Noch am späten Abend haben wir gestern Kōchi erreicht, den zweiten Straßenbahnbetrieb auf der Insel Shikoku. Neben einem großen und abwechslungsreichen Wagenpark, ist vor allem die lange West-/Oststrecke mit Überlandcharakter eine Besonderheit.
Die kreisfreie Präfekturhauptstadt Kōchi, nicht zu verwechseln mit dem rund doppelt so großen indischen Kōchi, zählt rund 325.000 Einwohner und liegt an der Südküste der Insel Shikoku. Zur Übersicht über den Reisefortschritt blende ich an dieser Stelle mal wieder die Karte mit den 17 Straßenbahnstädten des Landes ein.

Übersichtskarte Japans mit den 17 verbliebenen Straßenbahnbetrieben. Wir haben uns inzwischen von den drei Betrieben Kagoshima, Kumamoto und Nagasaki auf der Südinsel Kyushu über Hiroshima auf der größten Hauptinsel Honshu auf die kleinste der vier Hauptinseln Shikoku von Matsuyama bis Kōchi vorgearbeitet.
Der erste Abschnitt der Straßenbahn Kōchi wurde im Jahr 1904 eröffnet. Heute besteht das Straßenbahnnetz aus einer nur gut 3 km langen Nord-/Südstrecke, die von der Kōchi Station im Norden zum Depot am Hafen im Süden führt. Schon zwei Haltestellen von der Station entfernt, kreuzt im rechten Winkel die West-/Oststrecke, dank derer das Netz mit rund 25 km Streckenlänge heute das längste reine Straßenbahnnetz Japans ist. Die Strecke führt im Westen teils eingleisig bis in die rund 11 Kilometer vom Zentrum entfernte Nachbargemeinde Ino, im Osten bis in das etwa ebenso weit entfernte Gomen. Während in der Innenstadt in hoher Taktung gefahren wird – zur HVZ teils alle 2 1/2 min – enden auf der langen Linie zahlreiche Kurse an mehreren Zwischenstationen. Ino wird so nur alle 46 min erreicht, bis Gomen wird außerhalb der HVZ alle 36 min gefahren. Während der HVZ konnten wir dort jedoch etwa eine Verdoppelung feststellen. Auf dem langen eingleisigen Abschnitt bis Ino wurde früher mit Token gefahren, durch den auf 46min gestreckten Takt war das bei unserem Besuch nicht mehr nötig, da sich jeweils nur eine Bahn im eingleisigen, mit Kreuzungsstellen versehenen, aber nicht signalisierten Abschnitt befand. Eine Verdichtung zur HVZ scheint dadurch aktuell aber nicht möglich.
Im Kernbereich ist die Straßenbahn seit dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg trassiert, wie man es aus den meisten japanischen Städten kennt: Zweigleisig auf eigener Trasse inmitten von vier bis sechs Autospuren. Eine unabhängige Signalisierung besteht auch hier nicht, sodass die Reisegeschwindigkeit sehr zu wünschen übrig lässt – vom östlichen zum westlichen Streckenende ist man weit über eine Stunde unterwegs. Außerhalb der wiederaufgebauten Kernstadt wandelt sich die Strecke hin zur teils klassischen Überlandstraßenbahn in eingleisiger Seitenlage mit engen Ortsdurchfahrten teils auf der Straße.

Wer des Japanischen mächtig ist, dem mag die Streckenkarte auf der Rückseite der als kleiner Flyer ausgeführten Tageskarte etwas nützen. Sonst ist das Ganze doch recht nutzlos, da die Haltestellen auf diesem Plan nicht durchnummeriert sind. Die blauen Zahlen über einigen Haltestellen geben zumindest Aufschluss über die außerhalb der HVZ gefahrene Taktung bis zur jeweiligen Haltestelle.

Auf der anderen Seite findet sich das übliche Rubbellos für den Gültigkeitstag, aber auch eine Illustration der verschiedenen Fahrzeugtypen.
Das vergleichsweise lange Streckennetz gepaart mit der extrem niedrigen Reisegeschwindigkeit erfordert in Kōchi einen außergewöhnlich großen Fahrzeugpark. Bemerkenswert ist dabei der hohe Anteil an Fahrzeugen aus den 50er- und 60er-Jahren, während spätere Neuaufbauten und Niederflurwagen fast an einer Hand abzuzählen sind. Rund 60 Fahrzeuge sind heute für den Linienbetrieb im Bestand. Wie gewohnt folgt hier zunächst eine Übersicht, bevor es mit dem Reisebericht weitergeht:
Type 200
Die Fahrzeuge der Serie 200 sind Originalfahrzeuge aus Kōchi aus den 50er-Jahren. Es handelt sich um klassische Vierachser auf Drehgestellen, die von 1950 bis 1957 bei Hitachi, in Lizenz bei Imperial Vehicles und in eigener Werkstatt gefertigt wurden und die Nummern 201-221 erhielten. Zwischen den Aufbauten gibt es immer wieder geringfügige Unterscheide, die teils von Beginn an vorhanden waren, teils durch Modifikationen im Laufe der Jahre entstanden. 13 Fahrzeuge befinden sich heute noch im Bestand.

