Amerikaner” 8801, der wie viele andere anschließend im Depot verschwand. Da waren jetzt aber auch vier, fünf Bahnen innert einer halben Stunde durchgekommen, klar waren die jetzt größtenteils nur auf Einrückfahrt auf der Strecke der Linie B.

Man könnte die nächsten Haltestellen überspringen, schrieb ich gerade? Könnte man, aber jetzt war die große Welle durch und es kam erstmal nichts mehr. Der nächste Wagen lief dann etwa zeitgleich mit uns in der Endstation ein. Wir hatten uns die eintönige Strecke zu Fuß runtergeschleppt und die einzige Bahn, die auf der nicht übermäßig befahrenen Straße entgegenkam, wurde natürlich zielsicher zugefahren. Naja, um das “Motiv” war es nicht schade, aber man hätte sich den langen Fußweg wenigstens schönreden können 😉

Die Endstation Kamikumamoto befindet sich wiedermal in einem kleinen Häuschen und es wurden sogar zwei Gleise spendiert. Direkt daneben und parallel zur Strecke befindet sich der Betriebshof, wo noch einige Rangierfahrten der abgeklungenen Frühspitze im Gange waren. Auch den inzwischen abgestellten oder in die historische Flotte übergelaufenen Gelenkwagen 5014 erspähten wir in einer der zugestellten Reihen, ebenso wie direkt am Zaun zur Straße die beiden abgestellten Wagen 8201 und 8202. Man konnte zwar einiges einsehen, aber anders als viele andere Betriebshöfe, ließ es sich schlecht fotografieren. Also ging es alsbald mit dem nächsten Wagen zurück Richtung Innenstadt.


Im Endstationshäuschen Kamikumamoto (B1) wartet 1352 auf die Abfahrtszeit. Wie gesagt, man lässt hier am liebsten das älteste Zeug auf Linie. Der Fahrer ist noch nicht wieder da, trotzdem kann man schon zusteigen. Vandalismus und Missbrauch anderen Eigentums gibt es in diesem Land scheinbar einfach nicht. So zeigt sich die ganze Endstationsanlage herausgeputzt und ordentlich, natürlich auch mit öffentlichen und sauberen Toiletten. Was diese Endstationsanlagen in manch anderen Ländern für siffige Löcher wären, kann sich jeder lebhaft optisch und geruchstechnisch vorstellen, der schon ein bisschen in der Welt herumgekommen ist. Hier besteht Übergang zur Kagoshima Main Line der JR. Hinten, wo der Bus erkennbar ist, endet zusätzlich quasi Kopf an Kopf mit der Straßenbahn die Kikuchi Line, eine der zahlreichen, nichtstaatlichen lokalen Kapspurstrecken. Hier betreibt die Kumamoto Electric Railway zwei lokalen Linien unter 600V DC, auf denen größtenteils einige der unzähligen japanischen Blechbüchsen-Baureihen zum Einsatz kommen. Zum Glück nicht unser Themengebiet, da hat man in Japan noch viel mehr zu tun, als mit den Straßenbahnen.

Der 1352 stand lang in der Endstation und füllte sich nach und nach. Bei einem Viertelstundetakt sind diese Wagen halt einfach schnell voll. So wurde es dann richtig gemütlich voll auf der Fahrt Richtung Innenstadt, aber zum Glück sind die Japaner auch im hohen Alter (von denen es bekanntlich seeehr viele gibt) noch erstaunlich fit und mobil, zumindest jene, die noch vor die Türe gehen. Denn die wenigen Sitzplätze auf den Querbänken können gar nicht allen Ü70-Passagieren Platz bieten. Aber man hängt sich dann mit beiden Armen in die Halteschlaufen und pendelt daran herum. So kann man zumindest nicht umfallen. Zum Einschätzen der Größenverhältnisse: Mir pendelten diese nervigen Halteschlaufen immer um Ohren und Nase, an denen die Japaner mit Händen über dem Kopf herumpendelten. Nicht für mich gebaut diese Wagen…

Ich hatte jetzt noch zwei Ideen im Kopf, die ich umsetzen wollte: Zum einen natürlich war die quadratische All-Way-Fußgängerbrücke an der Haltestelle Kuhonjikosaten Pflicht, zum anderen dann am Rückweg noch bisschen was zwischen den 90-Grad-Kurven der Linie A Richtung Bahnhof. Mein Vater hatte es aber gesehen hier und wollte sich stattdessen noch das Castle etwas genauer ansehen. So trennten sich die Wege und wir wollten uns dann zur Weiterfahrt am Hotel wiedertreffen.