Das erstgebaute Fahrzeug der 200er-Serie aus dem Jahr 1950 von Hitachi am 10. April 2025. Das mittlere Stirnfenster wurde während einer Modifikation nachträglich verbreitert, die beiden anderen entsprechend schmaler. Der Wagen trägt die aktuelle, mit dem Betreiberwechsel im Jahr 2014 eingeführte Lackierung.

Wagen 213 wurde 1954 ebenfalls wieder bei Hitachi gebaut, weißt allerdings am Wagenkasten einige Unterschiede zum 201 auf: Zum einen wurde der Wagen nicht auf das größere mittlere Stirnfenster umgebaut, und auch die Seitenfenster scheinen noch in einem originaleren Zustand zu befinden. Auffällig auch das bei diesem Wagen integrierte Frontlicht. Zur Lackierung von 213 findet sich in der japanischen Wikipedia der Hinweis “One-man painting”, was zur Einführung des schaffnerlosen Betriebes die bereits umgestellten Fahrzeuge auswies.

Wagen 214 stammt aus derselben 1954er-Charge wie 213 und weißt auch heute keine offensichtlichen Unterschiede auf. Auffällig bei beiden Wagen das Fehlen einer Klimaanlage. 214 trägt noch die alte Lackierung der Tosa Denki Tetsudo, die durch die Übernahme der Straßenbahn durch die öffentliche Hand im Jahr 2014 in der heutigen Tosaden Kotsu aufging.
Type 600
Die Fahrzeuge der 600er-Serie stammen aus den Jahren 1957 bis 1964. Insgesamt entstanden 31 Fahrzeuge bei Naniwa und teilweise in eigener Werkstatt bei der Tosa Denki Tetsudo. Charakteristisch ist die zweigeteilte Frontscheibe, die die leicht spitz zulaufende Front unterstreicht. Die Fahrzeuge sind äußerlich weitgehend identisch und stechen heute durch ihre vielen bunten Gestaltungen hervor. Die Serie scheint sich noch weitgehend vollständig im Einsatzbestand zu befinden und stellt damit einen beträchtlichen Teil des Fahrzeugauslaufs. Wir trafen nicht weniger als 24 Fahrzeuge der Serie in den zwei Tagen unseres Besuches an.

Viele Wagen der 600er-Serie tragen farbenfrohe und abwechslungsreiche Gestaltungen. Mit 610 trafen wir am 10. April 2025 aber zumindest auf ein Fahrzeug im aktuellen Farbschema.

Der erstgebaute 601 trägt noch die Lackierung der Vorgängergesellschaft.
Type 700/800 (ex. Shimonoseki)
Die Serien 700 und 800 wurden 1971 von der stillgelegten Straßenbahn Shimonoseki übernommen. Insgesamt sieben Fahrzeuge 701 bis 703 und 801 bis 804 gelangten nach Kōchi und behielten bis auf 703 (vormals 704) die Nummern aus Shimonoseki. Die beiden Serien unterscheiden sich nur in wenigen Details und wurden ab 1958 von Naniwa Koki gefertigt.

Wagen 702 (ex Shimonoseki) am 11. April 2025 auf der zentralen Kreuzung Harimayabashi.

Die 800er-Fahrzeuge sind weitgehend baugleich zu den 700ern. Hier der Wagen 803 am 10. April 2025. In neuer Lackierung begegnete uns kein Fahrzeug der Baureihe.
Type 1000
Im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben tat sich in Kōchi in den 70er- bis 90er-Jahren so gut wie nichts am Wagenpark. So blieben auch die vielen kantigen Neuaufbauten und Neufahrzeuge aus, die viele andere japanische Betriebe prägen und dort eine Vielzahl der Fahrzeuge aus den 50er- und 60er- Jahren ersetzten oder als Spenderfahrzeuge nutzten.
Nachdem die letzten Neufahrzeuge aus den 60er-Jahren stammten, wurden erstmals im Jahr 1981 wieder zwei Fahrzeuge beschafft. Der Zeit entsprechend brachten die beiden bei Aruna Koki gefertigten Wagen 1001 und 1002 ein vollkommen neues, kantiges Außendesign mit. Es waren die ersten Fahrzeuge, die von Beginn an mit einer Klimaanlage ausgerüstet waren. Weitere Fahrzeuge dieses Typs wurden nicht beschafft. Beide Wagen stehen noch heute im Einsatz.

Die einzigen Fahrzeuge der “kantigen” Fahrzeug-Ära ab den 80er-Jahren sind in Kōchi die beiden Wagen 1001 und 1002. Ersteren sehen wir hier am 10. April 2025 beim Einrücken ins Depot nach der Rush Hour.
Type 2000
In den Jahren 2000 und 2004 wurden insgesamt drei Fahrzeuge der Serie 2000 bei Aruna Koki gebaut. Trotz des jungen Baujahres, handelt es sich weiterhin um klassische vierachsige Hochflurwagen. Die Fahrzeuge haben zwar einen gänzlich neuen Wagenkasten, Teile des elektrischen Equipments wurde allerdings von Spenderfahrzeugen der Type 200 übernommen. Der vergleichsweise moderne Wagenkasten mit dem Antriebsequipment und den Fahrgeräuschen eines Fahrzeuges aus den 50er-Jahren ist zumindest auch keine Alltäglichkeit.

Drei Fahrzeuge der Type 2000 stehen in Kōchi im Einsatz. Mit Baujahren 2000 und 2004 waren die Fahrzeuge von Anfang an ihrer Zeit weit hinterher, die elektrische Ausrüstung wurde gar von Fahrzeugen aus den 50er-Jahren übernommen. Wagen 2001 wendet hier am 10. April 2025 an der Zwischenstation Kagamigawababashi.
Type 100 – Little Dancer L
Den ersten Niederflurwagen und das erste “echte” Neufahrzeug seit Jahrzehnten erhielt Kōchi im Jahr 2002 mit einem dreiteiligen Little Dancer L von Aruna Koki. Auf einem mittigen starren Fahrwerksegment ruht je Seite ein langer Vor- bzw. Nachläufer mit Drehgestell. Trotz seines Einzelgängerstatus und dem Alter von inzwischen über 20 Jahren befindet sich der Wagen 101 noch im Einsatzbestand. Weitere Fahrzeuge dieses Typs folgten bis heute nicht.

Der Little Dancer L 101 am 10. April 2025 auf der West-/Ostachse.
Type 590 – Meitetsu Mo590 (ex. Gifu)
Die zwei Fahrzeuge 591 und 592 wurden im Jahr 2005 von der eingestellten Straßenbahn Gifu übernommen. Dort wurden sie im Jahr 1957 als Teil der fünf Fahrzeuge umfassenden Serie Mo590 für den Betreiber Meitetsu der Nagoya Railway von Nippon Sharyo gebaut. Beide Fahrzeuge wurden 1983 auf Einmannbetrieb umgebaut und erhielten später eine Klimaanlage. Während unseres Besuches konnten wir beide Fahrzeuge auf der Nord-/Süd-Relation antreffen.
Mo590 591 am 11. April 2025 auf dem Bahnhofsvorplatz von Kōchi. Die aus Gifu stammenden Fahrzeuge behielten nach der Übernahme im Jahr 2005 ihre rote Lackierung. Auch im Innenraum wird auf die Geschichte der Fahrzeuge verwiesen.

Am 10. April 2025 befand sich auch der Wagen 592 im Einsatz auf der Nord-/Süd-Relation, hier kurz vor Betriebsschluss an der zentralen Kreuzung Harimayabashi.
Type 3000 – Little Dancer Ua
Drei Fahrzeuge vom Typ Little Dancer Ua von Aruna Koki erreichten 2018, 2021 und 2024 Kōchi. Beim Little Dancer Ua handelt es sich um klassische Multigelenkfahrzeuge, bestehend aus zwei starren Fahrwerksmodulen und einem eingehängten, freischwebenden Mittelteil. Die Fahrzeuge erhielten die Nummern 3001 bis 3003 und standen bei unserem Besuch im April 2025 allesamt im Einsatz.
Das jüngste Fahrzeug der 3000er Serie wurde erst 2024 ausgeliefert und konnte am 11. April 2025 an der Zwischenendstation Kagamigawababashi aufgenommen werden.
Donnerstag, 10. April 2025 I
Hier in Kōchi hatten wir eines der wenigen Hotels, wenn nicht gar das einzige, in dem das Frühstück im Zimmerpreis obligatorisch inkludiert war. Auch wenn die Geschmacksrichtung am Morgen gewöhnungsbedürftig ist, war das bislang einzige Frühstück, das wir mitgenommen hatten, in Kagoshima doch recht lecker und abwechslungsreich gewesen. Hier in Kōchi war es dann aber doch eher enttäuschend. Fisch- und Algenbrühe zum Frühstück muss nicht unbedingt sein, das frittierte Hühnchen war irgendwie auch nicht so on Point, wirklich was Süßes gab es abseits von Joghurt nicht und der Kaffee verdiente den Namen nicht. Egal, brauchten wir uns hier zumindest nicht länger aufhalten und würden nachher ein zweites, unseren Essgewohnheiten eher entsprechendes Frühstück beim Bahnhofsbäcker nehmen.
Kurz vor acht standen wir unten am Bahnhofsvorplatz, was noch früh genug war, um noch die Fahrzeuge der Frühspitze vor dem baldigen großen Einrücken mitzunehmen.