Ich zumindest hatte für mich die richtige Wahl getroffen: Diese quadratische Fußgängerbrücke – einfach der Oberknaller 😀 Die Sonne stand gerade schon knapp passend, um mitten im rostigen Quadrat die kurzen Vierachser einzurahmen und die Lawson Station im südöstlichen Quadranten der Kreuzung sorgte für die nötige Erfrischung während der kurzen Wartezeiten oberhalb der Kreuzung.


Eine rostige All-Way-Fußgängerbrücke über der Kreuzung an der Haltestelle Kuhonjikosaten (13) – herrlich! Wagen 1205 rollt über die Kreuzung und erreicht die Haltestelle Richtung Kengunmachi.


Es folgt Wagen 1207, nun steil gesehen mit der Haltestelle Richtung Innenstadt. Das Warnschild oben auf der Brücke kommt derweil nicht von ungefähr: Die Rechtsabbieger haben im ganzen Land nur in den seltensten Fällen eine eigene Phase gegenüber der mittig verlaufenden Straßenbahn und immer wieder kam es zu engen Situationen.


Weil es so schön rostig ist, auch nochmal mit Wagen 8503 Richtung Kengunmachi.

Der Punkt war abgearbeitet. Nun also langsam zurück Richtung Bahnhof. Zu meiner Überraschung kam dann als nächste Linie A ein Bremer, aber nicht der 9704 von heute Morgen, sondern der erstgebaute 9701, Japans erster Niederflurwagen. Da ich nun drinsaß, blieb eigentlich erstmal nur irgendwo ein Nachschuss. Nicht ganz einfach beim aktuellen Sonnenstand, denn auf den schmalen Bahnsteigen kommt man ja nicht richtig seitlich. Und mal eben hastig irgendwo quer über die Straße rennen geht sich ja mal so gar nicht an in diesem Land. Dem will man sich ja bestmöglich anpassen. An der Haltestelle Kawaramachi passte das Licht halbwegs für einen steilen Nachschuss der auch klappte, aber wirklich zufriedenstellend war das noch nicht. Aber der Wagen würde ja bald wiederkommen, dann würde ich ihn an der nächsten Ecke gut abpassen können.


Mitfahrt im ersten Niederflurwagen Japans, nach deutscher Bezeichnung GT4N-ZR 9701. Gebaut 1997 vom damaligen Patentinhaber ADtranz und Niigata. Ab 2012 war der Wagen bereits einmal lange Zeit wegen Elektronikproblemen abgestellt. Die Tafel ganz oben steht für die Modernisierung durch Niigata Transys, die den Wagen ab 2019 wieder in den Einsatz brachte. Insgesamt findet sich die Baureihe aber wohl wegen dieser zunehmenden Elektronikprobleme schon stark auf dem abfallenden Ast. Das ist ja auch bei den nahen Verwandten in Deutschland kaum anders, nur dass sie dort eher weniger von 40 Jahre älteren Baureihen überlebt werden – zum Glück, darf man sagen, so sehr die japanische Straßenbahnwelt auch faszinieren mag.


An diese Stelle hatte ich es als Nachschuss auf den 9701 hinter der Haltestelle Kawaramachi (6) nicht mehr vorgeschafft. Die Plattformen sind meist nur von einer Seite zugänglich, sodass ich hinten rum musste. Dann eben mit dem 1091, gleich auch in die richtige Richtung.


Und noch einmal der Blick von oben auf die Haltestelle Kawaramachi (6), wo wir heute Morgen schon den Teleblick auf den 1095 umgesetzt hatten. Jetzt ist die Sonne doch schon weit über 90 Grad weiter. 8502, der Einzige der Baureihe in Hausfarben, verlässt die Haltestelle Richtung Innenstadt.


Jetzt am Mittag lässt sich auch der Blick in die Kurve umsetzen mit der höher gelegenen Straße am rechten Bildrand, die eben noch als Standpunkt diente. Es ist mal wieder der “Chinese” 8802, der sich auf dem Weg zum Bahnhof befindet.