Zumindest ein bisschen was im Magen hatten wir nach dem Frühstück und begaben uns hinunter zur Frühspitze. Unser Hotel ist mal wieder das erste am Bahnhofsplatz, hier in der Provinz preislich kein Problem und der Blick über den Bahnhofsvorplatz mit der dort endenden Nord-/Südstrecke ist inkludiert. Wagen 803 erreicht das Ende seiner Fahrt im rechten Winkel zur JR Station.

Natürlich gibt es eine Fußgängerbrücke rüber zum Bahnhof, deren Ausblick gleich mal getestet wurde. Wagen 603 überquert die Kreuzung am Bahnhofsvorplatz und erreicht das Ende seiner Fahrt. Links unser den üblichen Standards entsprechendes Hotel. Die größere Zimmerkategorie konnte man sich hier gut leisten.

Die Fahrzeuge der 600er-Serie sind omnipräsent. Auch wenn viele bunte Gestaltungen und Vollwerbungen tragen, finden sich in der Masse auch einige in den Hausfarben, mit 610 sogar in den seit 2014 aktuellen. Der Fahrer der Coca-Cola-Bahn 603 wirft einen genauen Blick auf die Uhr, noch scheinen einige Sekunden bis zur Abfahrt zu verbleiben.
An der am Bahnhof gelegenen Touristeninfo besorgten wir uns erstmal vier Tageskarten zu je 1000 Yen, zwei für heute und zwei für den morgigen halben Tag. Wieder draußen kam sogleich einer der zwei Wagen aus Gifu vorgefahren. Konnten wir also schonmal einen Haken hinter setzen – bei so Splittergruppen weiß man ja nie… Es sollten sich aber noch bessere Aufnahmen ergeben. Wir fuhren mit dem Wagen 591 aus Gifu erstmal bis zur großen Kreuzung mit der Ost-/Weststrecke, um zu sehen, was in der Frühspitze alles draußen war. Im Grunde schon fast alles, was so in unserem Panini-Album stand: Die 3000er-Niederflurserie, die 200er, die 700er/800er und auch einer der nur zwei 1000er. Was fehlte eigentlich noch? 2000er hatten wir nicht gesehen und den Einzelgänger 101.

An der großen Kreuzung Harimayabashi folgen die Fahrzeuge im Sichtabstand. Zur Rush Hour wird ungefähr ein 2 1/2-Minuten-Takt gefahren. Mehr lassen die Wartezeiten an Haltestellen und Ampeln aber auch gar nicht zu. Hier überquert 619 die Kreuzung Richtung Süden. 631 im Hintergrund wechselt im Gegengleis am Gleiswechsel gerade die Fahrtrichtung, wohl um von der Ost-/Westachse kommend, ins Depot Richtung Süden einzurücken.

Die beiden Wagen 1001 und 1002 stechen in der Flut aus Fahrzeugen der 50er- und 60er-Jahre heraus. 1001 dreht noch eine Runde zu einer der Zwischenendstationen im Westen, bevor es zurück ins Depot geht. Schön zu erkennen ist hier die einfache Bauform der Gleiswechsel: Nur eine bewegliche Zunge, die stets federnd auf Abzweig steht und somit alles vom Gegengleis auf das richtige Gleis befördert.
Das Tosen auf der großen Kreuzung war schon übel und die Flut an Autos ließ aktuell im Grunde nur Aufnahmen von den schmalen Haltestelleninseln zu, wo man aber ein- und aussteigenden Fahrgästen auch immer mehr oder weniger im Weg herumsteht. Nicht wirklich entspanntes Fotografieren. Wir verschoben uns nach diesem ersten Eindruck vom Fahrzeugauslauf also erstmal Richtung Süden zum Depot. Alles, was nicht eh den Tag über auf Linie bleibt, würde uns dort auch beim Einrücken begegnen. Die Strecke endet direkt an den Industrieanlagen des Hafens an der Kagami-Mündung. Nicht wirklich schön im eigentlichen Sinne, aber daran gewöhnt man sich in Japans Städten mit jedem Tag mehr. Außer das der 1001 noch einmal auf Einrückfahrt durchkam, passierte aber auch nichts Spannendes mehr. 101 und die 2000er blieben weiterhin auf der Fahndungsliste. Ein tiefer Blick ins Depot hinein verriet, dass sich der Replica-Museumswagen 7 und die drei Exoten – Graz 320, Lissabon 910 und Oslo 198 – eng beieinander unter einem Tramport versteckten. Auch der Stuttgarter GT4 735 ging aus Deutschland ursprünglich hierher, wurde inzwischen aber nach Fukui weitergereicht. Zeitweise kamen die Einzelgänger wohl sogar im Planbetrieb gelegentlich zum Einsatz, wie wir es auch in Hiroshima erlebt hatten. Während unseres Besuches blieben die Fahrzeuge aber auf dem Betriebshof.

Der südlichen Streckenast endet an den Industrieanlagen des Hafens unweit des Depots. Zu den Zeiten der Ein- und Ausrückfahrten ist hier einiges Gewusel, denn die Gleisgeometrie der Depotzufahrt wurde wiedermal minimalistisch ausgelegt und erfordert fröhliches Sägen. Im Vordergrund die übliche Einzungenrückfallweiche, die es für Einrücker als erste Hürde zu nehmen gilt. Wagen 631 fährt aber vorerst noch in die Endstation, sobald 201 den Platz freigemacht hat.

Die Wagen in Kōchi werden teilweise “besteckt”. Wann genau, hat sich mir nicht ganz erschlossen, denn dieses Schild am 201 verkündet “Wanpakukochi line” und damit einen eigentlich normalen Linienverlauf, auf den auch die digitale Zielanzeige hinweisen sollte.

Blick auf den Betriebshof. Zahlreiche Fahrzeuge sind nach der morgendlichen Rush-Hour bereits wieder eingerückt. Unter dem Tramport auf der rechten Seite standen der Museumswagen 7 und die drei europäischen Exoten.

Auch 701 rückt nach getaner Arbeit am Morgen ins Depot ein. Schön zu erkennen, dass der Betriebshof zwar wenigstens über zwei Zufahrtsgleise verfügt, diese aber beide in dieselbe Richtung an das stadteinwärtige Gleis anschließen. Das große Sägen ist damit beim Einrücken unumgänglich. Zunächst nach Richtungswechsel über den zuvor gesehenen Gleiswechsel oder jenen auf der anderen Seite der Zufahrt, dann erneut ein Richtungswechsel um mittels Gegengleisfahrt ins Depot zu kommen. Einfach kann ja jeder… Dafür kommt das Ganze natürlich ohne Weichensteuerung rein mit Rückfallweichen aus.

Rüber zur ebenso minimalistischen Endstation. Für mehr als ein Gleis hat es wiedermal nicht gereicht und für die Niederflurwagen dürfte es auch schon ziemlich eng werden. 603 bricht gleich zu einer weiteren Runde Richtung Kochi Station auf.

Der Ausstiegsbahnsteig treibt das Ganze auf die Spitze: Hier passt wirklich nur die Ausstiegstür vorne beim Fahrer ran. 201 ist derweil schon wieder zurück und gleich bereit für die nächste Runde. Wir werden ihn für ein zweites Frühstück zurück zum Bahnhof nehmen.
Die Frühspitze war jetzt um halb zehn weitgehend im Depot verschwunden und bei dem bedeckten Wetter galt es auch kein Morgenlicht mehr auszukosten. Einem europäischen Gebäckfrühstück stand also nichts entgegen, sodass wir mit dem 201 zurück zum Bahnhof heulten. Neben ein paar Aufnahmen aus dem Inneren entstand dabei auch wieder ein lebendiges Mitfahrvideo. Aber Vorsicht: Die erste Minute ist erstmal Geduld gefragt, denn es steht gerade eine der besagten, einrückenden Gegengleisfahrten im Weg herum. Da verliert selbst der Kompressor irgendwann die Motivation und hört mit seinem ohrenbetäubendem Geboller auf.

Auf dem Weg Richtung Norden zum Bahnhof überqueren wir gleich die große Ushioe-Bashi Bridge und wenig später kreuzt die Ost-/Westachse. Der Blick fällt aus Wagen 201 auf den entgegenkommenden 614.
Der Bahnhofsbäcker in Kōchi bot eine gute Auswahl, ausreichend Sitzplätze und sogar mal richtig guten Kaffee. Ließ sich aushalten und so gönnte ich mir neben dem Süßkram auch gleich noch ein Curry Bun und ein Stück Pizza als vorgezogenes Mittagessen. Das Wetter riet weiterhin nicht zur Eile, sodass wir es ganz gemütlich angehen konnten. Ziel war nun die lange Ost-/Westachse zu erkunden. Dafür mussten wir zunächst mal zurück zur großen Kreuzung Harimayabashi.