Ein weiteres typisches Detail im öffentlichen Raum sind die Getränkeautomaten an jeder Ecke. Nicht, wie man es bei uns etwa von den Selecta-Automaten an Bahnhöfen kennt, zu völligen Mondpreisen, sondern meist genauso günstig wie in jedem FamilyMart oder 7-Eleven. Der halbe Liter Wasser kostet automaten- und ortsabhängig meist zwischen 80 und 150 Yen und damit in der Regel deutlich unter einem Euro. Auch Cola, Eistee, oder gar heißen Kaffee gibt es zu günstigen Preisen. Und eben überall und ständig verfügbar. Wirklich genial. Da es im öffentlichen Raum in Japan keine Mülleimer gibt, steht daneben meist noch ein Eimer, in den ausschließlich Flaschen und Dosen aus den Automaten entsorgt werden. Die Entsorgung des getrunkenen Inhaltes stellt ebenfalls, anders in vielen anderen Ländern – Deutschland ist da ein absolutes Negativbeispiel – kaum ein Problem da. Öffentliche, kostenlose und meist blitzblanke Toiletten gibt es an vielen Orten, in öffentlichen Einrichtungen, oder in jedem der zehntausenden Convenience-Stores. Wichtig: Unbedingt Münzen oder 1000er-Schein dabeihaben, denn mit Kreditkarte funktionieren nur die wenigstens Automaten. An den meisten kann nur via den landestypischen IC-Cards bargeldlos bezahlt werden.


Die Leerung der Flaschenmülleimer erfolgt derweil ein wenig abenteuerlich. Da muss man wohl in der Gesichtsverlust-Spirale auch schon ein paar Stufen hinuntergestolpert sein.


Warum hier so viel Zeit bleibt über Getränke-Ver- und Entsorgung zu schwadronieren? Weil ich immernoch gemütlich an dieser ruhigen Häuserecke bei der Haltestelle Gofukumachi (5) auf die Rückkehr des 9701 wartete. Der Nachschuss ging sich fast perfekt aus, der Toyota Yaris gehört halt dazu zum Straßenbild. Interessant übrigens an den GTx-Fahrzeugen: Hier ist der Ein- und Ausstieg, anders als noch in Kagoshima, an beiden Türen möglich. Die Fahrzeuge sind entsprechend an der zweiten Tür mit einem weiteren Bezahlautomaten und einem Schaffner besetzt.


Da ich dank meines Ausfluges zur Brücke die Reihenfolge der Linie A ungefähr kannte, wusste ich, dass als nächstes noch einmal der hübsche 1205 dran sein müsste. Den wartete ich also auch noch ab. Eben war ewig nichts gekommen aus der Richtung, sodass ich damit rechnen konnte, dass da eh ein nächster Wagen fast aufgelaufen ist und ich es mit dem auch noch fast pünktlich zum Treffpunkt am Hotel schaffen würde.


Es kam dann auch bald der nächste “Amerikaner” am Ende der Geraden in Sichtweite. Am Ende der Geraden? Dann bleibt ja noch entspannt Zeit, sich diese kleine Mini-Van-Ausstellung etwas genauer anzusehen. Diese kleinen aber maximal ihre Fläche ausnutzenden Kisten gibt es von nahezu allen japanischen und koreanischen Fahrzeugbauern. Schon für normalgewachsene Europäer dürfte es mühsam sein, sich in eine dieser Boxen hinein zu falten. Für die hiesigen Größen- und Platzverhältnisse sind die Teile aber super pragmatisch. Hier zeigt sich eine illustre Ausstellung mit gleich fünf verschiedenen Modellen und Marken. Von links nach rechts der Mazda Scrum, Daihatsu Hijet, Nissan Roox, Honda N-Van und Suzuki Every.


Drei Ecken weiter war dann der Bahnhof (3) erreicht. Abschiedsbild aus Kumamoto mit Wagen 1352.

Auch Kumamoto hatten wir sehr zufriedenstellend an zwei halben Tagen geschafft. Insbesondere an dem kurzen Abschnitt am Ast der Linie B hatten sich auch mal ein paar “andere” Motive finden lassen. Der Wagenpark hier war eh so ziemlich maximal abwechslungsreich. Zufrieden holten wir kurz die Koffer und zogen rüber zum Bahnhof. Ein kurzer Blick auf den Fahrplan, noch was zu essen am Bahnhofsbäcker geholt und schon standen wir wieder auf der Rolltreppe hinauf zum Shinkansen-Bahnsteig.

Nagasaki – dorthin geht es nun. Es wird eine etwas zerhackte Reisekette mit zwei Umstiegen, aber davon dann im nächsten Teil mehr, schließlich wollen wir nicht in Eile verfallen 😉

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