Über herrlich illustrierte Nutzungshinweise und Verhaltensregeln sind wir nach über einer Woche nun schon häufiger gestolpert. Eine schöne Auswahl gab es auch an der Haltestelle Kōchi Ekimae.

Es stand der aus Gifu stammende Wagen 592 vor dem Bahnhof bereit. Dort gab es wieder ein schönes Detail zu entdecken: Aus einem Kaugummiautomaten zwischen Längsbank und Tür konnte man alte Fahrkarten (oder Linienpläne?) der Straßenbahn Gifu kaufen.

Auf einer Fahrt am Abend versuchte ich sogar als lustiges Andenken eine der Fahrkarten zu kaufen. Leider wollte der Automat mein gerade einziges 500-Yen-Stück nicht nehmen…
Wir fahren auf dem Abschnitt vom Bahnhof zur zentralen Kreuzung Harimayabashi mal wieder ein Stück mit im doch recht anderen Wagen aus Gifu:

An der Kreuzung Harimayabashi stiegen wir in die nächstbeste Bahn Richtung Westen um. Zuvor kam noch Wagen 609 in Gegenrichtung durch, wobei selbst die Sonne kurz durch den Dauersiff des Tages schimmerte. Und ja, die Brücke im Hintergrund probierte ich natürlich auch noch aus, allerdings erst am Abend und das Experiment im Dunkeln ging nicht auf wie geplant.
Ein Wagen der omnipräsenten 600er-Baureihe brachte uns von Harimayabashi weiter Richtung Westen. Von Vorteil war da wiedermal, dass man in den meisten japanischen Altbauwagen einen sehr guten Blick nach vorn hat und die Strecken auch gern mal viele Haltestellen schnurgeradeaus gehen. So sahen wir rechtzeitig, dass da einer der fehlenden Wagen aus dem Paninialbum entgegenkam, der Niederflurwagen 101.

Bevor wir den 600er, der uns aus dem Zentrum Richtung Westen brachte, überfallartig verließen – also äußerlich in aller Ruhe und beim freundlich hinausdeutenden Fahrer die Tageskarte vorzeigend – blieb noch ein Blick auf die wiedermal archaischen Armaturen. Einziges Rundinstrument ist wieder die Luftdruckanzeige der pneumatischen Bremse. Eine Geschwindigkeitsanzeige sucht man vergebens.

Grund für den Ausstieg an der Haltestelle Gurando Dori war dieser Exot, den man beim Blick nach vorne schon mehr als rechtzeitig sehen konnte. Es ist Wagen 101, ein Little Dancer vom Typ L und der einzige dieser Baureihe in Kōchi. Nicht selbstverständlich, dass man einen solchen Einzelgänger nach 23 Jahren noch betriebsfähig antrifft. In Kōchi ist es allerdings auch bis heute einer von nur vier Niederflurwagen.

Wagen 101: Gestrichen, abgehakt, check! Fehlt nur noch einer aus dem Paninialbum: Die Baureihe 2000.
Mit dem nächsten Wagen Richtung Ino ging es auch schon weiter, denn schön oder wenigstens interessant war das Umfeld hier wiedermal nicht. Wagen 616 brachte uns sogar recht weit, denn viele der Kurse enden auch irgendwo unterwegs. Unser fuhr uns aber sogar noch über die große Kagamigawa Bashi Bridge, hinter der wir für eine Aufnahme ausstiegen. Über der Kreuzung auf der Südseite der Brücke spannt sich wieder ein geniales Fußgängerbrückenkreuz auf, dass sogleich für eine Aufnahme genutzt werden konnte. Schön zu sehen ist die Fußgängerbrücke über der Kreuzung zum Ende des nachfolgenden Videos.
Ab dieser großen Flussbrücke ändert die Strecke ihr Aussehen grundlegend: Es wird eingleisig mit Ausweichen und dörflich mit fast schon überlandstraßenbahnartigen Abschnitten in Seitenlage. Zunächst verläuft die Strecke aber noch eingleisig auf der Straße durch den Ort Asakura, in dem sich die letzte Zwischenendstation befindet, die auch unser Wagen 616 zum Wenden nahm. Dahinter wird dann nurmehr ein sehr zäher 45-min-Takt gefahren.
Zunächst einmal “genießen” wir aber noch die Fahrt zur und über die Kagamigawa Bashi Bridge:

An der Haltestelle Kamobe, der ersten im Ort Asakura auf der anderen Seite des Flusses, haben wir den 616 verlassen und blicken ihm durch die eingleisige Ortsdurchfahrt hinterher.

616 wendete an der Zwischenendstation im Ort und kam alsbald zurück. Zwischendurch blieb natürlich wieder einmal Zeit, dem Lawson einen Besuch für frische Getränke, einen kleinen Snack und eine Toilette abzustatten.

Als nächster “Langläufer” bis Ino kam anschließend Wagen 601 aus Kōchi über die Kagamigawa Bashi Bridge. Von der ein um 45-Grad verdrehtes Kreuz über der Straßenkreuzung beschreibenden Fußgängerbrücke bietet sich ein schöner Überblick über die Szene.
Wir schlenderten anschließend durch den Ort bis zur Zwischenendstation Asakura. Schon sehr dörflich hier für japanische Straßenbahnverhältnisse: Eingleisig auf der Fahrbahn mit Ausweichen verläuft die Strecke schnurgerade durch den Ort. Ein Fußweg sucht man an solchen Straßen meist vergebens, aber die Japaner fahren in der Regel extrem defensiv und die meisten Autos sind nach europäischen Standards auch nur halbe Autos, sodass es selten wirklich eng wird.

Kurz vor seinem Ziel Asakura überholt uns Wagen 623 aus Kōchi kommend.

An der Haltestelle Asakura endet Wagen 623 und verbringt einige Minuten Pause, bevor es zurück nach Kōchi geht.

Am Straßenrand gibt es eine kleine Wartebude der Tosaden mit Informationen, Sitzgelegenheit und Getränkeautomat. Die Wartezeit kann hier auch schon einmal länger ausfallen mit einem 45-min-Takt Richtung Ino und einem 26-min-Takt Richtung Kōchi. Wie sich das fahrplanmäßig ausgehen soll? Keine Ahnung. Die verschiedenen Takte entsprechen irgendwie nie Vielfachen der anderen.

Nachdem 623 Richtung Kōchi aufgebrochen war, liefen wir noch ein Stück weiter dem nächsten Kurs aus Ino entgegen. Das war dann wieder der 601, der hier die Haltestelle Asakuraekimae erreicht, sich also unweit des JR-Bahnhofes befindet. Die JR-Strecke verläuft ab hier immer mehr oder weniger parallel und halbwegs kurze Umsteigewege bestehen in Edagawa und Ino.
Mit dem nächsten Langläufer ging es dann Richtung Ino weiter und wir fuhren erstmal bis zum Ende durch. Mit 627 interessanterweise schon wieder ein 600er. Bei unserem Besuch sahen wir ausschließlich diese Baureihe auf den Langläufern bis Ino. Zugegeben ist die Stichprobe bei einem 45-min-Takt aber auch nicht allzu groß, sodass es auch Zufall gewesen sein könnte, da die 600er einfach die größte Serie im Bestand sind.
Von Asakura bis Ino wurde früher, vermutlich bis zu Ausdünnung des Taktes, mit einem Tokensystem gefahren. In einer kleinen Halterung, jeweils an den Ausfahrweichen der Kreuzungsstellen, mussten die Fahrer den Fahrbefehl entnehmen, ohne den der folgende eingleisige Streckenabschnitt nicht befahren werden darf. Am Ende des Abschnittes wird der Fahrbefehl dann wieder für die Gegenbahn deponiert. Da es nur einen Fahrbefehl pro Streckenabschnitt gibt, kann sich logischerweise jeweils nur ein Fahrzeug im Abschnitt befinden und nichts entgegenkommen. Ein klassisches und uraltes Prinzip insbesondere aus der frühen britischen und amerikanischen Bahnwelt. Bei unserem Besuch wurde allerdings ohne Token gefahren, da sich bei dem dünnen Takt ohnehin nur jeweils ein Fahrzeug westlich von Asakura befindet. Die nächste Bahn darf entsprechend von Asakura nur Richtung Ino fahren, wenn die vorherige Bahn aus Ino entgegengekommen ist. Wir fuhren erstmal bis zum Ende durch und schauten nach potenziell lohnenden Stellen für die Rückfahrt.

Mit 627 haben wir den letzten Streckenabschnitt bis Ino geschafft. Hier bleibt nur eine sehr kurze Pausenzeit, um den Takt ohne Kreuzung bis Asakura halten zu können.

Und noch einmal die Endstation Ino, nun Richtung Streckenende gesehen mit dem auf die Abfahrtszeit wartenden 627.

Nachdem 627 ausgefahren ist, holen wir uns Kaffee und Snack an der nahen Lawson Station und setzen uns damit an Stationsgebäude – stehend hätten wir ja nicht essen dürfen 😉 Schräg gegenüber haben die Toyota-Comfort-Taxis eine Home Base.

Das Gebäude ist unbesetzt und trotzdem penibel gepflegt und sauber, samt öffentlicher Toilette – Japan halt.
Nach der kurzen Pause liefen wir dem nächsten Wagen durch den Ort entgegen, um hier noch eine Aufnahme abseits der Endstation zu machen. Wirklich schön wurde es bis zum Ortsausgang allerdings nicht. Die Strecke verläuft in Seitenlage einer stark befahrenen Straße und rund herum stehen eher Gewerbeanlagen, als sehenswerte Wohnbebauung. So warteten wir schließlich am rand der Ortslage an der Haltestelle Kitayama, an der auch die JR-Strecke unmittelbar in Sichtweite verläuft und nahmen den 607 anschließend ein Stück zurück Richtung Kōchi.

Ein gelungener Zufallstreffer mit dem im richtigen Moment durchfahrenden Triebwagen auf der Dosan-Line der JR und Wagen 607 hinter der Haltestelle Kitayama Richtung Ino. Ich selbst stand einige hundert Meter die Straße hinunter und hörte den Triebwagen kaum im Rauschen der Autos, die mir meine Bildidee auch ziemlich zufuhren – das konnte weg!
Die Fahrt ein Stück zurück Richtung Asakura bis zu einer notierten Stelle wurde wieder als Video festgehalten. Dabei ist auch gut zu erkennen, dass die Strecke dann doch nicht wirklich viel hergibt. Hin und wieder fand sich vielleicht ein nettes Motiv – zwei davon wollten wir jetzt abarbeiten – aber die meiste Zeit ist es eher nicht so lauschig, wie man es sich von so einer Überlandstrecke erhoffen würde.
An der Station Konai stiegen wir schließlich wieder aus. Hier war uns ein netter Blick von einer Gärtnerei von der Nicht-Straßenseite, mit einem kleinen Graben dazwischen aufgefallen. Das könnte doch ganz nett aussehen. Bei dem trüben Wetter war der bald Richtung Ino entgegenkommende orange/gelbe 628 genau passend.

An der Haltestelle Konai sind wir ausgestiegen und warteten auf den bald aus Asakura entgegenkommenden 628. In diesem Bereich gab es doch mal ein, zwei nette “Überlandmotive”.
Ein paar Ecken weiter Richtung Kōchi hatte ich auf der Hinfahrt eine weitere Bildidee erspäht, von einem Zufahrtsweg aus, der ein Stück in den Hang führt. Am Motiv angekommen warteten wir dann natürlich noch gute 20 Minuten, bis der 628 aus Ino zurückkam. Da ich noch nicht 100% zufrieden war, wartete ich dann auch noch auf den nächsten Kurs aus Kōchi. Von hieraus konnte man zu Fuß zur Station Asakura laufen, von wo aus dann wieder mehr zurück Richtung Kōchi fahren würde.

Unweit der Haltestelle Asakurajinja-Mae rumpelt 616 Richtung Ino durch.
Pünktlich zur Ankunft des nächsten Zwischenkurses trafen wir an der Zwischenendstation Asakura ein. Diesmal war es der 627, mit dem wir vorhin bis Ino gefahren waren, der nun hier in Asakura endete. Die Fahrzeuge scheinen also für keine festen Relationen eingeteilt zu sein und scheinbar gibt es auch keine Kurse, die die gesamte Ost-/Westrelation bedienen. Alles, was bislang nach Ino durchgefahren war, kam viel zu schnell aus Kōchi zurück, um es in der Zwischenzeit bis Gomen geschafft zu haben.

Der Blick fällt die lange Ortsdurchfahrt von Asakura hinunter. 627 erreicht gerade seine Endstation Asakura und macht sich anschließend auf den Weg zurück Richtung Kōchi.

Abfahrbereit steht 627 an der Station Asakura und wartet auf seine Fahrzeit Richtung Kōchi. Wir nutzen die Gelegenheit und fahren wieder in Gefilde mit dichterem Takt.
Weit kamen wir nicht Richtung Kōchi mit 627, denn schon hinter Asakura sichteten wir in der Zwischenendsation Kagamigawabashi hinter der großen Flussbrücke etwas Ungewöhnliches: Es war einer der drei Neuaufbauten der 2000er-Serie. Also schnell wieder raus und das letzte Bildchen aus dem Paninialbum eingesammelt.

Der letzte von der Fahndungsliste: Wagen 2001, als einer von drei Wagen dieser Neuaufbauten.
Wir nutzten die Gelegenheit, um mit dem 2001 weiter Richtung Innenstadt zu fahren. Bei einsetzendem Regen und Trägheit blieben wir sehr lang sitzen und sahen uns anschließend erstmals die Oststrecke Richtung Gomen an. Davon, vom Abend und dem verbleibenden morgigen halben Tag in Kōchi berichtet dann der nächste Teil, denn hier ist es schon wieder ziemlich viel geworden und es gilt schließlich noch immer: “Don’t Rush!”
